01. – 17. August

Konzertfestival Young Euro Classic: Dilemma mit Diversity

1. Aug. 2025 Mick Besuch
Bild: Hunderteins, BJO Druck
Darius Schmelzer, der Konzertmeister des Bundesjugendorchesters

Seit 2000 bringt Young Euro Classic im August internationale Jugendorchester ins Konzerthaus Berlin. Dabei wird eine Diversität vorgeführt, die im Klassikbetrieb sonst selten ist. SIEGESSÄULE-Autor Mick Besuch sprach mit der Projektleiterin des Festivals und zwei queeren Musiker*innen über die Herausforderungen der diesjährigen Ausgabe

Zweieinhalb Wochen lang zeigen junge Musiker*innen aus aller Welt ihr Können in Berlin. Neben dem klassischen Kanon rund um Beethoven & Co. stehen Werke eher unbekannter Komponist*innen aus den jeweiligen Herkunftsländern der Ensembles auf dem Programm, zum Beispiel Bolivien, Spanien, Indonesien oder Indien. In diesem Jahr gibt es zudem einen Fokus auf außereuropäische Musiktraditionen im Rahmen eines Festivals im Festival, dem „Future Now – Tomorrow’s Traditions Today“.

Doch obwohl die Festivalausgabe 2025 unter dem Motto „Freiheit – Gleichheit – Solidarität“ steht (und SIEGESSÄULE offizieller Medienpartner ist), sucht man offen queere Programmpunkte vergeblich. Es gibt kein Event wie „Pride in Concert“ oder Abende wie „Our People“, bei dem das Konzerthaus zuletzt Schubert mit Vogueing verband und ein neues Publikum ins Traditionshaus lockte.

Im Gespräch mit SIEGESSÄULE betont Carolin Trispel, Projektleiterin des Festivals, dass Young Euro Classic stets offen sei für queere Programme und Künstler*innen. Die Programmgestaltung liege jedoch bei den eingeladenen Orchestern. In Bezug auf Queerness sei dabei mitzudenken, dass einige Herkunftsländer der Orchester (milde gesagt) keinen besonders offenen Umgang mit LGBTIQ* pflegen.

Resilient genug, um homophoben Strömungen zu trotzen

Es ist eine komplexe Gratwanderung: Die Musiker*innen können nichts für das politische Klima in ihren Ländern. Zudem sind die Orchester von Fördermitteln abhängig. In einer sich zunehmend verschärfenden kulturpolitischen Lage, in der Diversitätsprogramme gestrichen und Fördertöpfe kleiner werden, wird es für Jugendklangkörper schwieriger, mit „kontroversen“ Themensetzungen Gelder zu generieren.

Zwei queere Musiker*innen, die dieses Jahr in Berlin auftreten, verbreiten dennoch Hoffnung. Der Konzertmeister des Bundesjugendorchesters, Darius Schmelzer, erzählt, dass er in seiner Kleinstadt lange Sorge hatte, seine Sexualität nicht ausleben zu können. In Jugendorchestern fand er jedoch einen Raum, in dem er einfach er selbst sein konnte. Der respektvolle Umgang, den dort alle miteinander einüben, sei die Grundvoraussetzung, um mit so vielen unterschiedlichen Persönlichkeiten produktiv arbeiten zu können.

Dass Tschaikowsky „fucking gay“ war, dürfe ruhig öfter erwähnt werden.

Die Bratschistin Bruna Cornudella Pujol wünscht sich trotzdem mehr queere Sichtbarkeit. Dass in Programmtexten Tschaikowskys glücklich ausgelebte Homosexualität unterschlagen wird, hält sie für untragbar. Sie spricht sich zwar gegen Schaufensterkonzerte aus, aber dass Tschaikowsky „fucking gay“ war, dürfe ruhig öfter erwähnt werden.

Immerhin: Die erste Symphonie („Jeremiah“) des inzwischen kanonisierten schwulen Komponisten Leonard Bernstein steht auf dem Programm des Bundesjugendorchesters. Ansonsten ist die Zahl der Dirigentinnen hoch: Vier der YEC-Konzerte werden von Frauen dirigiert. Katharina Wincor leitet das Nationale Jugendorchester Rumäniens (01.08.), Catherine Larsen-Maguire das National Youth Orchestra of Scotland (06.08.), Sophie Dervaux das Nationale Jugendorchester der Slowakei (14.08.) und Kristiina Poska das Orchestre Français des Jeunes (16.08.). Alle haben Stücke dabei, die als deutsche Erstaufführungen angekündigt sind, plus Werke von Komponistinnen, etwa „This Midnight Hour“ von Anna Clyne.

Es sind kleine Schritte. Schmelzer zeigt sich zuversichtlich, dass die nachrückende Orchestergeneration resilient genug ist, um homophoben Strömungen im Kulturbetrieb zu trotzen. Man kann nur hoffen, dass er recht behält. Bis dahin lauschen wir ihm gern, wenn er die Solo-Geige in Mahlers 4. Symphonie übernimmt (11.08.) oder lassen uns von Bruna Cornudella Pujol und dem European Union Youth Orchestra verzaubern, das zwar am 05.08. nicht Tschaikowsky spielt, aber ein Stück des Schwarzen britischen Komponisten Samuel Coleridge-Taylor, der sich als Sohn unverheirateter Eltern 1890 als Student am Royal College of Music durchzusetzen wusste. Auch das ist eine Empowerment-Geschichte, die Young Euro Classic zelebriert.

SIEGESSÄULE präsentiert Young Euro Classic
01. – 17.08., 19:00
Konzerthaus Berlin
young-euro-classic.de

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