Porträts

Queere „Held*innen der Corona-Krise“

6. Mai 2020

„Menschen in systemrelevanten Jobs“, „Held*innen der Corona-Krise“, „Arbeiter*innen an vorderster Front“ – viele sperrige Wortkreationen wurden in den letzten Wochen geschaffen, um die Menschen zu beschreiben, die auch oder gerade während des Shutdowns ihrer Arbeit nachgehen. Gemeint sind Jobs, die ganz konkret dazu beitragen, die Infrastruktur aufrechtzuerhalten und Menschen mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen: vom psychologischen Support bis hin zu Lebensmitteln oder notwendigen Medikamenten. Wir stellen sechs von ihnen vor

Sexuelle Gesundheit

Sozialwissenschaftler Stefan arbeitet für die Schwulenberatung im Checkpoint am Hermannplatz. Er berät Menschen zum Themen wie PrEP oder sexuell übertragbaren Krankheiten

„Wir versuchen, unser Angebot so gut wie möglich aufrecht zu erhalten, unsere existierenden Klient*innen weiter zu betreuen und für Menschen da zu sein, die eine Behandlung oder einen Test brauchen“, erklärt Stefan Zschage im Telefoninterview. Seit letztem August arbeitet der 33-jährige Sozialwissenschaftlicher und Sozialarbeiter, der auch für die AIDS-Hilfe Potsdam tätig ist, als Angestellter der Schwulenberatung im Checkpoint am Hermannplatz. Doch Business als usual herrscht in der Beratungsstelle für sexuelle Gesundheit seit Corona nicht. „Alle zwei Stunden desinfizieren wir alle Oberflächen, Lichtschalter und Türgriffe. Ich trage in der Beratung eine Schutzmaske, bei allen Leuten, die hierher kommen, wird erstmal Fieber gemessen. Sollten sie Fieber haben, werden sie zunächst isoliert und dann von einem Arzt in Schutzkleidung untersucht.“

Wo man sonst einfach spontan vorbeischauen kann, um bei Stefan oder anderen Mitarbeiter*innen eine Beratung zur PrEP, zu sexuell übertragbaren Krankheiten oder anderen Themen rund um sexuelle Gesundheit zu bekommen, wird nun empfohlen, vorab lieber einen Termin zu machen. „Um weniger Walk-Ins zu haben, bieten wir jetzt Montag bis Freitag von 13 bis 16 Uhr eine Telefonberatung an. Da können wir mit den Leuten erstmal schauen, ob es überhaupt einen triftigen Grund gibt, vorbei zu schauen. Wir können auch weniger Menschen testen, was problematisch ist, auch mit der PrEP kann man im Moment nicht beginnen.“ Trotzdem hat Stefan nach wie vor mehrere persönliche Termine am Tag, berät aber auch am Telefon und kümmert sich im Rahmen seiner Arbeit für die AIDS-Hilfe Potsdam telefonisch um seine festen Klient*innen: „Die Gruppenangebote der AIDS-Hilfe Potsdam, Veranstaltungen wie Rote-Schleifen-Frühstück oder Regenbogencafé fallen jetzt natürlich aus. Viele unserer Klient*innen sich älter und HIV-positiv. Die rufe ich dann schon regelmäßig an und frage, wie es geht, und ob ihnen zuhause die Decke auf den Kopf fällt.“

