„Rachel hat Talent“ im BKA Theater

Erste Soloshow von Rachel Intervention: „Für viele bin ich noch ein Geheimtipp“

12. Aug. 2025 Interview: Frank Hermann
Bild: Julian Krissel
Die Dragqueen Rachel Intervention kam aus Schwaben nach Berlin

In ihrem Herkunftsland Schwaben war Rachel Intervention längst ein Star, doch das Ländle wurde ihr bald zu klein. Seit vier Jahren lebt die Dragqueen und Aktivistin jetzt in Berlin. In kurzer Zeit hat sie sich hier mit Können und Ausdauer einen Namen gemacht. Fast schon folgerichtig ist der Titel ihrer ersten Soloshow „Rachel hat Talent“ im BKA Theater. SIEGESSÄULE-Autor Frank Hermann traf sie vorab zum Interview

Rachel, wie bist du zum Drag gekommen? Ich hab relativ jung angefangen, als Kind und Jugendlicher in amateurmäßigen Musical-Produktionen mitgespielt, stand dabei aber sehr „normal“ auf der Bühne. Irgendwann bin ich im Internet auf Drag als Kunstform gestoßen beziehungsweise habe kennengelernt, was Drag so alles sein kann. Zuvor war meine Definition von Drag Olivia Jones und alles Mögliche, was Hape Kerkeling gemacht hat, also eher das Komödiantische. Als ich dann „RuPaul‘s Drag Race“ sah, habe ich mir gedacht, das könnte ganz gut zu mir passen. Und in dem Kulturverein, Kreatief e. V. in Neckarsulm, für den ich tätig war, kam ich als Dernière-Scherz als Frau auf die Bühne. Die Leute haben das total abgefeiert. Dann sagten sie bei Kreatief: „Möchtest du bei unserer Open Stage nicht mal Drag machen?“ Und so kam das ins Rollen. Das ist jetzt schon über zehn Jahre her.

Wie war dann der Empfang in der hiesigen Dragszene? Ende 2021 bin ich nach Berlin gekommen, hatte aber bereits sehr viele Freund*innen und Connections, bin also nicht auf Stein gefallen. Es ging gleich gut los: „Ach, du bist hier? Kannst du nicht in meiner Show mitmachen?“ Ich fühlte mich sofort gut aufgehoben. Generell habe ich den Eindruck, dass die Szene hier so groß ist, dass du parallel zu anderen existieren kannst.

Bild: Matt Lutze
Rachel Intervention hat viele Facetten

Wie wurde die Figur Rachel Intervention entwickelt, wie ist sie entstanden, wogegen interveniert sie? Zu dem Namen kam ich wie die Jungfrau zum Kinde. Mir ist selbst kein Name eingefallen und dann habe ich gegoogelt nach Dragnamen-Generatoren. Da wurde dann Rachel Intervention ausgespuckt, und ich dachte, irgendwie gefällt mir das sehr, weil „Intervention“ auch wahnsinnig gut Drag als Kunstform beschreibt. Man interveniert gegen Geschlechterstereotype, dagegen, was man erwartet von Männlichkeit oder Weiblichkeit. Wenn man sonst im Alltag als männlich gelesen wird, gibt man auf der Bühne die Illusion von etwas komplett anderem. Und dann natürlich ist Drag immer eine politische Intervention gewesen. Dragkünstler*innen standen schon immer ganz vorne, wenn es darum ging, etwas zu bewegen oder laut zu sein. Und ich als Unterhaltungskünstler interveniere auch anders in den Alltag meines Publikums, zum Beispiel wenn jemand nach einer Show sagt: „Ich hatte so eine beschissene Woche und konnte mal wieder so richtig lachen.“

„Drag ist immer eine politische Intervention gewesen.“

Du verstehst dich als Unterhalterin? Voll und ganz. Was meine Dragperformance ausmacht, sind Comedy und die Menschen zum Lachen zu bringen. Und es ist unvermeidlich, über politische Themen zu sprechen. So hat sich dann der Name immer mehr gefestigt. Mittlerweile mache ich Drag hauptberuflich. Mein Wunsch war immer, von meiner Kunst leben zu können. Ich war daher sehr bemüht, viel zu machen, alle Möglichkeiten zu nutzen und auszuprobieren. Wenn man genug gegen die Wand wirft, bleibt irgendwann was kleben, sage ich gern (lacht). Und ich hatte auch das Glück, viele Freund*innen zu haben, die schon einen größeren Namen haben, die mich weiterempfohlen haben. Eine Mischung aus Fleiß, Vitamin B und Talent würde ich schon sagen.

