Danke, Klöckner! CSD 2025 – so politisch wie lange nicht

Der CSD ist vorbei und mit ihm die Debatte um die Regenbogenflagge auf dem Bundestag. Vor dem Hintergrund des Rechtsrucks machte genau das den Berliner CSD 2025 zu einem der politischsten und bedeutendsten seit Jahren. SIEGESSÄULE-Autor Sascha Suden war vor Ort und fasst seine Eindrücke zusammen
War das schön. Die Regenbogenflagge wehte auf dem Bundestag. Vor zwei Jahren gab es zum 27. Januar eine Gedenkstunde für die verfolgten Homosexuellen des Nationalsozialismus. Sichtbarkeit queeren Lebens dank der damaligen Bundestagspräsidentin Bärbel Bas.
Heute, nicht einmal 100 Tage nach dem Regierungswechsel, ist die queere Community verunsichert und hat Angst. Ironischerweise muss man Danke sagen. Danke, Frau Klöckner, danke, Herr Merz! Denn der Bundestagspräsidentin und dem Bundeskanzler ist es vermutlich zu verdanken, dass die CSDs in Deutschland dieses Jahr so gut besucht sind – und so politisch wie lange nicht mehr, auch in Berlin.
So sieht es der Vorstand des Berliner CSD e. V. in seinem Fazit: „Die gesellschaftliche und politische Situation hat die queere Community und ihre Unterstützer*innen in besonderem Maße politisiert.“ All das, weil Frau Klöckner das Hissen der Regenbogenflagge am CSD auf dem Reichstag verboten hat. Außerdem durften die Beschäftigten der Bundestagsverwaltung nicht offiziell als Teil ihres queeren Netzwerks an der CSD-Demo teilnehmen. Immerhin war ihnen erlaubt, in ihrer Freizeit teilzunehmen. Der Bundestagspräsidentin scheint entgangen zu sein, dass der CSD an einem Samstag stattfindet – ein freier Tag der Bundestagsverwaltung.
Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger von der SPD setzte ein deutliches Zeichen gegen Klöckners Kurs und ließ am Bundesrat die Regenbogenflagge hissen. Selbst der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) zeigte Flagge – anders als viele Parteikolleg*innen – und fuhr beim CSD mit.
Doch vom Vizekanzler und SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil war zu den queerfeindlichen Aktionen und Äußerungen aus der CDU nichts zu hören. Übrigens peinlich für die SPD, dass ausgerechnet Wegner im Bundesrat entgegen der Parteilinie eine Grundgesetzänderung zu Artikel 3 auf den Weg gebracht hat – und nicht die SPD.

Sichtbarkeit schafft Sicherheit
Während queerfeindliche Hasskriminalität ansteigt, scheint die neue Regierung nicht die LGBTIQ*-Community zu unterstützen, sondern selbst eine Strategie der Queerfeindlichkeit zu verfolgen – von der Absage der Regenbogenflagge zum CSD bis zur Aussage von Merz, der Bundestag sei kein Zirkuszelt. Kein guter Start der neuen Regierung, die bereits jetzt für große Verunsicherung und Wut innerhalb der Community sorgt.
Ich kann mich nicht erinnern, dass es bei Klöckners Vorgängerin Bas, als sie zum ersten Mal die Regenbogenflagge auf dem Reichstag hisste, massenhaft Proteste gab. Aber den hunderttausenden Demonstrierenden beim CSD gab es damals ein gutes Gefühl, die Regenbogenflagge auf dem Reichstag zu sehen. Ein Gefühl der Sicherheit, in einem Land zu leben, in dem das Parlament Flagge für queere Menschen zeigt. „Sichtbarkeit schafft Sicherheit“, so formulierte es SIEGESSÄULE-Verlegerin Gudrun Fertig treffend beim „Pride in Concert“.
Auch deshalb war das Motto des CSD „Nie wieder still“ genau richtig. Bei der Eröffnung sagte Bundestagsvizepräsident Omid Nouripour, dass queere Menschen früher nur „überleben konnten, wenn sie still waren“. Das immerhin ist hierzulande zum Glück vorbei. Dennoch trauen sich noch immer viele LGBTIQ* nicht, am Arbeitsplatz zu ihrem Queersein zu stehen.
„Wenn wir nicht aufpassen, gibt es in fünf Jahren keinen CSD mehr.“
Dass die weltweite queerfeindliche Welle auch in Deutschland angekommen ist, zeigt sich unter anderem an der Telekom mit T-Mobile. Das Tochterunternehmen stellte in den USA ihr Diversitätsprogramm (DEI) auf weitreichenden politischen Druck der Trump-Administration ein. Darauf beim CSD angesprochen, wollten sich Mitarbeitende nicht äußern. „Das verstehst du sicher“, meinten sie nur zu mir. Nein, das verstehe ich nicht. Wenn ein deutsches Unternehmen nicht öffentlich an den Werten der queeren Community festhält, dann hat es auf einem CSD nichts zu suchen. Bedenklicher ist noch, wenn sich Mitarbeitende nicht mehr trauen, ihre Meinung zu den Aktivitäten des Konzerns, für den sie arbeiten, zu sagen.
Was bleibt vom diesjährigen CSD? Die Erkenntnis, wie fragil unsere erkämpften Rechte sind.
Entwicklungen wie diese machen vielen Angst. Deshalb überraschte es nicht, dass es in diesem Jahr viele kämpferische Reden gab, zum Beispiel von Jacky-Oh Weinhaus bei der Abschlusskundgebung. Alle waren sich einig, dass es keinen Rückschritt bei queeren Rechten geben darf.
Was bleibt vom diesjährigen CSD? Die Erkenntnis, wie fragil unsere erkämpften Rechte sind. Wie schnell sie uns genommen werden können. Und wie plötzlich vermeintliche Freunde und Allys der Community schweigen. Besorgt war auch CSD-Vorstand Marcel Voges: „Wenn wir nicht aufpassen, gibt es in fünf Jahren keinen CSD mehr.“
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