Am 19. und 22.12.

„Don Giovanni“ in Gender-Reverse-Besetzung an der Komischen Oper ist zurück

16. Dez. 2025 Interview: Ecki Ramón Weber
Bild: Laure Bernard
Der Sopranist Bruno de Sá schlüpft in die Rolle von Don Elviro – eine Schöpfung von Kirill Serebrennikov

Im Dezember kehrt „Don Giovanni/Requiem“ an die Komische Oper zurück. SIEGESSÄULE traf den schwulen Regisseur Kirill Serebrennikov und den Sopranisten Bruno de Sá zum Gespräch

Kirill, wie kam es dazu, dass in deiner Inszenierung aus Donna Elvira jetzt Don Giovannis Ex-Partner Don Elviro wurde? Kirill Serebrennikov: Wir suchten neue Aspekte in Mozarts „Don Giovanni“. Mit Bruno de Sá, der nicht bloß ein außergewöhnlicher Sänger, sondern auch ein toller Bühnendarsteller ist, konnten wir eine Tür öffnen und diese alte Geschichte neu erzählen. Wir erweitern die Bandbreite der Sexualität Giovannis und damit seinen Handlungsspielraum mit Blick auf sein toxisches Naturell: Er begehrt alle Menschen seines Umfelds, er traumatisiert Frauen und Männer.

Bruno, welche Türen öffnen sich für dich als Don Elviro? Bruno de Sá: Diese Partie kann ich mit einer neuen Vision interpretieren. Denn wenn gesagt wird, du kannst als Sänger dies oder jenes nicht machen, ist es so, als ob ein Vogel in einen Käfig gesteckt wird, statt ihn frei fliegen zu lassen. Wenn ich als männlicher Sopran eine Partie nicht singen soll, weil die Tradition es angeblich verbietet, wird meine künstlerische Freiheit beschnitten.

„Wir erweitern die Bandbreite der Sexualität Giovannis und damit seinen Handlungsspielraum mit Blick auf sein toxisches Naturell.“

Wir kennen dich vor allem aus Barockopern. Welche Herausforderungen bietet Mozart? B. d. S.: Es ist eine andere Art, Gefühle auszudrücken. Bei Mozart ist nicht jeder Spitzenton das Wichtigste. In meiner Partie geht es um Rache und Wut. Ich muss diese Energie in ein Gleichgewicht bringen, sonst wird gleich in der ersten Arie die ganze Kraft herausgeschleudert. Ich achte darauf, wo ich mehr und wo ich weniger Intensität mitgebe, um einen dramaturgischen Bogen bis zum Ende der Oper zu spannen.

Der adelige Don belügt, betrügt, missbraucht alle und tötet sogar den Vater einer seiner Geliebten Donna Anna. Wie ist es mit seiner Schuld? K. S.: Wir beenden die Oper mit dem Tod von Don Giovanni und verzichten auf das moralisierende Finale. Stattdessen folgt Mozarts „Requiem“. Es geht dann nicht mehr um Tod und Höllenfahrt. In Anlehnung an die buddhistischen Vorstellungen im „Tibetischen Totenbuch“ folgen wir dem Pfad der Seele nach dem Tod. Das duale Konzept von Gut und Böse ist zu simpel, finde ich. Das „Tibetische Totenbuch“ zeigt komplexere Verhältnisse. Jede Seele muss sich mit ihrer Vergangenheit konfrontieren und mit den Begegnungen aus dem vorherigen Leben auseinandersetzen.

„Das duale Konzept von Gut und Böse ist zu simpel.“

Also, die Antwort auf die Frage nach der Schuld ist, dass es weitere Konfrontationen gibt? K. S.: Es gibt keine Antworten im Theater. Es geht immer um das Hinterfragen von Dingen. Für mich ist es wichtig, dass das Publikum in die Lage gebracht wird, über die aufgeworfenen Fragen nachzudenken, über das eigene Leben und die eigenen Lebensverhältnisse.

Don Giovanni/Requiem,
19.+22.12., 19:00, 25.12., 16:00,
Komische Oper im Schiller Theater
komische-oper-berlin.de

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