Porträt

Oper trifft Pop: Wer ist der Eurovision-Favorit JJ?

12. Mai 2025 Manuel Brug
Bild: Picture Alliance / Max Slovenick / APA
Johannes Pietsch tritt als JJ mit der Powerballade „Wasted Love“ an

Unter dem Motto „United By Music“ startet morgen in der Schweiz das erste Halbfinale des queeren Hochamts des Schlagers. Am Samstag folgt der große Showdown. Auch in Berlin fiebern Fans mit. Besonders hoch gehandelt wird der Österreicher JJ, der für LGBTIQ*-Sichtbarkeit sorgt

„Nicht ohne meine Windmaschine“. Unter diesem Motto kann auch die queere Community Berlins das Finale des diesmal in Basel stattfindenden ESC als Public Viewing am 17. Mai zum Gemeinschaftserlebnis machen. Den Glamour freilich muss man schon selbst mitbringen, denn das BKA Theater am Mehringdamm ist nach diversen Treppenstufen nicht eben ein opulenter Ort. Aber dafür warten Jurassica Parka als Hostess und der stets wortreiche ESC-Experte Ralph Morgenstern auf die Fangemeinde. Der Eintritt ist übrigens frei.

Wenn zwischen dem Duell der beiden Plauderdiven Platz für Bild und Ton aus der Schweiz bleiben sollte: Einer der Favoriten dort ist – vor allem bei den Buchmacher*innen und Wettbüros – ein gewisser JJ. Bei dem fulminanten Interpreten einer der ESC-typischen Powerballaden, die gleich drei Singstile in drei Minuten hineinpackt, um für Megaabwechslung (und Megapublikumsanbiederung) zu sorgen und von „Verschwendeter Liebe“ erzählt (so die deutsche Übersetzung des englischsprachigen Songtitels), bei diesem Sänger handelt es sich um einen Österreicher.

Aus derselben Alpenrepublik stammen auch die beiden für Deutschland auf dem ESC-Ticket in die Schweiz reisenden Geschwister Attila und Tünde Bornemisza, die sich als Duo Abor & Tynna nennen und den technobeatgepeitschten Abtanzsong „Baller“ im Gepäck haben.

Ausgebildeter Opernsänger

Während deren glucksende Hymne an die Partynacht ziemlich heteronormativ daherkommt, steht JJ, im bürgerlichen Leben Johannes Pietsch, für queere Sichtbarkeit ein. Dabei reiht sich der 24-jährige Sohn einer philippinischen Mutter und eines Österreichers geschickt in die jüngere ESC-Geschichte ein. Fan ist er nach Selbstauskunft seit dem Sieg von Conchita Wurst, die seit ihrem ESC-Triumph 2014 mit „Rise Like a Phoenix“ omnipräsent auf allen Kanälen ist. Ebenso schimmert bei JJ als Vorbild Nemo stilistisch durch, nicht binäre*r ESC-Sieger*in vom letzten Jahr. Auch Nemo singt – wie JJ – mit androgyn hoher Falsettstimme.

Anders als diese Vorgänger*innen wurde JJ ganz klassisch an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK) ausgebildet. Als Opernsänger. Noch Ende Januar war er an der Wiener Staatsoper live als einer der drei Knaben in Mozarts „Zauberflöte“ zu erleben. Offiziell wird JJ als Countertenor geführt, seine Lehrerin (und Mentorin) war die ehemalige Wagner-Heroine Linda Watson, eine überlebensgroße (Bühnen-)Personality und seit Jahren eine vehemente Unterstützerin der LGBTIQ*-Community.

Von Jochen Kowalski bis Klaus Nomi

Countertenöre (in Deutschland wurde als Pionier vor allem der Brandenburger Jochen Kowalski bekannt, der auch gern Ausflüge ins Unterhaltungsfach machte) ersetzen heute vorwiegend in der Barockoper die im 18. Jahrhundert gefeierten Kastraten, die Popstars ihrer Zeit, die wie Farinelli die Massen ins Theater lockten. JJ wurde einem Massenpublikum bekannt, als er noch als Teenager im Fernsehen an „The Voice UK“ teilnahm und es bis in die Knock-outs schaffte. Danach kam er in der Castingshow „Starmania“ mit seinem ungewöhnlichen Stimmklang sogar bis in die Finalrunde.

Im Pop hat die Falsettstimme durchaus Tradition, von Roy Orbinson über Frankie Valli, die Bee Gees bis Michael Jackson und Sam Smith. Der 1983 früh an Aids gestorbene Klaus Nomi verband in seinem „Cold Song“ nach Henry Purcell ikonisch Pop mit Oper. Auch JJ flirtet beim ESC weiter damit. Nicht nur endet „Wasted Love“ in einem Theater, er treibt seine Stimme zudem mit opernhaftem Vibrato bis zum hohen Cis, bevor der Beat losknattert und den Song in typischere ESC-Gefilde holt.

„Wasted Love“ treibt JJs Stimme mit opernhaftem Vibrato bis zum hohen Cis, bevor der Beat losknattert und den Song in typischere ESC-Gefilde holt.

Am 15. Mai geht JJ beim zweiten Halbfinale mit der Startnummer 6 an den Start. Mal sehen, ob JJ sich damit gegen die ebenfalls hoch gehandelte Konkurrenz aus Schweden (mit dem Sauna-Hit „Bara bada bastu“) und Frankreich (mit dem sehr emotionalen „Maman“ von Louane) durchsetzen kann. Und mal sehen, ob er irgendwann den Weg zurück zur Oper findet.

Eurovision Song Contest 2025
Di 13.05., 21:00: Erstes Halbfinale
Do 15.05., 21:00: Zweites Halbfinale
Sa 17.05., 21:00: Finale

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