Dramatische Rückmeldungen in der Krise bekam Stefan bisher zum Glück noch nicht, die meisten Klient*innen des Checkpoints fragen entsprechend zum Thema Corona und Sex. „Die generelle Empfehlung ist dabei natürlich, die Kontakte zu minimieren. Mal Telefon- oder Online-Sex zu machen, oder einfach mit sich selbst. Ich freue mich, dass weiterhin Leute zu uns kommen und sich um ihre sexuelle Gesundheit kümmern, Verantwortung übernehmen. Wir hatten neulich einen Fall, wo jemand einen Syphilis-Verdacht hatte und nicht zum Arzt gegangen ist, weil er das Gesundheitssystem derzeit nicht ,mit so einer Lapalie‘ überlasten wollte. Da musste man ganz deutlich sagen: Eine Syphilis-Infektion ist keine Lapalie!“ Eine Verunsicherung ist bei Stefans Klienten also durchaus zu spüren, und er versucht, ihnen gerade jetzt mit dem akzeptierenden Ansatz zu begegnen, der auch vor der Krise schon die soziale Arbeit im Bereich der sexuellen Gesundheit und Drogenprävention bestimmte: „Es ist einerseits positiv, zu sehen, wie schnell Leute auch mal verzichten können, andererseits ist es aber auch erschreckend, wie schnell Regeln oder Verbote entstehen: Du darfst keine Menschen treffen, du darfst dich nicht mehr zum Sex verabreden, darfst keine Drogen mit anderen konsumieren.“ Wichtig ist ihm, im Gespräch Menschen auch in diesen besonderen Zeiten für ihr Verhalten nicht zu verurteilen, oder gar zu kriminalisieren. „Uns ist klar, dass Menschen immer noch sexuelle Bedürfnisse haben, auch außerhalb von monogamen Beziehungen und diese auch ausleben trotz Kontaktverbot. Als Checkpoint werden wir so ein Verhalten weder be- noch verurteilen. Wir sind einfach da für die sexuelle Gesundheitsversorgung der queeren Community.“ Und auch so trägt Stefan dazu bei, den Menschen in der Krise das Leben etwas leichter zu machen und die Angst zu nehmen. „Ich betrachte mich als privilegiert, weil ich diesen Job habe und weiterhin bezahlt werde,“ fasst er zum Ende unseres Telefonats zusammen. „Es gibt Menschen, da sieht das ganz anders aus. Ich denke da vor allem auch an Obdachlose, Menschen, die von Substanzen abhängig sind und jetzt einen kalten Entzug machen müssen, weil sie nicht mehr so einfach an ihre Sachen kommen oder Sexarbeiter*innen. Im Vergleich zu diesem Menschen fühle ich mich absolut geschützt.“ jano

Anpacken

Bild: Victor Hensel-Coe
Eric Will ist Krankenpfleger. Er und seine Kolleg*innen arbeiten Tag und Nacht

Eric arbeitet, wenn man so will, mitten im Auge des Sturms: Er ist Krankenpfleger auf der Intensivstation des Krankenhauses Waldfriede in Steglitz-Zehlendorf. Doch er sieht die aktuelle Situation an seinem Arbeitsplatz ziemlich pragmatisch. „Ja, wir arbeiten alle viel in diesem Beruf“, erklärt der 35-Jährige, der in Schöneberg lebt, „aber das haben wir vorher auch schon getan. Egal ob im Krankenhaus, im Pflegeheim oder in den ambulanten Diensten, überall benötigen Menschen Pflegekräfte, die genau dazu auch bereit sind. Diese Pandemie hat daran nichts verändert. Vielmehr haben wir uns an die moralische Pflicht erinnert, für die Alten, Kranken und Schwachen da zu sein. Das gilt im Übrigen auch für die Ärzte! Ich hoffe, das wird nach Corona nicht vergessen werden.“

Generell vermittelt Eric, wenn er von den letzten Wochen spricht, einen Eindruck, der weit von der teils extrem angespannten Stimmung entfernt ist, die besonders in der Anfangszeit spürbar war. Anpacken, statt durchzudrehen, so scheint er an die Sache ranzugehen. Natürlich empfand auch er die Situation als „absurd“. Corona, das erst „ganz weit weg in China“ zu sein schien, „klopfte plötzlich an der eigenen Tür, und keiner wusste, wie schlimm es wird“. Und auch er findet es „beängstigend, wie die ganze Welt lahmgelegt wurde“, als hätte man eine „Pausetaste“ gedrückt.

In seinem Krankenhaus wurden dann auch schnell entsprechende Notfallmaßnahmen ergriffen. So wurde die Anzahl der Betten erhöht und zügig damit begonnen, das Personal zu schulen. Denn während es für Eric auf der Intensivstation – ein sehr spezieller Bereich, wie er meint – zum Alltag gehört, außerordentlich auf Hygiene zu achten, mussten die anderen erst mit diesem Standard vertraut gemacht werden. Da der „exakte Übertragungsweg des Virus zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht ganz klar ist und wir uns auch darauf vorbereiten wollten, dass uns eventuell Mitarbeiter*innen von anderen Stationen zur Hilfe kommen können, war das notwendig“, sagt er. „Diese Schulung ist sehr aufwendig, und die Maßnahmen müssen vielfach geübt werden, aber die Kolleg*innen von der an das Krankenhaus angegliederten Schule für Pflegeberufe kamen uns zur Hilfe. Das war sehr gut. Denn selbst ich“, fügt er hinzu, „muss mir sogar manchmal an die eigene Nase packen, mich bei der Anwendung dieser besonderen Hygienemaßnahmen stets richtig zu konzentrieren.“

