Die schwule Welt war nicht genug: Ralf König wird 60!
Seit den 80er-Jahren ist Ralf König unser kluger Beobachter und Chronist des schwulen Lebens – so auch in den Zeiten von Corona. Nun feiert er seinen 60. Geburtstag. Axel Schock gratuliert
Konrad und Paul sind schon ein ziemlich ungleiches Paar. Schöngeist und Klavierlehrer der eine, Science-Fiction-Autor, Sexmaniac und Brusthaarfetischist der andere. Aber ihre Beziehung hat gehalten. Gemeinsam haben sie Krisen, Eifersuchtsattacken, nervige Verwandtschaft ertragen, aber auch die Aids-Krise und – inzwischen in die Jahre gekommen – die männlichen Wechseljahre bewältigt. Und Ralf König hat uns deren Alltagskatastrophen, ihr Leben mit der queeren Wahlfamilie wie auch ihre Sexabenteuer über drei Jahrzehnte hinweg miterleben lassen.
Was er in seinen mittlerweile rund 60 Bänden an Allzumenschlichem mit stets liebevollem, aber genau beobachtendem Blick in Zeichnungen und Sprechblasen festhält, ist letztlich universell – nur dass es hier ausnahmsweise mal aus schwuler Perspektive geschildert wird. Damit hat Ralf König in den 80er- und 90er-Jahren seinen Teil dazu beigetragen, dem Schwulsein das Bemitleidenswerte zu nehmen. Mehr noch: Nun konnte man sogar zusammen mit Heteros über sexuelle Bedürfnisse, Obsessionen und Peinlichkeiten wie über (männliche) Schwächen und Leidenschaften lachen.
Indizierungsanträge und Beschlagnahmeaktionen
Dennoch musste Ralf König auch immer wieder feststellen, dass sich das Humorverständnis durchaus auch unterscheiden kann. Er musste sich mit Indizierungsanträgen („Bullenklöten“) und Beschlagnahmeaktionen („Kondom des Grauens“) herumschlagen und enttäuschende Film- und Bühnenadaptionen („Der bewegte Mann“) ertragen. Ungeachtet dieser Widrigkeiten hat Ralf König seine Form des Geschichtenerzählens perfektioniert. Er setzt Pointen wie die besten Screwball-Comedy-Regisseure und behält auch über lange Strecken die dramaturgische Spannung. „Beach Boys“ (1989) dürfte eine der ersten deutschen Graphic Novels überhaupt sein und bleibt eines seiner zentralen Meisterwerke: tieftraurig, saukomisch und todernst. Zu unser aller Glück war König die schwule Welt irgendwann nicht mehr genug und er widmete sich mit seinem ganz eigenen (und durchaus schwulen) Blick immer wieder neuen Themenfeldern. Er hat die Evolution („Stehaufmännchen“) und die katholische Legende um die Schutzheilige seiner Wahlheimat Köln einer Neuinterpretation unterzogen („Elftausend Jungfrauen“), sich in „Pornstory“ in dezidiert heterosexuelles Milieu begeben und – theologisch fundiert – mit dem Wahnwitz der Religionen im Allgemeinen und Apostel Paulus („Antityp“) sowie Noah („Archetyp“) im Besonderen auseinandergesetzt.
Konrad und Paul sind unterdessen älter geworden, aber König hat sie zum Glück nicht aus den Augen verloren. Als wir ab März Corona verfluchten und vor dem Computerbildschirm versauerten, begann Ralf König von seinem Kölner Atelier aus über seinen Facebook-Kanal uns mehrmals wöchentlich mit Momentaufnahmen aus dem Leben des vielleicht berühmtesten schwulen Paares Deutschlands zu versorgen – und uns auf diese Weise den Alltag samt Maskenpflicht, Drosten-Debatte, Social Distancing und Netflix-Orgien zu spiegeln. Seitdem harren Tausende Fans der nächsten Tageslieferung, um vielleicht endlich den inzwischen sagenumwobenen Rewe-Filialleiter Bastian Knaller zu Gesicht zu bekommen, dessen Erscheinung nicht nur Paul um den Verstand gebracht hat. Und auch ansonsten ist König nicht untätig geblieben. Während man die Entstehung der neuen „Konrad und Paul“-Geschichten gewissermaßen in Echtzeit online miterleben kann, erscheint in diesem Monat mit „Roy & Al machen Männchen“ ein neuer Band über die beiden Vierbeiner, die mit ethnologischem Interesse, aber auch immer wieder verstörtem Hundeblick das wilde Treiben ihrer Herrchen verfolgen.
Ralf König: 40 Jahre Nasenmalerei,
Leseshow, 20.08., 20:00,
BKA-Theater
Ralf König:
„Roy & Al machen Männchen“, Männerschwarm Verlag,
64 Seiten, 15 Euro,
ab 07.08. erhältlich
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