Ukraine

Existenzkampf: Club ∄ in Kyjiw

10. Mai 2022 Jana Schulze
Der Club ∄ in Kyjiw

Der Club ∄ ging als „Berghain Kyjiws“ durch die Medien und war für sein Team wie ein zweites Zuhause. Die ehemalige Brauerei war auch Freiraum für die LGBTIQ*-Community und ein Platz für Kunst. Ein Safer Space für Clubgänger*innen und Menschen abseits des Mainstreams. Seit Kriegsbeginn in der Ukraine ist der Club dicht; ein Teil des Teams ist nach Berlin geflüchtet. SIEGESSÄULE sprach via Zoom mit einer mitarbeitenden Person des Clubs, die auf eigenen Wunsch anonym bleiben möchte

Wie viele aus dem ∄-Team sind nach Berlin geflohen, als am 24. Februar der Krieg ausbrach, und wie sieht ihr Alltag jetzt aus? Von den rund 200 Mitarbeiter*innen sind jetzt 32 in Berlin. Wir haben hier ein Büro von Freund*innen zur Verfügung gestellt bekommen und einen Spendenfonds gegründet. Bislang sind rund 45.000 Euro zusammengekommen, wofür wir sehr dankbar sind. Mit den Geldern unterstützen wir Teammitglieder in der Ukraine. Wir haben außerdem eine Telegram-Gruppe gegründet, in der sich Ukrainer*innen, die Hilfe benötigen, unabhängig davon, wo sie in Europa leben, anmelden können. Das haben bislang rund 16.000 Menschen getan, an rund 1.500 davon haben wir Geld überwiesen. Unser ehemaliger Barmanager ist beispielsweise in Kyjiw geblieben, weil er sich dort um seine Eltern kümmern wollte. Ehrenamtlich kocht er nun täglich für eine Klinik; ihn unterstützen wir auch finanziell.

„In diesem Krieg ist es egal, ob du homo-, bi- oder trans* bist!"

Euer Club galt als wichtige Anlaufstelle für die LGBTIQ*-Szene in Kyjiw und der ganzen Ukraine. Wie versucht ihr euch von Deutschland aus um die Szene in der Heimat zu kümmern? In diesem Krieg ist es egal, ob du homo-, bi- oder trans* bist! Jetzt geht es um die Gemeinschaft; wir unterstützen uns alle gegenseitig, so weit es möglich ist. Es gibt eine Gruppe um die Organisator*innen des Pride Ukraine, die derzeit an den Fronten kämpfende Männer unterstützt. Wir unterstützen diese Gruppe auch finanziell.

Einige deutsche Medien nannten das ∄ das „Berghain“, also den Club Kyjiws. Was denkst du dazu? Wir fühlen uns einerseits geehrt, weil wir wissen, welch guten Ruf das Berghain hat. Aber auch wenn wir in der Ukraine mittlerweile ein freies Leben gelebt haben, sind wir von dem, wie die Menschen in Berlin leben und feiern, noch weit entfernt. Außerdem sind die ukrainische und die deutsche Gesellschaft so verschieden in so vielen Dingen. Was hier exzessiv getan wird, ist in Kyjiw dann doch nicht möglich. Unser Club war ein Ort, an dem viele vieles ausprobieren und wir immer wieder neue Ideen entwickeln konnten. Wir sind ein bunt gemischtes Team aus verschiedenen Ländern, deshalb auch der Name des Clubs: das Symbol ∄, das so viel bedeutet wie „es existiert nicht“.

Magst Du einen Blick in die Zukunft deiner Heimat werfen – oder geht das in diesem Moment gar nicht? Es wird niemals wieder werden, wie es zuvor war. Dieser Angriffskrieg, die Angriffe, die Bomben – das wird uns Ukrainer*innen immer begleiten. Allein eine Explosion zu hören ist Horror. In der Nacht, als der Krieg begann, war ich mit einem Date ganz entspannt zu Hause, dann auf einmal gab es die Explosionen. Viele von uns werden in den nächsten Jahren mit Traumata leben müssen.

„So stark wie die Zivilgesellschaft in Deutschland hilft, so stark muss die Politik auch endlich handeln."

Was fordert ihr als Ukrainer*innen von Deutschland und Europa? So stark wie die Zivilgesellschaft in Deutschland hilft, so stark muss die Politik auch endlich handeln. Aus unserer Sicht halten sich Berlin und auch Paris so sehr zurück. Wir fordern ein Embargo der russischen Gaseinfuhr, sicherlich wird dies politisch etwas bewirken. Vielleicht darf ich es noch einmal zusammenfassen: Wenn Russland den Krieg stoppt, bedeutet dies Frieden. Wenn die Ukraine aufhört zu kämpfen, dann gibt es keine Ukraine mehr!

Gibt es in der nächsten Zeit einen Lichtblick für dich? Meine Idee ist, im Mai nach Kyjiw zu fahren; meine Mutter hat Geburtstag, wir wollen den Klub sehen und einige Freunde besuchen. Hoffentlich wird das möglich sein!

Spendenfonds des Clubs:

k41community.fund

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