Trotz allem macht er sich nur bedingt Sorgen um seine eigene Person. Was ihn umtreibt, ist abermals ganz pragmatisch. Er fürchtet, dass „Schutzkittel, Atemmasken und Desinfektionsmittel knapp werden könnten“. Alles Materialien, die für seine Arbeit unerlässlich sind. Deswegen steht für ihn die Frage im Vordergrund, wie er und seine Kolleg*innen sich in Zukunft ausreichend schützen können. „Denn wenn ich krank werde“, sagt er, „kann ich meine Arbeit nicht mehr machen und fehle.“ rob

Kollektive Erfahrung

Die Therapeutin Rike Schulz begleitet ihre Klient*innen durch die Krise, mit dem nötigen Abstand in ihrer Praxis oder per Videoanruf

Ihr Name ist durchaus bekannt in der queer-feministischen Community Berlins: Die systemische Therapeutin Rike Schulz, 55 Jahre alt, die sich selbst als „queer“ und „lesbisch“ bezeichnet, begleitet seit 15 Jahren vor allem queere Personen. Seit Beginn der Corona-Krise hat ihre kleine queer-feministische Praxis in Kreuzberg strikte Hygienemaßnahmen ergriffen, um den Schutz der Klient*innen zu gewährleisten: Desinfektionsseife und Papierhandtücher stehen in der Toilette zur Verfügung, auf den verordneten Abstand von 1,5 Metern wird bei den Sitzungen geachtet, die Räumlichkeiten werden regelmäßig desinfiziert. Und für diejenigen, die sich nicht mehr in die Praxis trauen, bietet Rike Therapiesitzungen am Telefon oder per Videocall an.

Ihr digitales Angebot stößt auf Nachfrage: Die Hälfte ihrer Klient*innen sind nun in Ferntherapie. Einsamkeit und Existenzangst sind derzeit wichtige Themen bei vielen. Der Lockdown, diese „kollektive Erfahrung der Isolation“, strapaziert selbstverständlich die Nerven vieler Menschen. „Depressionen können verstärkt werden, sie haben ja viel mit sozialem Rückzug zu tun. Angsterkrankungen und Gefühle von Getrenntheit können natürlich auch vermehrt getriggert sein“, erklärt Rike. Sie bewundert aber, wie kreativ ihre Klient*innen mit der Kontaktsperre umgehen: „Die Kontaktwege sind sehr erfinderisch: Karaokepartys werden über Zoom gemacht, alle hocken zusammen über Skype, um den Geburtstag zu feiern, die Geschenke werden vor die Tür gelegt ...“ Viele von Rikes Klient*innen sind ohnehin krisenerprobt: „Ich habe viele prekär beschäftigte Menschen unter meiner Klientel. Für diese Lebenskünstler*innen ist es ein Dauerthema, mit großen Ungewissheiten umzugehen“, erzählt sie.

So lange die Kontaktsperre andauert, empfiehlt die Therapeutin generell, den Alltag gut zu strukturieren und den Kontakt zu anderen zu halten. Selbstfürsorge sei auch wichtig: „Die Notwendigkeit, diese ambivalente Situation auszuhalten, bietet für manche auch die Möglichkeit einer radikalen Hinwendung zur Selbstfürsorge.“ age

Die Angst nehmen

Tesfay Andemeskel und sein Team betreiben zwei Apotheken mit HIV-Schwerpunkt. In der Krise werden sie zu wichtigen Anlaufstellen

Hinter Plexiglasscheiben, mit Masken und Schutzbekleidung: so die Kundschaft zu bedienen, sei schon ungewohnt, findet Tesfay. „Wir sind Szeneanlaufstellen, in denen wir eigentlich sehr menschennah sein wollen. Aber aufgrund der Pandemie mussten wir die Hygienestandards natürlich erhöhen.“ Bereits im Januar begannen Tesfays zwei Apotheken – die am Viktoria-Luise-Platz und die Magnus-Apotheke in der Motzstraße – sich an die neue Situation anzupassen: von Abstandslinien auf dem Boden bis hin zu Desinfektionsmitteln, die das Team jetzt auch regelmäßig selbst herstellt. Das sei an sich kein Problem, sagt Tesfay. Jedoch: die Verpackung, die sie bisher für die Mittel verwendeten, war plötzlich nicht mehr zu haben. „Das hat uns Sorge bereitet. Wir konnten es lösen, indem wir andere Firmen nach Plastik- oder Glasflaschen gefragt haben.“

