Kommentar

Die US-Wahlen: Eine Wahl auf das Recht des Stärkeren

16. Nov. 2024 Nina Süßmilch
Bild: Pixabay
Der Ausgang der US-Wahlen bringt vor allem die Rechte von Frauen und queeren Menschen in Gefahr.

Die Tage nach den US-Wahlen waren geprägt von Entsetzen. Überraschend war die Wahl des republikanischen Kandidaten dennoch nicht. Was aber bedeutet der alte, neue Präsident für die Rechte von Frauen und queeren Menschen? Ein Kommentar von Nina Süßmilch

Worüber ich nicht hinweg komme und was mir das Herz bricht, ist die Tatsache, dass ein verurteilter Sexualstraftäter ins höchste Amt der USA gewählt wurde. Gestützt wird er außerdem von einem mehrheitlich republikanisch besetztem Kongress, Senat und Supreme Court. Er ist somit der Präsident mit der größten Machtfülle in der jüngeren amerikanischen Geschichte.

Ich mag mir nicht ausmalen, wie sich vielen Frauen, die diesen Mann wegen Sexualdelikten vor Gericht brachten, heute fühlen. Vor ihrem Mut aber ziehe ich auf ewig meinen Hut. Denn sie wussten, was ihnen bevorstand und E. Jean Carroll, ehemalige Kolumnistin des Magazin Elle hat es selbst erfahren: Zwar wurde der Täter 2023 wegen sexuellen Missbrauchs an ihr schuldig gesprochen, nicht aber wegen Vergewaltigung. Auch Ivana Trump zog ihre Aussage zurück, dass sie von ihrem damaligen Mann Ende der 80er Jahre während eines Wutanfalls vergewaltigt wurde. Es sei keine Vergwaltigung im juristischen Sinne gewesen, hat sie später eingelenkt. Wer sich mit einem weißen und reichen cis Mann anlegt, muss auch im 21. Jahrhundert davon ausgehen, dass dieser damit davon kommt. Oder wie ein kluger Mensch auf Instagram schrieb: Weiße, cis Männer können nicht gecancelt werden.

Mehr noch, sie bekommen die mehrheitliche Zustimmung eines ganzen Volkes. Die meisten der Wählenden, die sich für den republikanischen Kandidaten entschieden haben sind Männer, aber eben auch Frauen. Queere Menschen hingegen haben zu über 80% für die demokratische Kandidatin Kamala Harris gestimmt.

Am Ende siegte das Patriarchat

Ich möchte Feuer spucken, weil sich das Patriarchat so offensichtlich durchsetzt. Zwar hat der Mann, der nachweislich sich selbst beschämt hat, in dem er immer wieder seine Macht missbrauchte, sich und alle, die ihn laut oder leise unterstützen, degradiert. Es wird offenbar wie klein er ist. Denn diese Frauen, die über deutlich weniger Macht verfügen bewiesen Stärke und hielten der Gesellschaft den Spiegel vor. Doch es zeigt auch die Realität: Wären Sexualstraftaten wirklich das, was sie sein sollten, nämlich eine Schande für den Täter und gesellschaftlich wirklich absolut inakzeptabel, würde sich kein Typ mehr trauen Frauen anzugrapschen, sie in Zimmer zu drängen oder in einem Wutanfall zu vergewaltigen. Und er würde ganz sicher nicht zum Präsidenten gewählt.

Wie schauen E. Jean Carroll, Tasha Dixon und all die anderen heute auf ihre Mitbürger*innen? Sind sie enttäuscht? Angeekelt? Ich hoffe, sie fühlen sich befreit, denn sie haben das Richtige getan, als sie vor Gericht zogen. Nur hat sich die Mehrheit der Wähler:innen moralisch falsch entschieden.

Und all jene, die dennoch die unmoralische Wahl getroffen haben, können sich nun überlegen, wie sie ihren Kindern erklären, dass sie der schon wankenden Demokratie ihres Landes den letzten Stoß versetzt haben.

Es heißt, die wirtschaftliche Situation hat über diese Wahl entschieden, die Ideenlosigkeit der Demokraten und ihre Arroganz gegenüber der finanzieller Not vieler Amerikaner*innen. Doch die Mehrheit der queeren Menschen, die für Harris stimmten sind mit Sicherheit keine Großverdiener. Es sind wohl eher marginalisierte Bürger*innen, die es schwerer haben vor allem in ländlichen Gegenden ihren Platz und damit finanzielle Sicherheit zu finden. Es ist deshalb wohl auch eine Wahl auf das Recht des Stärkeren gewesen. Endlich darf Mann wieder sagen und sein, wie es ihm gefällt. Frauenrechte und die Rechte von queeren Menschen spielen – mal wieder – keine Rolle, wenn es darauf ankommt. Und all jene, die “aber nicht alle Männer” sind und dennoch die unmoralische Wahl getroffen haben, können sich nun überlegen, wie sie ihren Kindern erklären, dass sie der schon wankenden Demokratie ihres Landes den letzten Stoß versetzt haben.

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