Queere Führung am 9.11.

„Liaisons“ im Georg Kolbe Museum: Körperbilder im Wandel der Zeit

6. Nov. 2025 Carsten Bauhaus
Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2025
„Arkadischer Jüngling (nach Goethe)“, Kunstarbeit von Harry Hachmeister, 2015

„Liaisons“ im Georg Kolbe Museum verbindet Herbert Lists Fotografien mit Werken von Kolbe selbst und zeitgenössischen Interventionen von Harry Hachmeister unter anderen. Die Ausstellung beleuchtet Körperbilder, Männerfreundschaften und öffnet vielfältige Assoziationsräume

Herbert Lists Aufnahme von 1937 zeigt einen nackten Jüngling im Schatten des Poseidontempels am Kap Sounion. Kurz zuvor hatte der schwule Fotograf jüdischer Herkunft Deutschland verlassen müssen. Auf seinen vielen Reisen, die ihn auch nach Griechenland führten, entstanden diese an der Bauhaus-Ästhetik geschulten Aufnahmen, die typisch sind für sein sinnlich-idealisiertes Männerbild. „Die Aufnahmen entstanden zwischen den 30er- und frühen 60er-Jahren und sind wie ein persönliches Tagebuch“, so Peer-Olaf Richter vom Herbert List Estate. „Wir sehen auf einem der Fotos zum Beispiel seinen späteren Lebenspartner, der selbst als Fotograf erfolgreich war.“

Künstlerische Männerfreundschaften

In der Ausstellung korrespondieren Lists Schwarz-Weiß-Bilder mit Georg Kolbes Skulpturen von Jünglingsköpfen, die deutlich machen, dass auch dieser sich zu Beginn seiner Karriere in Italien mit dem klassischen Ideal auseinandersetzte. Anlass für die bezugreiche Ausstellung ist das letzte Foto, das vom Berliner Bildhauer aufgenommen wurde. Es entstand 1947 anlässlich eines Besuchs von Herbert List in seinem Atelier und dokumentiert somit einen Kontakt zwischen den beiden bekannten Künstlern.

Das Foto inspirierte dabei auch zu einem der Themen der Ausstellung: künstlerische Männerfreundschaften, im Titel etwas unbestimmt „Liaisons“ genannt – sicher auch, weil Kolbes eigene erotische Neigung trotz zahlreicher Kontakte zu schwulen Kollegen und Freunden unklar bleibt. „Es ist eine Frage, die wir noch nicht abschließend geklärt haben“, gibt Elisa Tamaschke zu, die die Ausstellung kuratiert hat. Die offene Frage ließ sie sichtbar produktiv werden: Statt platte Antworten zu geben, spinnt die Ausstellung ein feines Gewebe von Bezügen. Zentral dabei unter anderem die Frage des Männerbildes in der Kunst und dessen Wandel über die letzten 125 Jahre.

Statt platte Antworten zu geben, spinnt die Ausstellung ein feines Gewebe von Bezügen.

Faszinierend etwa eine Fotowand, die Kolbes Behandlung des männlichen Körpers zwischen 1901 und 1947 dokumentiert. „Hier kann man eine rapide Veränderung exakt ab dem Jahr 1933 beobachten“, so die Kuratorin. Die in den 20er-Jahren oft noch androgynen, manieristisch verdrehten Körper bekommen etwas Verhärtetes, Statuarisches: Das muskulöse, heroische Männerbild der Nazis schlägt sich auch auf das Werk Kolbes nieder.

Bild: Enric Duch
Georg Kolbe, Tänzer Nijinsky, 1919. Ausstellungssansicht Liaisons. Georg Kolbe Museum, 2025

Die Fäden der Ausstellung werden immer weiter gesponnen, immer neue Bezüge beleuchtet: Eine Videoprojektion zeigt Maurice Béjarts Ballett „Bólero“ von 1961, kraftvoll getanzt von seinem langjährigen Lebenspartner Jorge Donn, inmitten einer Gruppe weiterer, ausschließlich männlicher Tänzer. „Béjarts Bedeutung liegt unter anderem darin, dass er den männlichen Tänzer von der Rolle befreit hat, die Frau zu lieben“, betont Tamaschke, „und somit die homosexuelle Geschichte des Balletts in neues Licht gerückt hat.“

„Béjarts Bedeutung liegt darin, dass er den männlichen Tänzer von der Rolle befreit hat, die Frau zu lieben, und somit die homosexuelle Geschichte des Balletts in neues Licht gerückt hat.“

Im selben Raum glänzt auch Kolbes Skulptur des russischen Tänzers Vaslav Nijinsky, gearbeitet noch ganz im zarten, aber schwungvollen Gestus der 20er-Jahre. An anderer Stelle finden sich zwischen Kolbes Männerskulpturen immer wieder Medizinbälle und deformierte Hantelstangen aus Keramik. Sie wirken wie ein ironisch eingestreuter Kommentar zur Maskulinität und sind Arbeiten des 1979 geborenen Harry Hachmeister.

Zusammen mit den Werken des mit ihm befreundeten Jens Pecho sorgen sie dafür, dass auch die zeitgenössische Perspektive auf Männlichkeit Berücksichtigung findet – die weitaus kritischer und distanzierter ist. Dem Museum gelingt es so zum 75-jährigen Bestehen, neben dem Männerbild in der Kunst auch das Werk des Namensgebers behutsam zu be- und hinterfragen.

SIEGESSÄULE präsentiert
Liaisons: Georg Kolbe, Herbert List, Harry Hachmeister, Jens Pecho, Maurice Béjart,
bis zum 15.03.2026,
Georg Kolbe Museum,
Sensburger Allee 25,
Charlottenburg
georg-kolbe-museum.de

Führungen durch die Ausstellung:
„Queerblick“ mit LGBTIQ*-Fokus: 9.11., 14:00,
öffentlicher Rundgang: 23.11., 14:00,
Kuratorinnenführung: 27.11., 18:00

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