Biopic über Tove Jansson im Kino

Die bisexuelle Frau hinter den Mumins: „Tove"

17. März 2022 Axel Schock
Bild: Salzgeber

Die knuddeligen Mumins sind ein Welterfolg und haben Generationen von Kindern begeistert. Ihre 1914 in Helsinki geborene Zeichnerin Tove Jansson ist weniger bekannt. Im Spielfilm „Tove“ schildert die finnische Regisseurin Zaida Bergroth die privaten wie künstlerischen Leidenschaften der bisexuellen Künstlerin. Am 24.03. startet der Film im Kino

Das Urteil ihres Vaters ist vernichtend. „Das ist keine Kunst!“, schmettert er seiner Tochter Tove entgegen, als er sie beim Zeichnen dieser an Nilpferde erinnernden Gestalten ertappt. 1944, in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs, hatte sie erstmals diese Trollfiguren in den Luftschutzbunkern beiläufig auf Papier geworfen. Und als Kunst sah es Tove selbst auch nicht, eher als Zeitvertreib, später schlicht als Broterwerb wie andere Auftragsarbeiten, Illustrationen und Karikaturen. Denn ihr Erfolg als Malerin war bescheiden. Für das Selbstbewusstsein der jungen Frau, die im Schatten ihres berühmten Bildhauervaters aufwuchs, war das alles andere als zuträglich. Dass die Mumins, diese knuddeligen Trollwesen, bald nicht nur ihre Miete fürs Atelier finanzieren, sondern auf internationale Resonanz stoßen werden, bleibt für die schwedischsprachige Finnin deshalb bis zuletzt ein zwiespältiger Erfolg. Für sie war es letztlich sogar ein Zeichen ihres Scheiterns als ernstzunehmende Künstlerin.

In über 30 Sprachen philosophieren die freundlichen Mumins in ihrem Mumintal über das perfekte Miteinander, über Glück und Unglück, Alter und Einsamkeit, Sein und Schein. Die Comics, Bilderbücher und Romane haben in Kinderzimmern weltweit ein Zuhause gefunden. Doch die Frau, die diesen Kosmos schuf, ist zumindest hierzulande weitgehend unbekannt geblieben. Durch die Ausstellung „Mumins zauberhafte Welt – Ein Trollabenteuer“ 2014 im Schwulen Museum haben viele sicherlich erstmals von der Bisexualität der Muminsschöpferin erfahren.

Die finnische Regisseurin Zaida Bergroth rückt in ihrem Spielfilm „Tove“ den künstlerischen wie emotionalen Konflikt der schwedischsprachigen Künstlerin und Schriftstellerin ins Zentrum – und konzentriert sich dabei auf eine recht kurze, aber entscheidende, weil prägende Lebensphase zwischen 1944 und 1955. Denn in dieses intensive Jahrzehnt fällt nicht nur die Geburt der Mumins, sondern hier ist auch eine Tove Jansson (Alma Pöysti) zu erleben, die sich nicht von gesellschaftlichen Moralvorstellungen einengen lässt und selbstbewusst ihren unkonventionellen Lebensweisen und Leidenschaften folgt. Dass ihr Geliebter Atos Wirtanen (Shanti Roney) verheiratet ist, ist für Tove kein Grund, ihre Langzeitaffäre zu verheimlichen. Unangenehm ist ihr eher, dass der Politiker sie durch einen Auftrag seiner sozialistischen Zeitung finanziell absichert: Dort werden ihre ersten Mumins-Comicstrips erscheinen.

Bild: Lehtikuva Reino Loppinen Quelle
Tove Jansson mit mehreren Muminfiguren, 1956

Schlüssiges Charakterbild

Doch dann verliebt sich Tove zu ihrer eigenen Überraschung in eine Frau. Auch die Theaterregisseurin Vivica Bandler (Krista Kosonen) ist bereits verheiratet, jedoch eher aus Vernunft, denn aus Liebe. Sie nutzt ihr Geld und ihre Beziehung, um sich künstlerisch zu verwirklichen, und ihr Charisma, um Frauen wie Tove zu verführen, sie in emotionale Abhängigkeit zu bringen – und bald gegen eine neue Geliebte auszutauschen. Für Tove ist dies eine schmerzliche Lektion, aber auch eine wichtige Station in ihrer Selbstfindung. Bis zu ihrem Tod 2001 wird Tove Jansson lesbisch leben.

Stilistisch und dramaturgisch freilich ist „Tove“ eine recht konventionell erzählte Filmbiografie. Die Konzentration auf die innere Zerrissenheit der künstlerisch verunsicherten, von Selbstzweifeln geplagten und tendenziell schüchternen Frau, die aber mutig und entschlossen ihren Gefühlen folgt, verleiht dem Film seine besondere Stärke. Alma Pöysti gelingt es dabei, diese zunächst konträr zueinanderstehenden, bisweilen gar widersprüchlichen Facetten glaubwürdig darzustellen und zu einem schlüssigen Charakterbild zu vereinen. Ganz zum Schluss gibt es dann sogar die echte Tove und zudem von einer ganz anderen Seite zu sehen. Auf dieser offenbar privaten 8-Millimeter-Aufnahme tanzt sie wild und ausgelassen in der freien Natur und verströmt eine ungezügelte Lebensfreude.

Tove,
Finnland/Schweden 2020,
Regie: Zaida Bergroth,
mit Alma Pöysti, Shanti Roney, Krista Kosonen u. a.
Ab 24.03. im Kino

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