FLINTA* im Kampfsport: Boxen gegen das Patriarchat

Der queerfeministische Verein Boxgirls feiert dieses Jahr Jubiläum: Seit 20 Jahren bieten sie Box-, Muay-Thai- und Kickboxtraining vorrangig für FLINTA* an und setzen sich für strukturellen Wandel ein. SIEGESSÄULE traf das Leuchtturmprojekt zum Gespräch
In der belebten Neuköllner Weserstraße liegt das Büro des Berliner Vereins Boxgirls. Von hier managen sieben Teammitglieder die Organisation des queerfeministischen Vereins, der mittlerweile um die 200 Mitglieder fasst. „Unser Fokus ist es für Menschen, die von Mehrfachdiskriminierung betroffen sind, Empowerment-Räume zu schaffen und gemeinsam zu gestalten“, erzählt Coach und Vorstand Linos Bitterling gegenüber SIEGESSÄULE. Linos Bitterling ist Gründungsmitglied und hat Boxgirls ehrenamtlich über 15 Jahre aufgebaut, bevor der Verein durch die Förderung der Berliner Senatsverwaltung die Arbeit nun zum Teil bezahlen kann.
„In unseren Trainings geht es nicht per se um Selbstverteidigung, sondern darum in einem geschützten Raum Sport zu machen.“
Die Strukturen im Kampfsport seien bis heute dominiert von weißen cis Männern, während gleichzeitig bei Frauen oft der Aspekt der Selbstverteidigung mehr in den Vordergrund gerückt werde, als der der Sport selbst. „In unseren Trainings geht es nicht per se um Selbstverteidigung, sondern darum in einem geschützten Raum Sport zu machen“, sagt Linos Bitterling. „Wir machen Communitybuilding, vernetzten uns, tauschen uns aus und zeigen, dass FLINTA* stark sind.“
Edna Martinez ist seit 2019 Teil des Vereins, leitet eine BIPoC-Trainingsgruppe und arbeitet im Vorstand. Im Interview mit SIEGESSÄULE sagt sie: „Für uns ist nicht nur die individuelle Ebene wichtig, sondern auch zu lernen, mit anderen Personen zu trainieren und deren Grenzen zu respektieren.“
Boxgirls ist 2005 aus dem queeren Sportverein Seitenwechsel heraus entstanden und bietet mittlerweile über 30 verschiedene Trainingseinheiten für FLINTA* an. Auch wenn sich das Angebot nicht primär an cis Männer richtet, sind auch sie willkommen. Bei dem Projekt „No Borders“, das für Menschen mit Fluchtgeschichte entwickelt wurde, haben beispielsweise größtenteils Männer teilgenommen.
Die Idee war, geflüchteten Personen einen Begegnungs- und Vernetzungsort zu bieten. „Wir wollen nicht nur gendergerechte Strukturen schaffen, sondern eine gerechte Struktur für alle“, betont Edna Martinez. Der Verein setzt sich für feministische, queere, antirassistische und antifaschistische Werte ein. Die vereinende Komponente sei der Sport und der Aufbau einer Community.
Empowerment in der Schule
Der Verein ist in der Berliner Szene gut vernetzt, geht an Schulen und engagiert sich in Kinder- und Jugendeinrichtungen. „Wir bieten Empowerment-Workshops, Selbstverteidigung und Kickboxen an“, erzählt Edna Martinez, „aber wir können auch nur reden und zuhören.“ Vor allem für MINTA* (Mädchen, intergeschlechtliche, nicht binäre, trans* und agenden Personen) wollen sie einen offenen Raum schaffen. „Es gibt viele weltweite Konflikte, die auch in Klassenzimmern Thema sind und oftmals gibt es in der Schule keinen Platz dafür“, ergänzt Linos Bitterling. Selbstermächtigung sei hier das Ziel. „Wir bekommen die Rückmeldung, dass Mädchen, die in unsere Trainings kommen sich im Schulalltag wohler fühlen, sich mündlich besser beteiligen und selbstbewusster sind.“

„Wir sind davon überzeugt, dass Personen, die durch das Training gestärkt sind, auch Prozesse in ihrem Umfeld positiv beeinflussen und Vorbild sein können.“
Ein wichtiger Teil von Boxgirls sei der Peer-to-Peer-Ansatz – die Mitglieder werden motiviert zu trainieren, die Strukturen mit aufzubauen und am Ende selbst Coach zu werden. „Wir sind davon überzeugt, dass Personen, die durch das Training gestärkt sind, auch Prozesse in ihrem Umfeld positiv beeinflussen und Vorbild sein können“, so Linos Bitterling.
Aktuell spüre der Verein noch immer die Nachwirkungen der Covid-Pandemie. Gerade Mädchen und Frauen mussten ihre Familie zu Hause unterstützten und seien wieder in patriarchalen Strukturen gedrängt worden. „Wir mussten von vorne anfangen, die Mädchen erreichen. In den letzten Jahren sind viele Räume für FLINTA* verloren gegangen“, erklärt Edna Martinez.
Dazu komme die zermürbende und unsichere Finanzierungslage, die viel Kraft und Ressourcen aufbrauche. Auch Boxgirls ist von den aktuellen Berliner Haushaltskürzungen betroffen, musste das Programm „No Borders“ einstellen und mehrere Mitarbeiter*innen entlassen. „Wir versuchen mit aller Kraft gegen diese finanzielle aber auch strukturelle Ungerechtigkeit anzukämpfen“, so Linos Bitterling. In unserer patriarchalen Gesellschaft gebe es zu viele Leute, die einem ständig einreden „Du schaffst das nicht!“, sagt Edna Martinez, Boxgirls aber versuche FLINTA* zu stärken und das Gegenteil zu beweisen.
Boxgirls Berlin e. V.
boxgirls.de
instagram.com/boxgirlsberlin
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