Du hast ja sehr aufwändig geschnittene Nummern … Für meine Lip­syncingnummern brauche ich schon Tage. Ich lasse sie zwischendurch ruhen, überlege auch, wie ich das dann performe. Viele Queens haben ja so ihre Qualitäten, eine macht die Haare ganz toll selbst, eine näht ihre Kostüme selbst ... Da habe ich schon so einen Perfektionismus entwickelt. Nicht, dass ich am laufenden Band neue Nummern rausschieße, aber ich bin immer sehr stolz darauf, wenn ich sagen kann: „Die Nummer habe ich selbst geschnitten.“

War „Eiersalat“ deine erste Soloshow? Ich habe damit noch in Baden-Württemberg angefangen, habe im Kulturverein angefragt: „Lasst mich doch mal ‘ne Soloshow machen!“ Und anstatt rumzudrucksen, haben sie gesagt: „Hier sind drei Termine, such dir einen aus.“

Die Show war dein Einstieg beim BKA Theater. Dann gibt es aber noch „Intervention Berlin“ … Genau, das habe ich auch dem BKA angeboten, weil ich Künstler*innen aus dem deutschsprachigen Raum hierherholen wollte, damit Berlin nicht nur unter sich bleibt. Und weil ich durch diverse Auftritte anderswo erlebt habe, welche großartigen Talente noch im Land verteilt sind.

„Es geht darum, dass Rachel ihren großen Durchbruch möchte, und deshalb nimmt sie an einem Casting teil.“

In „Rachel hat Talent“ nimmt die junge Dragqueen an einem Talent-Casting teil ... Der Gedanke hinter der Show war, dass ich für viele noch ein Geheimtipp bin – „... kennst du übrigens schon ...?“ Also geht es jetzt darum, dass Rachel ihren großen Durchbruch möchte, und deshalb nimmt sie an einem Casting teil, um endlich von allen gesehen zu werden. Die Idee ist, durch verschiedene Instanzen möglichst viel von mir zu zeigen. Also verschiedene Türchen aufzumachen und diverse Talente von mir zu zeigen. Es ist auch eine Geschichte, was es bedeutet, Künstler*in zu sein, und was für eine Anstrengung es ist. Und ob Rachel das Casting gewinnt, wird man dann sehen ... Der Anspruch an Drag Artists ist ja immer auch „Neu neu neu“. Stand-up-Comedians können immer im selben T-Shirt und mit ähnlichen Texten auf die Bühne, aber bei uns geht das nicht. Da bekommt man dann schon mal zu hören: „Die Nummer habe ich aber schon mal gesehen.“ Da sag ich dann: „Danke schön, dass du so ein großer Fan bist und wiedergekommen bist.“

„Das Schöne an Drag ist, dass es immer eine andere Facette von einem zeigt.“

Durch Wiederholung wird ja eine Nummer nicht schlechter … Im Gegenteil, ich merke ja selbst, wie viel Spaß es macht, während ich performe, immer neue Nuancen zu entdecken. Es ist manchmal schon anstrengend, immer alle bei Laune zu halten, mich selbst inbegriffen. Das Schöne an Drag ist, dass es immer eine andere Facette von einem zeigt. Es gibt ja Drag Artists, die als Drag eine komplett andere Persönlichkeit haben, einen Charakter entwickeln mit einer Hintergrundgeschichte. Ich für meinen Teil habe das nicht, ich integriere private Aspekte wie zum Beispiel, dass ich vegan lebe. Das ist ja auch ein politisches Statement. Ich mag es, vegan zu sein (lacht). Es wird auch in der Show eine Rolle spielen. Lasst euch überraschen!

SIEGESSÄULE präsentiert
„Rachel hat Talent“,
13.08. (Premiere), 20:00,
15.+16.08., 20.–23.08., 20:00,
BKA Theater
bka-theater.de

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