SIEGESSÄULE präsentiert: Queer Week

Gorki-Theater thematisiert Queerness im Exil

29. Aug. 2022 Eckhard Weber
Bild: Damian Siqueiros
Gerard X Reyes

Dieses Jahr eröffnet die „QueerWeek“ die neue Theatersaison im Gorki, im wiedergeöffneten Studio R. Unter dem Motto „In Exile“ hat das Festival die Weltlage fest im Blick und stellt die richtigen Fragen

Auch im 21. Jahrhundert ist unsere Erde noch immer ein Ort der Kriege, des Terrors, der Unterdrückung und Verfolgung, zum Beispiel wie in Irak, Syrien, Afghanistan und in der Ukraine. Zudem gibt es extrem queerfeindliche Gesetzgebungen, wie etwa in Ghana. Das alles zwingt Menschen zur Flucht. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass die diesjährige „QueerWeek“ am Maxim Gorki Theater Queerness, Migration und Exil intersektional zusammendenkt. Für „In Exile. QueerWeek22“ hat Gorki-Dramaturg*in Yunus Ersoy mit einem vielköpfigen kreativen Team für die beiden ersten Septemberwochenenden vielfältige Standpunkte versammelt.

„In Krisen- und Migrationszeiten müssen sich queere Menschen und Kunstschaffende ständig mit Fragen des Exils und der Entfremdung auseinandersetzen. Als Ergebnis dieser Erfahrung sind Queerness und Exil miteinander verwoben und bilden eine Dualität von Exil in Queerness und Queerness im Exil“, bringt es die Ankündigung der Podiumsdiskussion „Exiled Bodies, Reclaimed Spaces“ (04.09.) auf den Punkt. Welche neuen Ausgrenzungen produzieren queere Kontexte? Wie viel Freiheit gibt es tatsächlich in queeren Schutzräumen? Solche und viele weitere Fragen untersucht die „QueerWeek“ – mit einer Reihe von Performances, Diskussionen, szenischen Lesungen und Filmscreenings. Und natürlich mit viel Raum für Begegnung und Austausch.

Genderneutrales Pronomen „o“

Den fulminanten Auftakt am 01.09. gibt der Abend „Project O“ der nicht binären Jazz-Sänger*in, Performer*in und Aktivist*in Anthony Hüseyin mit dem Release-Konzert ihres*seines Albums „O“, zudem mit Lecture-Performance und anschließender Party. Anthony Hüseyin hat sich mit dem geschlechtsneutralen Pronomen „o“ im Türkischen beschäftigt, Anlass für eine persönliche Reise durch Kindheit und Gegenwart. Und für Erinnerungen an den Gesangsstar Zeki Müren, der praktisch türkischer Liberace und Elvis in einem war. Ab den 1960er-Jahren trug die „Sonne der Kunst“, so ein Ehrentitel für Müren, bei Auftritten gerne Minitunika, Netzstrümpfe und Plateaustiefel, an den Fingern viele prachtvolle Ringe.

Bild: Firat Gurgen
Anthony Hüseyin

Autobiografisch beeinflusst ist auch die Tanzperformance „Trans-“ (02.09.) von Caner Teker. „Trans-“ setzt sich mit dem cis männlichen Ritual des Barbierens in Istanbul auseinander und mit traditionellem türkischem Tanzrepertoire, u. a. mit dem lange cis Männern vorbehaltenen Stil Zeybek aus dem Mittelmeerraum. Außerdem kommt die Gaida – ein Dudelsack aus Südosteuropa – zum Zug, von Teker virtuos aufgefummelt und selbst gespielt.

Bild: Nellie de Boer
Caner Teker

In „The Principle of Pleasure“ (02.09.) zieht Choreograf*in Gerard X Reyes kritisch Bilanz: „Ich fand Lust an vielen Orten. In einer trans* Bar in Montreal. Auf Vogue-Bällen in Manhattan. Stripclubs in Portland. Berliner Fetisch-Partys. Jeder dieser Orte bot mir einen Ausweg aus den gesellschaftlichen Normen, doch jeder von ihnen brachte auch seine eigene restriktive Hausordnung mit sich“, heißt es in der Ankündigung. In dieser Tanzproduktion hinterfragt Gerard X Reyes somit die landläufig hochgepriesenen queeren Schutzräume, zum Sound von Popikonen wie Janet Jackson. Apropos Diven: Die 96-jährige jüdische Berliner Dragqueen Nana Schewitz, mit Wurzeln im tropischen Süden Floridas, legt in ihrer aktuellen Show „Florida! You Kill Me!“ (04.09.) dar, welche tödlichen Gefahren ein Ruhesitz im „Rentnerparadies“ Florida für eine betagte Tunte mit sich bringt.

Am zweiten Wochenende der „QueerWeek“ nimmt das Queerdos-Kollektiv den so schillernden wie problematischen Begriff „Heimat“ unter die Lupe: Ist Heimat ein Ort der Solidarität und Zuflucht? Oder doch eher getarnte nationale Ideologie? Heimat und Exotisierung sind zwei Seiten derselben Medaille. In „Heimat“ (10.09.) werden fünf verschiedene Perspektiven aufgezeigt, polyglott auf Englisch, Ukrainisch, Rumänisch, Hebräisch und Arabisch.

Bild: Josh Walker
Nana Schewitz

Queeres „Top of the Pops“

Die „QueerWeek“ lockt auch in den Gorki Garten. Hier findet die Performance „Are You Flirting With Me?“ (11.09.) statt, die emanzipatorische Formen der Kontaktaufnahme jenseits von Genderhierarchien erkundet. „Wie gelingt es, dass ein Flirt für alle Beteiligten angenehm ist?“, lautet eine der vielen Fragen, auf die Priscilla Bergey, Valerie Oberhof und Elena Schmidt Antworten suchen.

Den glamourösen Schlusspunkt der „QueerWeek“ setzt die Revue „OK Boomer“ (11.09.) des Duos AHH – das sind die Kulturwissenschaftlerin und Theatermacherin Golschan Ahmad Haschemi und die deutsch-iranische Schauspielerin Banafshe Hourmazdi. AHH präsentiert ein queeres „Top of the Pops“. Hits aus den letzten Jahrzehnten werden intersektional neu interpretiert, umgeschrieben und neu komponiert. Heraus kommt die Musik, die sich Queers schon immer gewünscht, aber lange schmerzlich vermisst haben, kreiert von Komponistin Sara Glojnaric. Sie ist sowohl in der Neuen Musik als auch im Pop fest verwurzelt und verfügt über den queeren Weitblick, um Subtexte im Pop zu ergründen. Das könnte der Sound für eine neue, bessere Ära werden …

SIEGESSÄULE präsentiert
In Exile. QueerWeek22,
01.–04.09. + 09.–11.09., Maxim Gorki Theater (Studio R)
gorki.de

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