Queere Locations von Neukölln bis Charlottenburg

Queere Barszene: Jeder Drink, jedes Frühstück, jeder Besuch ist ein Statement

12. Sept. 2025 Florian Bade
Bild: Nora Peisger
Das neue SUPER bringt die Szene nach Wilmersdorf

Sinkende Gästezahlen, Inflation und offene Anfeindungen setzen der Barlandschaft Berlins zu. Von Neukölln bis Charlottenburg kämpfen Betreiber*innen nicht nur ums wirtschaftliche Überleben. Es geht auch darum, ihre Räume als Orte für die Community zu bewahren. Während einige um ihre Existenz bangen, eröffnen andere mutige neue Locations – trotzen der generellen Stimmungslage

„Die aktuelle Stimmung hat meinen Entschluss bestärkt, das Prince Peach zu eröffnen”, sagt Kevin, Inhaber des neuen Szenelokals im Prenzlauer Berg, entschlossen im Gespräch mit SIEGESSÄULE. „Gerade jetzt brauchen wir umso mehr Orte, an denen wir uns sicher fühlen und als Community Kraft schöpfen können.“ Zugleich wollten Kevin und sein kleines Team eine Lücke schließen: „Wir wollten einen queeren Raum schaffen, in dem Menschen aus unseren Communitys ohne große Hürden Anschluss finden.“ Statt auf laute Bar- oder Clubabende setzt das Prince Peach auf Wohnzimmeratmosphäre – warm und entspannt, mit großem Gemeinschaftstisch, Snacks und Events, die zum echten Connecten einladen.

Auch Max und Steve sind neu im Gastronomiespiel. „Von den queeren Spaces, die sich früher in einigen Kiezen wie eine Perlenkette aneinanderreihten, sind nur noch einzelne Leuchttürme zurückgeblieben. Dadurch werden wir viel angreifbarer“, betonen die beiden. Um diesem Schwund entgegenzuwirken, eröffneten sie das SUPER, Frühstückscafé und Aperitivobar, als farbenfrohen Safer Space im Westen Berlins. Von seelenlosem, skandinavischem Minimalismus hatten sie die Nase nämlich voll. „SUPER ist bunt und quirlig. Manchmal ist die Musik vielleicht etwas laut, aber hier dudeln keine random Spotify-Playlists“, feixen Max und Steve. Und so können die Gäste unter knalligen Torso-Skulpturen, einer Diskokugel oder auf der lauschigen Terrasse schlemmen, dass sich die Balken biegen.

„Wir hören oft, wie wichtig den Leuten unser Ort ist. Trotzdem spüren wir, dass die Geldbeutel schmaler werden.“
Bild: Silverfuture
Das Silverfuture in Neukölln

So unterschiedlich die Konzepte – beim Thema Finanzen sind sich alle einig: Es wird enger. „Wir hören oft, wie wichtig den Leuten unser Ort ist. Trotzdem spüren wir, dass die Geldbeutel schmaler werden“, sagt Kevin. Auch Traditionsbars kämpfen. „Die Leute haben wegen der Inflation weniger Geld und sind aufgrund der momentanen Weltlage psychisch angeknackst”, erklärt sich Helena die leeren Dienstage, Mittwoche und Donnerstage im Silverfuture. Seit zehn Jahren ist sie Teil des Teams und seit vier Monaten die neue Managerin der plüschigen Bar in Neukölln.

Für die Tipsy Bear Bar im Prenzlauer Berg ist der Druck nicht nur finanziell. Abgerissene und angezündete Regenbogenflaggen, Beleidigungen, Drohungen mit Baseballschlägern – die Liste der Vorfälle ist lang. Nach einem besonders heftigen Angriff organisierte die Community eine überwältigende Solidaritätsveranstaltung. Leider hatten die Betreiber*innen für ein Interview zur Lage des Ladens keine Kapazitäten.

Kevin vom nahen Prince Peach sieht solche Übergriffe als Bestätigung: „Wir werden jetzt erst recht für mehr Sichtbarkeit sorgen.“ Auch das SUPER wurde dreimal Ziel von Flaggen-Diebstählen – juristisch verlief das im Sande. Heute weht dort keine Pride-Fahne mehr.

