Inszenierung von Barrie Kosky

Kafka, jiddisches Theater und schwarzer Humor im Stück „K.“ am Berliner Ensemble

24. Sept. 2025 Ecki Ramón Weber
Bild: Jörg Brüggemann
„K. Ein talmudisches Tingeltangel rund um Kafkas ,Prozess‘“ im Berliner Ensemble

Nach dem Erfolg seiner „Dreigroschenoper“-Inszenierung legt Barrie Kosky jetzt „K.“ vor – eine Auseinandersetzung mit Kafkas „Prozess“ und dessen Judentum. Am 27. September findet die Premiere im Berliner Ensemble statt

Humor ist nicht gerade das, was spontan zu Franz Kafka einfällt. In seinen Romanen geht es meistens um Bedrohung, Orientierungslosigkeit und Verzweiflung. Am Berliner Ensemble legt Regisseur Barrie Kosky nach dem Erfolg seiner Inszenierung „Dreigroschenoper“ von Brecht und Weill jetzt „K. Ein talmudisches Tingeltangel rund um Kafkas ‚Prozess‘“ vor. Kafka und Tingeltangel? Humor und Leichtigkeit bei einem Roman, in dem es um den Kampf eines Mannes, Josef K., gegen willkürliche, mysteriöse Mühlen der Justiz geht? Wie geht das zusammen?

„Es gibt viel Humor bei Kafka. Wir wissen, dass er oft gelacht hat, wenn er seine Texte mit seinem Freundeskreis in Prag gelesen hat. Es ist ein schwarzer Humor.“

„Es gibt viel Humor bei Kafka“, entgegnet Barrie Kosky im Interview mit SIEGESSÄULE. „Wir wissen, dass er oft gelacht hat, wenn er seine Texte mit seinem Freundeskreis in Prag gelesen hat. Es ist ein schwarzer Humor. Und der kommt von seiner Entdeckung des jiddischen Theaters in Prag. Ein Freund hat ihn auf eine kleine Bühne im Café Savoy aufmerksam gemacht. In diesem Theater, das mit einfachen Mitteln auskam, hat er eine unglaubliche Tiefe gespürt. Viele seiner Dialoge, vor allem in der ‚Der Prozess‘, sind davon beeinflusst.“

Diese Liebe Kafkas zu den jiddischen Sprache und Musik ist auch ein Schlüssel zu dessen Auseinandersetzung mit dem eigenen Judentum, findet Barrie Kosky: „Kafkas Familie waren assimilierte Jüd*innen. Wie viele in der gleichen Situation in der europäischen Kultur, zum Beispiel auch Heinrich Heine, hat sich Kafka als Außenseiter gefühlt. Er stellte sich die Frage, zu welcher Tradition er eigentlich gehört.“

Obwohl sich Kafka nicht als religiös begriff, finden sich in seinem literarischen Werk Einflüsse aus dem Talmud, dem umfangreichen jüdischen Regelwerk, stellt Barrie Kosky fest: „Kafka war auf der Suche nach Antworten für alles. In der talmudischen Tradition bringt eine Frage nicht die Antworten, sondern die nächste Frage. So wie Kafka schreibt, ist es eine Art von talmudischer Erforschung.“

Bild: Jörg Brüggemann
Schauspielerin Kathrin Wehlisch (mitte) übernimmt die Rolle des Josef K.

Frauen eine Stimme geben

In Kafkas Romanen ist das Frauenbild antiquiert. An einer Stelle von „Der Prozess“ küsst die Titelfigur Josef K. seine Nachbarin Fräulein Bürstner gegen ihren Willen. Wie geht der Regisseur auf der Bühne damit um? „In den Romanen von Kafka haben die Frauen nur Nebenrollen“, so Barrie Kosky, „Sie sind diffuse erotische Projektionen, fast wie in vielen Filmen von Woody Allen. Ich habe in meiner Inszenierung aber Mittel, nämlich Musik und Gesang, um Frauen eine Stimme zu geben. Das ergibt ganz andere Beziehungen zu Josef K. Im Gegensatz zum Roman haben hier die Frauen Kontrolle in den Situationen.“

Außerdem werden die Gender-Koordinaten neu gesetzt. Schauspielerin Kathrin Wehlisch, Ensemblemitglied am Haus und 2021 bei #actout im SZ-Magazin dabei, übernimmt am Berliner Ensemble die Rolle des Josef K. Und das folgt, unterstreicht Barrie Kosky, sogar der Tradition: „In Aufführungen des jiddischen Theaters in Prag war die Herrenimitatorin Frau Klug die Starperformerin. Wenn Kathrin Wehlisch also K. spielt, ist das dramaturgisch authentisch. Ausgehend davon werden in meiner Inszenierung auch Frauen von Männern dargestellt.“

K. Ein talmudisches Tingeltangel rund um Kafkas ‚Prozess‘“
24. + 26.09., 18:00 (Voraufführungen)
27.09, 19:00 (Premiere)
28.09., 18:00, 11.10., 19:00, 12.10, 18:00, 25.10., 19:00 und 26.10., 18:00
Berliner Ensemble (Großes Haus)
berliner-ensemble.de

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