Exklusiv-Interview

Katja Jäger über Insolvenzanmeldung: „Euer Feiern ist politisch, kommt zurück ins SchwuZ!“

1. Aug. 2025 Manuela Kay
Bild: Maclaine Black
Geschäftsführerin Katja Jäger ist seit Anfang 2025 im Amt

Das SchwuZ hat Insolvenz angemeldet – das ist seit gestern, den 31. Juli bekannt. Zuvor gab es bereits massive Personalkürzungen und Einsparungspläne, doch die Maßnahmen reichten nicht aus. Warum das jetzt die Chance für einen Neustart sein kann und nicht unbedingt das Ende der seit 1977 bestehenden legendären Location, besprach Manuela Kay mit SchwuZ-Geschäftsführerin Katja Jäger

Warum kommt jetzt die Insolvenz? Seit Wochen seid ihr bereits in den Schlagzeilen, wegen der Entlassungen und Einsparungen. Haben diese Maßnahmen nicht gegriffen oder ist die Insolvenz ein geplanter Teil davon? Das ist kein Teil der Maßnahmen, sondern ein Schritt, den wir gerne abgewendet hätten. Es bestanden einfach strukturelle Defizite, die innerhalb der letzten Monate gar nicht ausräumbar waren.

Welche strukturellen Defizite? Also zum Beispiel, dass wir einen Personalapparat aufgebaut haben, der mit den Umsätzen nicht korrespondiert. Es gibt zwei einschneidende Dinge: Das eine ist, dass wir in den Jahren, in denen es gut lief, natürlich Personal aufgebaut haben. Auch auf sehr viele Menschen verteilt, was ein schönes Signal an die Community war.

„Was zu spät erkannt wurde: Die Umsätze können das nicht tragen. Dieser Anstieg an Personalkosten, der korrespondierte nicht mehr mit dem Gäst*innengeschehen.“

Also viele Mini-Jobs ... Genau, viele Mini-Jobs. Das bedeutet zugleich, dass das verwaltet werden will. Viele Menschen für wenige Stunden bedeutet einfach viel Organisation. Das Zweite ist: In den Vorjahren, vor allem in der Corona-Zeit, gab es Lohnanpassungen. Das heißt, wir haben ein ganz anderes Lohnniveau als noch vor ein paar Jahren. Ich stehe absolut dahinter, dass wir diese Gehälter zahlen. Was meines Erachtens zu spät erkannt wurde: Die Umsätze können das nicht tragen. Dieser Anstieg an Personalkosten, der korrespondierte überhaupt nicht mehr mit dem Gäst*innengeschehen. Das wurde auch letztes Jahr in Teilen erkannt. Allerdings gab es Sparmaßnahmen, die den Kostenapparat nicht so haben drücken können. Der Umsatz hat weiter gefehlt. Die Fehlbeträge sind je nach Monat zwischen 30.000 und 60.000 Euro. Die Personalkosten, die wir dann einsparen konnten, haben nur circa 30.000 Euro gebracht – so schmerzlich das ist. In Summe muss man das in Kombination mit einer Umsatzsteigerung sehen, und das war in den letzten Wochen nicht absehbar. Die Negativpresse hat sicherlich auch nicht geholfen.

Also konkret: In den guten Zeiten wurde mehr Personal eingestellt, Löhne wurden erhöht und jetzt sind die Einnahmen dazu nicht mehr da. Dann habt ihr Personal abgebaut, das hat aber nicht gereicht? Richtig. Beziehungsweise bräuchten wir mehr Gäst*innen. Der Personalabbau alleine war nie die Maßnahme, zu der wir gesagt haben, dann reicht's. Du kannst dich ja auch nicht kleinsparen.

Kannst du beziffern wie viele Leute früher ins SchwuZ gegangen sind und wie viele jetzt kommen? Bis 2023 war es okay. Da haben die Schwankungen, die es mal zwischen einem Freitag und einem Samstag gab, nichts ausgemacht. Genauso wie die Pepsi-Boston-Bar einfach als Angebot unter der Woche betrieben werden konnte und mal hier und da querfinanziert wurde durch andere gute Partys. Aber jetzt können wir an Freitagen zum Teil nur 400 Gäst*innen verzeichnen.

Wie viel braucht ihr? Es gibt nicht die goldene Zahl, aber es wäre notwendig, dass wir an die 800 bis 1.000 an so einem Standardabend hätten ...

„Unsere Partys sind für viele mehr als nur Formate – sie sind Heimat, Safer Space, Community. Gleichzeitig müssen wir sie auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten denken. “

Also doppelt so viel? Genau. Es gibt ja Produkte, die wunderbar funktionieren, die „Popkicker“ Party oder die „Femme-Top“. Ich weiß, dass unsere Partys für viele mehr sind als nur Formate – sie sind Heimat, Safer Space, Community. Gleichzeitig müssen wir sie auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten denken. Formate wie „Popkicker“ zeigen, wie beides zusammengeht: emotionale Verbundenheit und wirtschaftliche Stabilität. Genau solche Partys brauchen wir mehr.

Für manche klingt eine Party mit 400 Gästen ja schon traumhaft. Wie viel Besucher*innen braucht ihr pro Tag, damit es einen Break-even gibt? Das ist nicht so leicht zu beziffern, weil es immer darauf ankommt, wieviel die Menschen trinken und wie hoch der Eintrittspreis ist. Aber grundsätzlich so um die 800 für einen Freitag. Wenn der Samstag dann umso besser läuft, sollten 1.000 bis 1.100 im Club sein.