„Zum Glück sind wir von Angriffen bisher verschont geblieben”, sagt Helena vom Silverfuture. „Aber wir mussten von Zweier-Barteams auf eine Barkraft pro Abend reduzieren. Das birgt ein Sicherheitsrisiko!“ Aber je mehr Gäste, desto sicherer der Ort. Außerdem durchlaufe das Barpersonal auch Sicherheitstrainings.

Lasst euer Geld in queeren Einrichtungen!

Allen Bars gemeinsam ist: An manchen Tagen steht sich das Publikum mit Stilettos auf Doc Martens rum, unter der Woche weht der Glitzer aber durch fast leere Räume. Doch Events helfen, diese Lücken zu füllen: Live-Performances im Silverfuture, Workshops und Filmabende im Prince Peach, Frühstückswochenenden im SUPER. „Weniger Ausgehen ist kein exklusiv queeres Problem“, sagt Helena, „aber wir haben die Community. Lasst euer Geld in queeren Einrichtungen – das kommt der ganzen Szene zugute!“ Und mit niedrigschwelligen Angeboten wie Lunch-Specials, Selbsteinschätzungspreisen oder Happy Hours kommen alle Lokale ihrem Publikum entgegen.

Auch nicht explizit queere Bars setzen auf LGBTIQ*-Sichtbarkeit. Luis, der vor zwei Jahren aus Porto nach Berlin zog, organisiert in der neuen Agata Bar in Neukölln „Queere Mic Nights“ – immer am 1. und 3. Donnerstag im Monat, um aufstrebenden Kunstschaffenden eine Bühne zu geben.

Mit einem Freund hat er zudem das Slay Day Kollektiv gegründet, das am 25. Oktober bei den Bösen Buben sein erste Sause steigen lässt: eine Cruising Party für alle Gender. Die Resonanz auf seine Open Mics sei „herzlich und familiär“. Auch die ebenfalls frisch gebackene Torte Bar trägt mit Drag-Bingo und der „Queertopia“-Partyreihe zur Repräsentanz in Neukölln bei.

Aufgeben ist keine Option

Trotz rauem Gegenwind gibt es in Berlins queerer Barszene kein Aufgeben. „Berlin war für mich schon immer ein Sehnsuchtsort, an dem queere Kultur im öffentlichen Leben gedeiht“, sagt Luis. Kevin, Steve und Max lassen sich auch nicht den Schaum von ihren Cappuccinos nehmen. „Sie können unsere Flaggen herunterreißen – aber das rückt uns nur näher zusammen.“ Die Botschaft ist klar: Diese Räume leben von der Community. Jeder Drink, jedes Frühstück, jeder Workshopbesuch ist nicht nur Genuss, sondern auch ein Statement – für Sichtbarkeit, Sicherheit und Solidarität.

Bild: Torte Bar
Die Torte Bar in Berlin Neukölln, gleich an der Haltestelle Sonnenallee

Neue Treffpunkte in Berlin:
Prince Peach
Prenzlauer Allee 208, Prenzlauer Berg
mit Drag-Brunch jeden Samstag und Dating Events jeden Sonntag
princepeach.de, @princepeachberlin

SUPER
Bundesallee 161, Wilmersdorf
nächste Sause am 11.09. „Serving Super Singles Vol. 2 Party“
heysuper.de, @super.westberlin

ChillMal Bar
Langhansstr. 141
nach eigenen Angaben Weißensees erste Schwulen- und Lesbenbar
@chillmalbar

Agata Bar
Weichselstr. 55, Neukölln
@agatabarberlin, @slay_day_030/

Torte Bar
Brusendorfer Str. 12, Neukölln
torte-bar.de, @torte_bar_berlin

Diese Bars brauchen und freuen sich über euren vermehrten Support:
Silverfuture

Weserstr. 206, Neukölln
silverfuture.net, @silverfuture_bar

Tipsy Bear
Eberswalder Str. 21, Prenzlauer Berg
tipsybearberlin.com und @tipsy_bear_berlin

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