Streichung queere Bildungsprojekte

Kein Geld für queere Bildung: Initiativen stehen vor dem Aus

22. Juli 2025 Leonie Hertig
Bild: Leonhard Lenz CC0 1.0 Quelle
Unkürzbar Demonstration in Berlin gegen geplante Kürzungen im Landeshaushalt.

Es können keine Gelder für queere Bildung im Doppelhaushalt 2026/27 bereitgestellt werden, gibt die Senatsverwaltung bekannt. Bereits im Februar kündigten sie an, dass die Finanzierung vieler Beratungsprojekte auf der Kippe stand. Trotz zahlreicher Proteste sieht die Bildungssenatorin nicht die Dringlichkeit zu handeln

Im Ausschuss über die „Herausforderungen der queeren Bildung in der Zukunft“ gab Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) bekannt, dass die Bildungsverwaltung keine Gelder für queere Bildung innerhalb des Doppelhaushalt 2026/27 bereitstellen könne. Bereits im Frühling kürzte der Berliner Senat 780.000 Euro für den Haushalt 2025 bei queeren Bildungsprojekten. Ein plötzliches Aus für zahlreiche Initiativen, Vereine und Mitarbeitende. Die Grünen kritisierten die Intransparenz der Auswahlkriterien, nach denen entschieden werde, welche Projekte zu kürzen seien.

Die Kürzungen seien ein Schock

Das Statement zum Haushalt 2026/27 sei „zwar nicht überraschend, aber trotzdem ein Schock gewesen“, so Jarred Kennedy-Loving, Mitarbeiter bei Queerformat e. V. – Fachstelle Queere Bildung. Der Verein unterstützt in Berlin jährlich 1.500 Pädagog*innen mit Fortbildungen und Beratungen zu Akzeptanz und Vielfalt. Auch die Initiative queer@school, die Schüler*innen auf Augenhöhe zu Antidiskriminierung sensibilisiert, ist betroffen. Ebenso sollen die Gelder der Kompetenzstelle i-Päd – intersektionale Pädagogik gekürzt werden, die mit Pädagog*innen Maßnahmen gegen Diskriminierung und sexuelle Gewalt entwickelt. Dabei seien queere Bildungsinitiativen gerade wichtiger denn je. Um die 82 Prozent aller queeren Jugendlichen würden Diskriminierung in der Schule erfahren, erinnerte Kerstin Florkiw von Queerformat e. V. während des Ausschusses. 

„Wir müssen davon ausgehen, dass dahinter eine politische Motivation steckt.“

„Die Bildungsverwaltung konnte uns bis heute nicht transparent erklären, auf welcher Grundlage sie die Kürzungen und Streichungen im Bereich der queeren Bildung vorgenommen hat. Daher müssen wir davon ausgehen, dass dahinter eine politische Motivation steckt“, kritisiert Louis Krüger (Grüne) im Gespräch mit SIEGESSÄULE. Auf eine schriftliche Anfrage der Grünen antwortet Christina Henke, Senatsverwaltung für Bildung, dass die Förderungen sorgfältig auf ihre Effektivität und Wirksamkeit überprüft werden müssten. „Im Zuge dieser Abwägung wurde entschieden, die Fördermittel entsprechend den aktuellen Bedarfen zu priorisieren.“ Als Gegenmaßnahme zu den Kürzungen wurde queeren Bildungsprojekten empfohlen, für den Doppelhaushalt 2026/27 alternative Bundesfördermittel zu finden. Diese Empfehlung sieht Krüger jedoch als Nebelkerze, da es aktuell fast unmöglich sei, Fördermittel für bereits bestehende Projekte zu bekommen.

Das bestätigt auch Marie Springborn, Projektkoordination von queer@school. Der Initiative wurde von Senat und Bundestagsabgeordneten empfohlen, alternativ das Bundesprogramm „Demokratie leben“ zu nutzen, obwohl die Förderung seit Januar bis 2032 bereits vergeben ist. Um möglicherweise ab 2026 eine neue Förderung zu erhalten, ist es nötig, bereits bestehende und funktionierende Projekte neu zu konzipieren und umzuschreiben, so Springborn. Für queer@school ist das keine Option, da sie bereits mit bewährten Workshop-Modellen in Schulklassen arbeiten.

Vom Reagieren zum Agieren

Um mit der existenzbedrohenden Kürzungswelle für 2026/27 umgehen zu können, sei es wichtig, aus dem Reagieren herauszukommen, erklärt Kjell Yann Seger, Projektkoordination bei queer@school. „Dazu gehört, sich nicht mit Krümeln der Berliner Regierung zu begnügen, sondern mutig zu sein und wieder mehr zu fordern als das absolute Minimum.“ Dazu gehöre, so Seger, sichere Finanzierung, gerechte Entlohnung und Anerkennung der geleisteten Arbeit.

„Dazu gehört, sich nicht mit Krümeln der Berliner Regierung zu begnügen, sondern mutig zu sein und wieder mehr zu fordern als das absolute Minimum.“

Am 20. Februar wurde bekannt, dass die Senatsverwaltung für Bildung zum 1. April die Finanzierung von rund 100 queeren Bildungs- und Beratungsprojekten streichen würde. Das war der Startschuss für zahlreiche Demonstrationen und den Zusammenschluss „Unkürzbar“, an dem sich die betroffenen Initiativen beteiligten. Aktivist*innen sammelten 3.900 Unterschriften, woraufhin die Inter*Trans*Beratung den offenen Brief der Bildungssenatorin überreichte. Darin forderte sie die Rücknahme der Kürzungen.

„Gerade in dieser kritischen Lage ist Solidarität geboten, zum Beispiel in Form von Teilen von Informationen und Ressourcen“, erklärt Kennedy-Loving. Ressourcen, die allerdings durch monatelangen Widerstand erschöpft sind. Daher benötigen die betroffenen Initiativen Unterstützung von der Berliner Gemeinschaft. Weitere politische Aktionen seien notwendig, um Druck auf den Senat aufbauen zu können.

„Es ist bei vielen noch nicht angekommen was die Konsequenzen sein werden, wenn die Demokratiebildung verschwindet“

„Es ist bei vielen noch nicht angekommen was die Konsequenzen sein werden, wenn die Demokratiebildung verschwindet“, so Seger. Ohne Projekte wie i-Päd, Queerformat und queer@school fehlt es Lehrkräften und Pädagog*innen an Unterstützung, um Diskriminierung, Hass und Gewalt wirksam begegnen zu können. Stattdessen werden dringend benötigte Bildungsangebote von Initiativen gekürzt, die schon jetzt kaum in der Lage sind, die Vielzahl an Anfragen zu bewältigen. Am Ende sind es vor allem die Kinder und Jugendlichen, die darunter leiden. Mitte August wird der Haushaltsentwurf für 2026/2027 an das Abgeordnetenhaus übermittelt. Dann werden konkrete Zahlen für einzelne Verwaltungen und Projekte und das ganze Maß der Kürzungen einsehbar sein.

Folge uns auf Instagram

#Bildungssenatorin#Doppelhaushalt 2026/27#Haushaltskürzungen#Senatsverwaltung#queere Bildung

Das Siegessäule Logo
Das Branchenbuch mit Haltung
Queer. Divers. Überzeugend.