Kommentar

Entsolidarisierend: Kritik an transfeindlichem Event bei der taz

25. Feb. 2020 Michaela Dudley
Bild: Alexa Vachon
Michaela Dudley

Auf taz.de erschien ein Ankündigungstext zu einer Veranstaltung, der vor transfeindlichen Äußerungen strotzte. Das sorgte für Empörung. Kolumnistin Michaela Dudley kommentiert

„Transgender: Geschlechtergerechtigkeit passé?“, schon diese Fragestellung ist mehr als tendenziös. Sie ist der Titel einer Veranstaltung der Reihe „Queer Lectures“ mit Gunda Schumann, die am 17. März im Hause der taz in der Friedrichstraße stattfinden soll. Auf taz.de las ich auch einen Ankündigungstext zu diesem Event, in dem es vor transphoben Äußerungen nur so strotzte. Wortwörtlich erklärte die Einleitung erhobenen Hauptes: „Gunda Schumann warnt vor den Konsequenzen der Transkultur für den Feminismus und die Lesben- und Schwulenbewegung“. Auch sei Trans*-Identität ein „vom biologischen Körper abstrahierender Irrweg“, hieß es. Unterdessen wurden in plakativer Ausdrucksweise die „Glaubenssätze des linksliberalen Mainstreams“ angeprangert.

Zahlreiche Leser*innen – auch über die Trans*-Community hinaus – zeigten sich verblüfft. „Bin fassungslos“, schrieb jemand entsetzt auf Twitter. Nach dem anfänglichen Schock entlud sich die Wut schnell in einen Shitstorm. Dieser richtete sich an die vortragende „Aktivistin“ Gunda Schumann als auch an Jan Feddersen, der als taz-Redakteur die Abendveranstaltung mit anschließendem Gespräch moderieren sollte. Feddersen ist gleichzeitig Vorstandsmitglied der Initiative Queer Nations e.V und eine der treibenden Kräfte hinter der Verwirklichung des neuen queeren Kulturhauses E2H, das der Berliner Senat unterstützt. Dabei hat Feddersen, nach eigener Etikettierung ein „schwuler, weißer Mann“, schon mal seine Skepsis gegenüber der Weiterentwicklung der ihm offenbar zu bunt gewordenen Regenbogen-Community artikuliert. „Weshalb sollte unsereins gegen die Diskriminierung von trans* Personen sein, wenn diese doch zugleich einen zum größten Übel erklären“, schrieb er letztes Jahr polemisch in einem Kommentar der taz. Dabei sollte das queere Kulturhaus eigentlich ein Ort werden, der die Community verbindet. Von einem „queeren Leuchtturm für Berlin“ ist die Rede! Mit transfeindlichen Events und Feddersen als einer der Hauptverantwortlichen des Projekts ist das jedenfalls nicht glaubhaft zu vermitteln.

Es herrscht die Meinungsfreiheit, und das ist auch gut so. Diskurs ist in einer Demokratie essentiell, und man muss schon Tacheles reden dürfen und können. Aber wenn diskriminierende Ansätze als Talking Points akzeptiert werden und sogar Einzug in erhoffte Safe Spaces für LGBTI*-Menschen halten, geht es nicht mehr um seriöse Beiträge. Die Ankündigung zu der Veranstaltung las sich wie die Einladung zu einem abendfüllenden Programm für unausgelastete Konversionstherapeut*innen, die es auf trans* Personen abgesehen haben – wenn z. B. im Text die „Sterilisierung und Verstümmelung der Körper jünger Mädchen“ „kritisiert“ wird und die Alarmglocken gegen „die Auslöschung der Kategorie Frau im öffentlichen Rechtsverkehr und damit auch des Feminismus und der Frauenrechte“ geläutet werden. War sich die taz bei diesem Event nicht bewusst, dass der unleugbar entsolidarisierende Tenor der These Anklang bei Zeitgenoss*innen finden würde, denen die physische Sicherheit gefährdeter trans* Personen schnurzpiepegal ist.

Weder von Gunda Schumann noch von Jan Feddersen gibt es eine öffentliche Stellungnahme. Im Internet bat die taz „trans* und nicht binäre Menschen“ um Verzeihung, was die ursprüngliche Wortwahl anbelangte. Auch werde in der Redaktion diskutiert, ob die Veranstaltung überhaupt noch stattfinden solle. Eine äußerst dürftige Reaktion, die mehr Fragen aufwirft, als sie beantwortet.

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#trans*#transfeindlich#taz#Queeres Kulturhaus#nicht binär

Update 2. März 2020

Auf der Webseite des Projekts „Queeres Kulturhaus E2H“ wurde heute in dessen Stellungnahme zur Kritik an der ursprünglich unter dem Titel „Transgender: Geschlechtergerechtigkeit passé?" angekündigten IQN-Lecture mitgeteilt, dass die Veranstaltung nicht stattfinden werde. Gunda Schumann habe sie zurückgezogen. Darüber hinaus wurde ein Statement zum Austritt des Spinbodens aus dem E2H-Projekt veröffentlicht.

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