Book Release Party am 02.12.

„Sex in Berlin“ – erotischer Stadtführer von Tantra bis Techno

1. Dez. 2025 Paula Balov
Bild: IMC Photo
The Velvet Creepers sind bekannt für ihre empowernden Burlesque-Shows

Die Kulturwissenschaftlerin und Podcasterin Nike Wessel zeichnet in „Sex in Berlin“ ein reich bebildertes Porträt der Hauptstadt als Spielwiese sexueller Entfaltung. Ihr Buch ist ein Kleinod zwischen queeren Clubnächten, feministischer Bildung, kreativen und spirituellen Begegnungsorten

Es beginnt mit der Erinnerung an eine kalte Novembernacht, in der Nike Wessel spontan auf einer Nacktparty landete. Sie beschreibt die Nervosität und den Nervenkitzel und wie dieser Abend ihren Blick auf den eigenen Körper und Intimität veränderte. Sie fühlte sich verletzlich, fand darin aber gleichzeitig eine fast magische Kraft. Damit setzt Wessel den Ton für den Buchband: Es geht in „Sex in Berlin“ nicht einfach darum, kinky Orte der Hauptstadt vorzustellen. Stattdessen will das Buch ergründen, was Berlins sexpositive Szene für viele so inspirierend macht. „Oft gehe ich mit einer festen Idee, wer ich bin, an so einen Ort und komme mit neuen Erkenntnissen zurück“, erzählt Nike Wessel im Gespräch mit SIEGESSÄULE. „Es ist zutiefst bereichernd, dass wir lernen, wachsen und neue Erfahrungen machen dürfen.“

„Oft gehe ich mit einer festen Idee, wer ich bin, an so einen Ort und komme mit neuen Erkenntnissen zurück.“

Wessel ist Kulturwissenschaftlerin, Podcasterin und Gründerin der Medienagentur Studio36. Auf 212 Seiten präsentiert sie (auf Deutsch und Englisch) insgesamt 15 Locations, Projekte und Kollektive aus persönlicher Perspektive, durchsetzt mit Schnappschüssen aus der Szene. Bevor es ans Eingemachte geht, erörtert ein Kapitel die Geschichte Berlins als Epizentrum sexueller Befreiung, von der ersten homosexuellen Emanzipationsbewegung und der Forschung von Magnus Hirschfeld bis zu Berghain und KitKatClub. Letztere bleiben Randerwähnungen, was eine bewusste Entscheidung war: „Kitty und Berghain findet man sehr leicht. Dafür braucht es so ein Buch nicht.“

Persönlich kuratierte Insidertipps

In den nächsten Kapiteln beleuchtet Wessel die Schnittstellen zwischen Sexparty, Kunst, Spiritualität und Politik: vom transformatorischen Potenzial des Tantra im Conscious Play Temple über die Verbindung von BDSM und Körperarbeit im Karada House bis hin zu hedonistisch-nudistischen Community-Spaces wie The Naked Tea Party. Ein Kapitel widmet sich dem feministischen Sexshop Sexclusivitäten von Laura Méritt und ihrer Aufklärungsarbeit, ein anderes der kollektiv geführten Escortagentur Paramour Collective, dem Puppenbordell Cybrothel, dem Cabaret- und Burlesque-Trio Velvet Creepers oder dem Fetischkunst- und Technokollektiv Pornceptual.

Bild: Sebastiaan Lefuce
Momentaufnahme von The Naked Tea Party

Etwas überraschend bekommt auch das SchwuZ ein Spotlight, obwohl Sex dort nicht im Zentrum steht: Wessel verbeugt sich vor dem „ältesten queeren Club Deutschlands“ und hebt die Bedeutung der Homosexuellen Aktion Westberlin für die heutige LGBTIQ*-Community hervor. Vor dem Hintergrund der kürzlichen Schließung des Clubs stimmt dieses Kapitel nun nachträglich traurig.

Im Interview erklärt sie, dass sie die Projekte und Orte sorgfältig ausgewählt hat, mit Fokus auf Consent und Integrität. Vor diesem Hintergrund irritiert die unkritische Erwähnung von Yoni-Eiern (in New-Age-Kreisen beliebte Mineraldildos), die nachweislich ungesund für die Vaginalflora sind. Abgesehen davon (und trotz der spirituellen Akzente) driftet das Buch jedoch nie ins Esoterische ab. Stattdessen verleihen die Interviews mit den Schriftstellerinnen Emilia Roig, Katja Lewina und Mithu Sanyal dem Buch zusätzliche politische Tiefe: Sie beleuchten Beziehungsnormen, intersektionalen Feminismus oder gehen darauf ein, wie die Auseinandersetzung mit dem Tod das Sex- und Liebesleben positiv beeinflussen kann.

„Sexpositivität ist etwas Wunderschönes. Aber es ist auch etwas, das aktiv erhalten werden muss – vor allem mit Blick auf den internationalen politischen Rechtsruck.“

Zweiter Band: „Guide to Love“

Sicherlich ließe sich bemängeln, dass viele sexy Berlin-Institutionen – etwa das Pornfilmfestival oder Folsom – fehlen. Doch am Ende liest sich „Sex in Berlin“ vor allem wie eine persönlich kuratierte Sammlung der Autorin mit Insidertipps und erotischen Denkanstößen. Das nächste Buch, „Guide to Love“, kann bereits vorbestellt werden und wird sexpositive Szenen im gesamten deutschsprachigen Raum beleuchten. Anschließend soll ein weiterer Band die weltweite Szene vorstellen. Denn, so Wessel: „Sexpositivität ist etwas Wunderschönes. Aber es ist auch etwas, das aktiv erhalten werden muss – vor allem mit Blick auf den internationalen politischen Rechtsruck.“

Nike Wessel: „Sex in Berlin: Guide to Love“,
Vast Chili Nova, 212 Seiten, 19,90 Euro
sexin.berlin

Book Release Party: Guide to Love,
Präsentation des zweiten Bands zur überregionalen sexpositiven Szene,
02.12., 16:00,
The Circle Berlin,
Skalitzer Str. 59, Kreuzberg

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