Tesfay, der dieses Jahr 50 wird, studierte Pharmazie in Berlin. 2003 eröffnete er hier seine erste eigene Apotheke. Im Umgang mit Infektionskrankheiten ist sein Team geschult: Die beiden Apotheken in Schöneberg haben einen Schwerpunkt auf STIs (sexuell übertragbare Krankheiten), Hepatitis und HIV. „Ich bin in einer Zeit groß geworden, als HIV noch schwer behandelbar war“, erzählt Tesfay. „Auch wenn die Corona-Pandemie mit der Situation damals nicht im Entferntesten zu vergleichen ist: ich fühle mich doch an diese Ohnmacht erinnert, wenn man als Fachperson etwas vor sich hat, gegen das noch keine wirksamen Medikamente zur Verfügung stehen, dem man schwer begegnen kann.“ Auch die Arbeitsbelastung sei seit Beginn der Corona-Krise gestiegen. Kund*innen sind verunsichert, es gibt viele Fragen. „Durch die ganzen Medienberichte und zum Teil Falschmeldungen in sozialen Medien sind die Sorgen groß. Wir klären da möglichst auf.“ Hartnäckig halte sich etwa das Gerücht, dass es zu einer Knappheit bei Arzneimitteln kommen könnte, sagt Tesfay. Er habe mit einigen HIV-positiven Kund*innen gesprochen, die befürchten, nicht mehr an ihre Therapiemedikamente zu kommen. „Da versuchen wir, die Angst zu nehmen. Engpässe gibt es vielleicht, weil die Distribution nicht so läuft wie vorher. Aber eine wirkliche Knappheit besteht nicht. Gerade wir als HIV-Schwerpunktapotheken haben immer einen ausreichenden Vorrat an diesen Arzneien.“

Zu merken, wie sehr sie mit ihrer Tätigkeit jetzt Menschen helfen können, halte Tesfay und sein Team bei Laune. „Wir motivieren uns gegenseitig, verdeutlichen uns, wie wichtig unsere Arbeit ist. Im Alltagstrott vergisst man das manchmal. Und viele, die zu uns kommen, sagen auch: ,Danke, dass ihr immer noch von morgens bis abends für uns da seid.‘ Das motiviert uns zusätzlich.“ Für die Zukunft nach Corona hofft Tesfay, dass „dieses solidarische Handeln und Miteinander einen ganz anderen Stellenwert bekommen. Dass die Menschheit aus der Krise lernt und merkt: Solidarität ist überlebenswichtig.“ fs

Sicherheit geben

Burghart hilft Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind

In seinem Job als Sozialpädagoge steht für Burghart Tuchel der Kontakt mit Menschen an erster Stelle. Der 33-Jährige hilft von Wohnungslosigkeit bedrohten Personen, die in vielen Fällen suchterkrankt sind, wieder ein eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Leben zu führen. Sein Arbeitgeber ist die gemeinnützige GmbH „Zik – Zuhause im Kiez“, die sich vor allem auf Menschen mit HIV sowie an Aids und/oder Hepatitis C Erkrankte spezialisiert hat.

Keine leichte Arbeit, die durch die Corona-Pandemie noch einmal erheblich schwieriger und intensiver wurde. So musste Burghart gemeinsam mit seiner Teamleiterin in kurzer Zeit ein Home-Office-Konzept aus dem Boden stampfen: „Was eigentlich fast unmöglich für unseren Träger ist, weil wir schließlich einen Versorgungsauftrag haben“, erklärt er im Gespräch mit SIEGESSÄULE. Denn in der Regel sind seine Klient*innen auf Face-To-Face-Kontakte angewiesen, die jetzt auf ein Minimum runtergefahren wurden. „Wir versuchen zwar auf telekommunikativen Ebenen mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, aber das optische, visuelle, das wir brauchen, um eine Einschätzung über ihre psychische und gesundheitliche Verfassung vornehmen zu können, fällt weg.“ Nicht nur deshalb trifft sich Burghart auch unter den noch vorherrschenden Kontaktauflagen weiterhin mit seinen Klient*innen: „Ich versuche, sie dennoch wenigstens einmal pro Woche zu sehen, dann aber möglichst draußen z. B. im Park, um den Corona-Maßnahmen gerecht zu werden. Wir betreuen ja überwiegend Risikopatient*innen und viele fühlen sich der momentanen Situation ausgeliefert. Gerade jetzt brauchen sie Struktur und Beständigkeit.“

