Kerosin95: „Ich kann keinen Rap machen und mich als unpolitisch ausgeben.“

Der nicht binäre Rapper Kem Kolleritsch (Pronomen „er“) wurde unter dem Namen Kerosin95 bekannt. Nach längerer Pause, wegen intensiver Anfeindungen, ist er jetzt mit einer Single „7 Kilo Testo“ und im Mai mit einem neuen Album wieder am Start. Für SIEGESSÄULE sprach Ilo Toerkell mit dem Musiker
„Willkommen in der Trans Agenda Dynastie“, rappte der in Wien lebende Musiker Kerosin95 auf der 2022 erschienenen EP „Trans Agenda Dynastie“. Die EP und das Debütalbum „Volume 1“ (2021) brachten Kerosin95 in Deutschland und Österreich auf die Bühnen vieler queerer Partys und Events. In seinen Songtexten zeigt er Transfeinden den Mittelfinger und lädt „trans cuties“ ein, zu feiern und sich gegenseitig zu unterstützen.
Inzwischen sind seit Kerosin95s letzten Veröffentlichungen und Auftritten drei Jahre vergangen. „Ich habe viel transfeindliche Gewalt in der Musikbranche erfahren, besonders von cis Frauen und TERFs. Es war so viel, dass ich fast zwei Jahre lang in Langzeitkrankenstand gehen musste“, sagt der Künstler.
„Ich habe viel transfeindliche Gewalt in der Musikbranche erfahren."
„Ich wollte deswegen sogar komplett mit der Musik aufhören.“ Durch Unterstützung aus seinem Umfeld fand Kerosin95 zurück zur Musik, und im Februar erschien die erste neue Single „Ice Hockey“ – ein, wie Kerosin95 sagt, „homoerotischer Flirttrack und eine Hommage an Femmes“.
Für Mai 2025 ist ein neues Album angekündigt, dessen Titel allerdings noch eine Überraschung bleiben soll. Für die neuen Aufnahmen kollaborierte Kerosin95 mit dem Produzenten Osive. In einem Prozess, den der Musiker als „spielerisch“ beschreibt, entstanden Songs, die sich nicht auf ein Genre begrenzen lassen, sondern sich auf Einflüsse aus Rap, Hip-Hop, elektronischer, Dance und Popmusik beziehen.
Mozart oder Diana Ross gesampelt
„Es gibt nicht den einen Sound, den wir suchen. Der Song muss uns einfach catchen. Wir legen beide viel Wert auf Rhythmus und Drum Beats. Osive kommt aus der Club- und Dance-Battle-Szene und hat ein perfektes Ohr für tanzbare Arrangements“, so Kerosin95. „In alter Hip-Hop-Manier wird aber auch gesampelt – zum Beispiel ein Lied von Diana Ross oder Mozart.“
Die neue Musik entstammt einer Lebensphase, von der der Künstler sagt, sie habe nicht mehr viel mit dem alten Kerosin95 zu tun: „Entfernter vom Schein und Erfolg des ekelhaften, profitorientierten Pop-Business habe ich gemerkt, was wichtiger ist – nicht nur für mein eigenes Überleben, sondern generell: Politics, Comrades & Friends.“
Der Rapper möchte die Bühne, die ihm zur Verfügung steht, deswegen nutzen und solidarisiert sich mit intersektionalen Kämpfen für Gerechtigkeit. „Das ist kein Aktivismus“, sagt er. „Die Entstehungsgeschichte von Rap und Hip-Hop ist politisch. Für mich ist klar: Ich kann keinen Rap machen und mich als unpolitisch ausgeben. Dabei sollten Transfeindlichkeit und Sexismus nicht als alleinstehende Probleme betrachtet werden, sondern im Kontext anderer Diskriminierungsstrukturen.“

Auch Humor kann ein Mittel sein, um Messages eingängig zu kommunizieren. Kerosin95 nutzt so zum Beispiel Disstracks, um Personen mit ihrem diskriminierenden Verhalten zu konfrontieren. „Wenn man sich gegenüber struktureller Gewalt machtlos fühlt, kann ein lustiger Diss mir wenigstens Genugtuung geben.
„Wenn man sich gegenüber struktureller Gewalt machtlos fühlt, kann ein lustiger Diss mir wenigstens Genugtuung geben.“
Ich hoffe, dass die Leute, die gemeint sind, meine Texte hören und Verantwortung für ihr Verhalten übernehmen.“ Auf Kerosin95s neuem Album werden politische Texte mit einer guten Portion Witz auf tanzbaren Beats serviert.
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