Kinostart: 12. Januar

Lesbische Teenie-Romanze mit Pleiten, Pech und Pannen: „So Damn Easy Going“

11. Jan. 2023 Anja Kümmel
Bild: Salzgeber

Eine Romanze unter erschwerten Bedingungen: Das Spielfilmdebüt „So Damn Easy Going“ des schwedischen Regisseurs Christoffer Sandler verbindet eine Coming-out-Geschichte mit dem Thema ADHS

Dass die erste Liebe für ziemliches Chaos im Kopf sorgen kann, kennen wohl viele. Bei der 18-jährigen Joanna (Nikki Hansenblad) ist dies jedoch noch potenziert, denn sie hat ADHS. Wenn zu viele Reize auf sie einfluten, feuern alle Neuronen gleichzeitig, und ihre Gedanken fahren Achterbahn. Ziemlich am Anfang von „So Damn Easy Going“ steht sie in der Apotheke und bekommt keine neuen Tabletten, da die letzten Rechnungen noch nicht bezahlt sind. Verzweifelt versucht sie dem Apotheker zu erklären, warum sie ihre Medikamente unbedingt braucht: „In meinem Hirn blitzt es!“ Und macht dazu Geräusche und Gesten, als würde ihr Kopf gleich explodieren.

Einfallsreich und einfühlsam

Das frustrierende Gefühl, sich mit Worten der Außenwelt nicht richtig verständlich machen zu können, durchzieht das Spielfilmdebüt des schwedischen Regisseurs Christoffer Sandler. Einfallsreich und einfühlsam nutzt er cineastische Mittel, um Joannas Gefühlszustände zu visualisieren, sodass auch Zuschauer*innen ohne ADHS nachvollziehen können, wie es im Innern der Hauptfigur aussieht. Die Szenen stürzen förmlich ineinander, der Soundtrack treibt voran, und wenn in Joannas Kopf die Sicherungen durchzubrennen drohen, blinken um sie her grelle Lichter, als stünde sie inmitten einer Bühnenshow.

Ausgerechnet in den Tagen, in denen Joanna ohne Tabletten auskommen muss, begegnet sie ihrer selbstbewussten neuen Mitschülerin Audrey (Melina Benett Paukkonen).

Pleiten, Pech und Pannen

Der gegenseitige Crush ist schnell offensichtlich, dennoch gleicht die Annäherung der beiden eher einer Serie von Pleiten, Pech und Pannen. Denn Joanna hat nicht nur ihre Neurodivergenz zu verbergen, sondern darüber hinaus auch noch eine tote Mutter, einen arbeitslosen, depressiven Vater und einen in sie verknallten Fuckbuddy, dem sie – wenn auch mehr aus eigener Not denn aus Böswilligkeit – ziemlich übel mitspielt. Oder zumindest glaubt Joanna, ihr wahres Ich dem neuen Schwarm nicht zumuten zu können.

Bei dieser permanenten Maskerade sind Missgeschicke und Missverständnisse natürlich vorprogrammiert, und daraus ergeben sich einige ziemlich komische Szenen, bei denen man manchmal nicht recht weiß, ob man über Joanna lachen oder Mitleid mit ihr haben soll.

Stakkatohafte Dramaturgie

Einzig beim Schwimmen, wenn Joanna unter Wasser gleitet und für eine Weile alles um sich herum ausblenden kann, kehrt für einige Momente Ruhe ein. Und, neuerdings, auch in Audreys Gegenwart. Als die beiden jungen Frauen einander endlich in den Armen liegen, verlöschen die blitzenden Lichter, und die Umgebung versinkt in Dunkelheit. Auch für die Zuschauer*innen sind diese kleinen Ruheoasen eine echte Erleichterung – und man spürt in aller Deutlichkeit, wie herausfordernd bzw. überfordernd Joannas Alltag normalerweise ist.

Dass „So Damn Easy Going“ auf einem Jugendbuch basiert, merkt man dem Film gelegentlich an, wenn der Ton etwas unschlüssig zwischen Teenie-Komödie, Dealer-Krimi und Coming-out-Story oszilliert.

Poppig-bunt und humorvoll

Manchen mag da zu viel hineingepackt und letztendlich zu wenig Tiefgang vorhanden sein. Andererseits spiegelt die stakkatohafte, Haken schlagende Dramaturgie ziemlich treffend Joannas Wahrnehmung der Welt und ist vielleicht auch einfach nur konsequent, um eine Geschichte über ADHS zu erzählen. Sandler ist ein leichtfüßiger, poppig-bunter und humorvoller Coming-of-Age-Film gelungen, in dem auch ernste Töne ihren Platz haben, die allerdings durchaus noch etwas mehr Raum verdient hätten. Vielleicht kein Kultfilm wie seinerzeit „Raus aus Åmål“, aber doch eine schöne Adaption des Genres für die Generation Z.

So Damn Easy Going, Schweden/Norwegen 2022, Regie: Christoffer Sandler. Mit Nikki Hanseblad, Melina Paukkonen, Shanti Roney, Emil Algpeus u. a.

Ab 12.01. im Kino

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