Kommentar

Das SchwuZ macht dicht – keine Überraschung

19. Nov. 2025 Marit Blossey
Bild: Sergio Andretti
Das SchwuZ bei seiner letzten Party „Last Cheers Queers“ am 1. November

Vor über zwei Wochen feierte das SchwuZ seine letzte Party. Für die queere Community ist damit ein wichtiger Pfeiler weggebrochen – eine Institution, mit der zahlreiche Menschen persönliche Geschichten verbinden. Doch für viele LGBTIQ* ist diese Entwicklung wenig überraschend

Am Ausgang stehen Kerzen, Blumen und ein Pappschild. „Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende“, ist darauf zu lesen. Doch wer in dieser Nacht in der Rollbergstraße ins Taxi steigt, weiß: Für das SchwuZ war es die letzte Party.

Der größte und älteste queere Club Berlins hat am 1. November Abschied gefeiert. Bereits im Juli musste die Geschäftsführung Insolvenz anmelden. Eine Rettungskampagne folgte, doch trotz Spenden aus der Community und Gesprächen mit Investor*innen ließ sich das SchwuZ nicht retten. Am 23. Oktober wurde das endgültige Aus auf Instagram verkündet.

Die Schließung reiht sich ein in eine Welle des Clubsterbens in Berlin: Dazu führen steigende Mieten, höhere Betriebskosten und ein Publikum, das sich Eintritt und Drinks immer seltener leisten kann. Mit diesen Problemen hatte auch das SchwuZ zu kämpfen, doch je nachdem, wen man fragt, kamen dazu noch strukturelle Defizite und interne Konflikte. Im Frühjahr kam eine neue Geschäftsführung in den Club und schnell wurde die finanzielle Notlage deutlich. Daraufhin wurde ein Drittel der Belegschaft entlassen – ein Schritt, der das SchwuZ retten sollte, doch wurde der Umgang mit den Mitarbeiter*innen häufig kritisiert.

Bild: Sergio Andretti
Am letzten Abend im SchwuZ verabschiedeten sich die Gäst*innen

Einstiger Zufluchtsort

Was bleibt vom SchwuZ? Einst Zufluchtsort vor der homophoben Mehrheitsgesellschaft, verwurzelt in der Westberliner Schwulenbewegung der 1970er-Jahre, Ausgangspunkt des ersten Berliner Christopher Street Day 1979 und erste Heimat der SIEGESSÄULE – seine Geschichte machte das SchwuZ zu einer Institution. Doch nicht alle, die den Club für seinen historischen Stellenwert zu schätzen wussten, kamen zuletzt noch regelmäßig zum Tanzen. An kaum einem Ort wurden die Spannungen und Konflikte innerhalb der queeren Community immer wieder so sichtbar wie hier. Das SchwulenZentrum, wie der Ursprung des Namens schon andeutet, war nicht immer ein Ort für alle.

„Das war für mich der Punkt, an dem ich nicht mehr dort auflegen wollte.“

Deshalb kommt das SchwuZ-Aus vor allem für diejenigen nicht überraschend, die sich nur zu gut an die Momente erinnern, in denen Rassismus, Ausschlüsse und Fehlentscheidungen in der Clubpolitik Spuren hinterließen. Schriftsteller*in und DJ Hengameh Yaghoobifarah, der vor zehn Jahren regelmäßig im SchwuZ auflegte, erinnert sich zum Beispiel an ein schlecht durchdachtes Soli-Event 2016 für Black Lives Matter ohne Schwarze DJs, 2017 gab es Berichte über rassistische Türpolitik bei einer Beyoncé-Party. „Das war für mich der Punkt, an dem ich nicht mehr dort auflegen wollte“, erzählt Yaghoobifarah im Interview mit SIEGESSÄULE.

Einer immer internationaler werdenden queeren Community in Berlin galt das SchwuZ als zu weiß, für viele queere BIPoC hat der Club an Relevanz verloren. „Als viele von uns nicht mehr hingegangen sind, hat man sich auch nicht mehr so wohl gefühlt. Es war einfach nicht mehr so ein Community-Feeling“, so Yaghoobifarah.

Auch ehemalige Mitarbeitende sprechen insbesondere im Zuge der Kündigungswelle von schwindendem Vertrauen, das für einen Community-Ort unverzichtbar gewesen wäre. Eine stärkere Einbindung der Gäste, Klärung von Konflikten und eine künstlerische Leitung mit neuen Ideen – hätte das SchwuZ so gerettet werden können? Eher zweifelhaft, schließlich gab es auch Kritik an Programmgestaltung und immer gleichen Pop-Playlists.

Wirtschaftliche Schieflage

Die Spannungen trafen auf harte wirtschaftliche Realität. Um einer größeren Anzahl von Besucher*innen gerecht zu werden, war das SchwuZ 2013 aus dem Keller am Mehringdamm 61 in die ehemalige Kindl-Brauerei in Neukölln gezogen. Im Nachhinein wohl eine Fehlentscheidung: Die Räume hatten eine Kapazität von über tausend Personen, waren allerdings oft nicht einmal zur Hälfte gefüllt. Am Ende erreichte die Spendenkampagne trotz großer Solidarität nur 50.000 der benötigten 300.000 Euro.

Kollektive und Partyreihen: Für viele queere Partygänger*innen bedeuten diese Feierorte nicht nur musikalische Alternativen, sondern auch Räume, in denen Bedürfnisse unmittelbarer verhandelbar sind.

Dass sich die queere Partykultur in Berlin zunehmend in Richtung flexibler Kollektive und temporärer Formate verlagert, ist auch eine Reaktion darauf: Kollektive und Partyreihen wie Sweat, Lecken, Dyketopia, Adira oder Buttons schaffen Räume, die weniger abhängig von großen, teuren Infrastrukturen sind. Für viele queere Partygänger*innen bedeuten diese Feierorte nicht nur musikalische Alternativen, sondern auch Räume, in denen Bedürfnisse unmittelbarer verhandelbar sind.

Vergessen wird das SchwuZ trotzdem nicht. Es bleibt ein prägender Teil der queeren Berliner Geschichte. Vereinsmitglieder und langjährige Ehrenamtliche überlegen bereits, wie ein Neuanfang aussehen könnte – vielleicht kleiner, beweglicher und näher an Community-Strukturen.

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