Vor diesem Hintergrund ist es besonders schwierig, dass z. B. Gruppenaktivitäten wie gemeinsames Kochen nicht mehr stattfinden können. So gehört es zu den größten Herausforderungen, den Leuten wieder Sicherheit zu geben und Aufklärungsarbeit zu leisten. Dabei tauchen Fragen auf, es entstehen Ängste: Müssen Menschen mit HIV in der Corona-Pandemie besondere Vorsichtsmaßnahmen ergreifen? Werden Engpässe bei benötigten Medikamenten auftreten? Könnten die ohnehin sozial vulnerablen Gruppen ganz generell in der Krise gesellschaftlich hinten runterfallen? Um auf solche Fragen vorbereitet zu sein, ist Burghart beständig mit Ämtern und Ärzt*innen in Kontakt, um Informationen einzuholen und sich auf den neuesten Wissenstand zu bringen: „Das ist eine Informationsflut, die einem das Gehirn sprengt. Und daneben gilt es Menschen zu stabilisieren und ein neues Home-Office-Kozept umzusetzen – ich habe da in den letzten Wochen extrem Jonglieren müssen.“ as

Im Sturm

Dirk Hoffmann ist Filialleiter bei Lidl. Die Krise erhöht in seinem Job deutlich das Stresslevel

Dirk leitet eine Filiale in Brandenburg und verbringt dabei die meiste Zeit direkt im Laden. Genau wie seine Mitarbeiter*innen sitzt er an der Kasse, reinigt Regale und kümmert sich um die frischen Backwaren. Die Corona-Krise wirkt sich deutlich auf seine Arbeit aus, denn auch während des Shutdowns haben Supermärkte nicht geschlossen. Hamsterkäufe sind hier mittlerweile nicht mehr das Problem. „Den größten Ansturm haben wir am Wochenende vom 14. März erlebt. Kurz nachdem verkündet wurde, dass in Berlin-Brandenburg Kitas und Schulen schließen“, berichtet Dirk.

Mittlerweile wird wieder normal eingekauft, doch der Stress wird dadurch nicht unbedingt weniger. Zweimal am Tag spricht er als Filialleiter mit seinen Vorgesetzten in einer Telefonkonferenz über Maßnahmen, die umgesetzt werden müssen. Die zuständigen Gesundheitsämter geben klare Regeln vor, an die sich jede Filiale halten muss. Angefangen beim Sicherheitsabstand bis hin zu Hygienemaßnahmen. Ordnungsbeamte machen Stichproben, um zu überprüfen, ob die Auflagen eingehalten werden. Das wirkt sich auch auf das Team aus, erzählt Dirk: „Das ist natürlich anstrengend. Es ist nicht immer einfach, seine Mitarbeiter*innen abzuholen, wenn es immer wieder neue Maßnahmen gibt.“ Aber zumindest habe in seinem Team niemand Angst, arbeiten zu gehen.

Privat hat er aber auch schon andere Situationen erlebt: „Einige meiner Freunde möchten momentan keinen Kontakt haben, weil ich ein höheres Risiko darstelle, da ich jeden Tag so vielen Menschen auf meiner Arbeit begegne.“ Auch der Umgang mit den Kund*innen ist oft nicht leicht. Dirk wurde schon beschimpft, weil er an der Kasse keine Schutzkleidung trägt. Einige Menschen ignorieren den Sicherheitsabstand gegenüber den Angestellten und kommen ihnen unangebracht nahe, wenn sie Fragen stellen wollen. Doch am meisten ärgert sich Dirk über den Egoismus. Im Verkauf gehört es dazu, dass der Kunde König ist. Doch in der Krise steigert sich dieser Anspruch noch. Anstatt einer Packung Milch wird jetzt ein ganzer Karton gekauft und für andere nichts übrig gelassen. Obwohl tatsächlich nirgends wirklicher Notstand herrscht.

Es gebe aber auch positive Aspekte, findet Dirk: „Ich finde es gut, dass wir in der Krise eine gewisse Wertschätzung bekommen. Sonst ist man ja eigentlich immer nur der blöde Kassierer. Ein Dienstleister, der gefälligst dem König Kunde sämtliche Wünsche zu erfüllen hat. Das wird jetzt anders dargestellt. Es wird klar, dass wir einen systemrelevanten Beruf ausüben.“ Als „Held in der Krise“ fühlt er sich aber nicht. Er geht einfach seiner Arbeit gewissenhaft nach und findet, dieser Titel gehöre eher denen, die im Gesundheitssystem tätig sind. Ebenfalls ein positiver Aspekt im Einzelhandel: bisher ist ein Umsatzzuwachs von 100 Prozent zu verzeichnen. Während viele Firmen ihre Mitarbeiter*innen in die Kurzarbeit schicken müssen, stellt der Einzelhandel aufgrund von Personalmangel von heute auf morgen Menschen ein. kaey

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