Ausstellung

Im Knochengarten: Hommage an Derek Jarman

20. Juli 2021 Carsten Bauhaus
Bild: Inas Halabi / Photo Liam Daniel courtesy / Basilisk Communications Edition Salzgeber

Mit der Ausstellung „The Garden. Kinematografien der Erde“ möchte das Kurator*innenteam die Kunst des schwulen Filmemachers Derek Jarman wieder in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung rücken und somit für eine jüngere Generation zugänglich machen. Im Kulturquartier silent green in den Räumen eines ehemaligen Krematoriums scheint die Schau den idealen Ort gefunden zu haben. Carsten Bauhaus berichtet

Der Filmemacher, Künstler und Aktivist Derek Jarman starb 1994 an den Folgen von Aids. Seine letzten Jahre hatte er auf einem Gartengrundstück in Südengland verbracht. Das „Prospect Cottage“ hatte er bei Dreharbeiten zu seinem Film „The Garden“ (1990) entdeckt. An dessen besondere Topografie und utopisches Potenzial knüpft das Ausstellungsprojekt „The Garden. Cinematics of the Soil“ an.

In direkter Nachbarschaft zu einem Atomkraftwerk und einer Militärbasis schuf Jarman damals im Cottage einen Sehnsuchtsort des kollaborativen Zusammenlebens, der ihm Zuflucht vor einer zunehmend destruktiven und diskriminierenden Gesellschaft bot. „Das Besondere an Derek Jarman war das Bestreben, das Biografische mit dem Künstlerischen und dem Politischen in einem großen Kraftakt zu verweben“, so Co-Kurator Jörg Heitmann. „Eine Arbeitsweise, die man leider heute immer seltener findet.“

Für ihn und die anderen aus dem Team – Bettina Ellerkamp, Stefanie Schulte Strathaus und Marc Siegel – war Jarman früh zum Idol geworden, prägend für ihr Arbeiten, Denken, Leben. Mit Erschrecken mussten sie feststellen, dass Jarman bei unter 30-Jährigen kaum noch ein Begriff ist. Den Künstler wieder ins öffentliche Bewusstsein zu rücken ist für sie ein „Herzensprojekt und großes Experiment“, so Co-Kuratorin Bettina Ellerkamp. Mit den Themen Krankheit, Tod und Rückzug in die Natur scheint das Projekt brandaktuell zu sein. Tatsächlich wurde es aber schon vor Covid geplant.

„eine körperliche Erfahrung“

Passend zum Titel bietet der Ausstellungskomplex des silent green in einem ehemaligen Krematorium tatsächlich auch eine Gartenanlage inklusive Nutzgarten auf dem Dach. Im zentralen Innenraum, der „Betonhalle“, wird Jarmans Film „The Garden“ auf zwölf verschiedenen Bildschirmen dekonstruiert. „Dereks Moralansichten werden durch die Segmentierung und Dekonstruktion so transparenter. Er hat sich ja neben dem Schwulsein auch mit Themen wie Kirche, Gesellschaft und Folter beschäftigt“, so Jörg Heitmann. „Das Ganze wird in der ehemaligen Leichenlagerhalle, wo Körper aufbewahrt und gerichtsmedizinisch seziert wurden, geradezu eine körperliche Erfahrung“, ergänzt Bettina Ellerkamp.

Derek Jarman hatte in seiner Schaffenszeit eine Gruppe von Freund*innen, Künstler*innen und Aktivist*innen um sich versammelt. „Neben dem utopischen Potenzial, was heute ja nicht mehr ,in‘ ist, ist es diese kollektive Arbeitsweise, die mich fasziniert“, so Jörg Heitmann. „Er brachte verschiedene Leute, Ansichten und Perspektiven zusammen und gemeinsam stritt man um existenzielle Themen.“ Einige von Jarmans ehemaligen Weggefährt*innen sind am aktuellen Projekt beteiligt. Der Musiker und Klangkünstler Peter Cusack etwa wird eine Live-Klanginstallation beisteuern, live aus Jarmans Garten in Dungeness. Auch das queere Berliner CHEAP Art Kollektiv ist mit einer Sound- und Lichtinstallation vertreten.

Vielfältiges Rahmenprogramm

Ergänzt wird die Ausstellung durch eine Gesprächs- und Filmreihe. In den von Marc Siegel geführten Talks mit Künstler*innen und Aktivist*innen wird es um queeres Begehren, ökosexuellen Aktivismus und die Möglichkeiten neuer utopischer Räume gehen. Das Kino Arsenal zeigt außerdem neben einigen von Jarmans Filmen ein queeres, feministisches, subversives und futuristisches Kurzfilmprogramm aus den 1990er-Jahren und der Gegenwart. Die Vielfältigkeit des Rahmenprogramms unter Beteiligung etlicher Mitstreiter*innen ist gewollt: „Jarman steht eben auch für die Auflösung der Disziplinen“, so Jörg Heitmann. „Handwerk, Wissenschaft, Politik und Kunst – alles sollte zusammenwirken: Hauptsache raus aus dem Elfenbeinturm. Seine Art von Lebensutopie, verknüpft mit einer unglaublichen persönlichen Freiheit und Vielfalt, scheint heute dringlicher denn je.“

Bild: Edina Van der Wyck
Derek Jarman

SIEGESSÄULE präsentiert:

The Garden. Kinematografien der Erde, 22.07.–22.08., Di–Fr 14:00–20:00, Sa+So 11:00–20:00, silent green Kulturquartier

Infos zum Begleitprogramm unter: silent-green.net

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