Die Preise sind ja sehr gestiegen, dennoch konntet ihr das nicht auffangen. Würdet ihr die Preise auch wieder senken, damit mehr Leute kommen, die letztlich mehr Umsatz machen? Tatsächlich sind unsere Getränkepreise im Vergleich zu anderen Clubs nicht so exorbitant teuer. Bezüglich des Eintrittspreises ist mir aber bewusst, dass 20 Euro für einen Samstagabend ein starkes Wort sind. Die Frage ist eben, auf wie viel kannst du es runter reduzieren und wie viel mehr Gäst*innen kannst du damit holen, damit es eine Null ergibt und ein perspektivisches Plus. Diese Testläufe konnten wir in den letzten Wochen einfach nicht mehr machen, weil das wirtschaftliche Risiko zu groß war. Wir haben aber ganz viele Dinge auch schon umgesetzt in den letzten Monaten, gerade auch mit Franziska als Leitung Kulturproduktion & Marketing. Auch mehr in Kooperationen zu gehen, stärker mit anderen Kollektiven zu sprechen, je nachdem, was die an Gäst*innen hinkriegen können oder auch an Formaten.

Du hast gestern Insolvenz anmelden müssen. Wie viel Überwindung hat dich das gekostet vor dem Hintergrund, dass es Deutschlands ältester existierender Club dieser Art ist. Im Gründungsjahr vom SchwuZ 1977, würde ich mal schätzen, warst du noch gar nicht auf der Welt? Ja, korrekt. Es ist total krass, auch traurig. Das ist etwas, was man erstmal nicht für möglich hält. Wenn man so eine Historie hat und mit so einem Briefing den Job antritt: „Letztes Jahr war ein bisschen schwierig, aber wir kriegen es hin, peu à peu ...“ Ich habe das ja auch nicht freiwillig entschieden, sondern es war ein notwendiger Schritt, der auch rechtlich vorgegeben ist. Ich sehe darin die Chance für einen Neuanfang. Man kann den Leuten sagen: Jetzt ist euer Feiern politischer denn je, kommt zurück ins SchwuZ! Und natürlich gibt es jetzt ein geordnetes Verfahren mit standardisierten Prozessen, die jetzt angestoßen werden. Damit hat man nochmal die Möglichkeit, anders zu agieren. Aber Überwindung hat mich das natürlich gekostet. Sowas macht man nicht gerne.

Du warst bereits durch die Entlassungen ein bisschen die Buhfrau für alle. Wie gehst du damit um? Ich finde es interessant, dass mir als Frau in dieser Rolle teilweise deutlich weniger Raum und Vertrauen entgegengebracht wurde – gerade in der Belegschaftsversammlung. Während mein Vorgänger ausführlich sprechen konnte, wurde ich mehrfach unterbrochen.

Würdest du soweit gehen, hier von Sexismus dir gegenüber zu sprechen? Ich will das nicht labeln, doch es wurde deutlich, dass ich anders behandelt wurde. Solche Unterschiede müssen wir ehrlich reflektieren – auch innerhalb der queeren Szene. Gleichzeitig ist es nur ein Teil der Belegschaft gewesen, der da sehr kritisch war, bis hin zu sehr laut und nicht mehr respektvoll. Der Großteil der Belegschaft hat signalisiert: „Jetzt ist die Zeit, in der wir anpacken müssen.“

„Das Verfahren zur Insolvenzeröffnung dauert etwa zwei Monate. In dieser Zeit gilt es, der Community klar zu machen: Kommt jetzt zurück!“

Was haben wir uns jetzt vorzustellen? Insolvenz klingt für viele wie „Pleite, Türen zu, das war's“. Aber du sprichst von Neuanfang. Genau. Wir haben wenig Zeit. Das Verfahren zur Insolvenzeröffnung dauert etwa zwei Monate. In dieser Zeit gilt es, der Community klar zu machen: Kommt jetzt zurück! Alles, was jetzt noch passiert, wird unter dem Aspekt „Wie geht es dem Unternehmen?“ angeguckt. Es gibt viele Möglichkeiten aus dem Antrag heraus mit einem neuen Plan, mit einem neuen Konzept wiederzukommen – wie ein Phoenix aus der Asche.

Was heißt das konkret? Das kann ich gar nicht beantworten, weil das die Insolvenzverwalter*in in erster Linie verantwortet. Was jetzt vor allem möglich ist, ist eben mit Vorschlägen zu arbeiten und mit konkreten Änderungen. Der Insolvenzantrag ist erstmal die Zeit, die vor der Verfahrenseröffnung liegt. Und in dieser Zeit prüft das Gericht und die Insolenzverwalter*in, was eigentlich tragfähig ist und was nicht.

Kann man sagen, ihr habt bis 1. Oktober Bewährungszeit? Könnte man vielleicht, ob das das richtige Wort ist, weiß ich nicht. Aber es ist ein Testlauf, dafür, wie es sein könnte, oder wie es auch besser sein könnte.

Was kann die Community jetzt konkret tun, um das SchwuZ zu retten? Zurückkommen! Also wirklich: Kommt Feiern! Ich möchte auch nochmal die Unlimited-Abo-Card erwähnen. Das ist einfach etwas, das Leute als Unterstützung kaufen können, auch wenn sie nicht in Berlin sind. Für 29,90 Euro kann man monatlich so oft kommen, wie man möchte. Vor allem kann man dadurch jetzt einfach Support leisten.

Also eher eine Spende? Das ist keine Spende. Man kauft ja tatsächlich ein Abo. Trotzdem ist es auch ein Signal. Und das Signal sollte sein: Kauft euch das Abo und kommt zurück!

Was wünscht du dir konkret von der Community? Dass wir zusammenhalten!

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