Daniel Mariblanca vereint trans Geschichten in einem Tanz: „71Bodies 1Dance“

Mit der Soloperformance „71Bodies 1Dance“ – im Rahmen von Tanz im August – verwandelt der spanische Tänzer Daniel Mariblanca die Geschichten unterschiedlichster trans* Personen zu einer Choreografie. SIEGESSÄULE traf den Künstler zum Gespräch
Daniel, für dein Stück hast du 71 trans* Personen aus ganz Europa getroffen. Was machte die Begegnungen für dich besonders? Es ging in den Gesprächen um den Austausch von Wissen und Erfahrungen: Welche Herausforderungen gibt es bei der Transformation, persönlich, politisch, körperlich, sozial? Es waren sehr inspirierende Begegnungen mit vielen schönen Erfahrungen und Geschichten. Und ich habe dabei sehr viele unterschiedliche Wege kennengelernt, trans* zu sein.
Was machte die Transitionen so verschieden? Es gab viele junge Leute, aber auch welche, die den Schritt erst nach ihrer Pensionierung unternommen haben. Manche haben sich hormonellen Behandlungen unterzogen, andere sind ohne ausgekommen. Auch die Auswirkungen auf das soziale Umfeld waren sehr unterschiedlich. Es gab wunderschöne Akzeptanz durch einige Familien, aber auch viel Drama. Einige mussten ganz von vorn beginnen. Das Spektrum ist wirklich sehr groß. Was allen gemeinsam war: Sie betonten, dass es die richtige Entscheidung war – trotz aller Kosten.
„Was allen gemeinsam war: Sie betonten, dass es die richtige Entscheidung war – trotz aller Kosten.“
Deine von diesen Begegnungen inspirierte Choreografie stellt 71 Personen in 71 Minuten dar. Wie schafft man es, jeweils ein Leben in nur einer Minute Tanz zu charakterisieren? Ich habe zweieinhalb Jahre an der Choreografie gearbeitet und dabei eine Methode entwickelt, die zu meiner allgemeinen Methode wurde. Ich nehme die Informationen in mich auf, schließe die Augen – und lasse dann einfach den Körper sprechen. Das Ergebnis ist eine abstrakte, subjektive, körperliche Materialisation.
Die Arbeit entstand parallel zu deiner eigenen Transition. Inwieweit haben sich die beiden Prozesse gegenseitig beeinflusst? Ich hatte damals das Bedürfnis, anderen zuzuhören, die mir eine Art von Führung geben konnten, die mir Werkzeuge oder Strategien an die Hand gaben. Ich brauchte die Gesellschaft von Leuten, die mich verstanden. Gleichzeitig wollte ich aber später allein auf der Bühne sein, um wirklich tief zu reflektieren, was und wie ich es wollte.
Wie hat sich deine Transition auf deine Karriere ausgewirkt? Meine Transition begann mit 34, also wirklich spät. Andererseits sehr früh, verglichen mit vielen anderen. Vielleicht war es so spät, weil ich fürchtete, dass es einen negativen Einfluss auf meine Karriere haben würde. Es geschah parallel zu meinem neuen Engagement in Norwegen vor neun Jahren. Ich hatte im Tanz bereits ein hohes Level erreicht. Und ich verlor die Angst, weil ich mich bereit fühlte. Mit der Transition habe ich auch eine neue Dimension im Tanz erkundet, die meiner Arbeit als Tänzer oder Choreograf einen tieferen Sinn verleiht.
„Mit der Transition habe ich auch eine neue Dimension im Tanz erkundet, die meiner Arbeit als Tänzer oder Choreograf einen tieferen Sinn verleiht.“
Deine Kompanie ist nach dem Stück benannt. Es wurde also eine Initialzündung einer neuen Karriere … Es war der perfekte Moment. Ich hatte zwar Erfahrung, war aber immer noch jung genug. Und in meinem Leben gab es diese wunderbare Veränderung. Auch meine neue Heimat, Norwegen, war eine große Unterstützung, künstlerisch und finanziell. Alle meine Arbeiten haben große Aufmerksamkeit bekommen. Ich entdeckte das Potenzial von Kunst, Veränderungen anzustoßen, Repräsentation, Zugehörigkeit und Empowerment zu kreieren. Seitdem haben wir etwa mit Menschen mit Behinderung und älteren Menschen gearbeitet. Die Kämpfe von Minoritäten betreffen alle Minoritäten.
Im traditionellen Tanz und im Ballett dominieren sehr starke männliche und weibliche Stereotype. Wie empfindest du die Lage heute? Der zeitgenössische Tanz ist ziemlich progressiv und avantgardistisch, gerade was die freie Szene angeht. Natürlich gibt es strukturell und institutionell noch sehr viele heteronormative Einflüsse. Aber wir sind in den letzten zehn Jahren sehr weit gekommen, was die Dekonstruktion von Geschlechterstereotypen angeht. Alle möglichen Ausdrucksformen haben mehr Sichtbarkeit bekommen.
SIEGESSÄULE präsentiert
Tanz im August: „71Bodies 1Dance“
21.08., 18:00;
22.08., 17:00;
23.08., 21:00,
HAU3
tanzimaugust.de
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