FFBIZ, Spinnboden & Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft

Gegen das Vergessen: Neukölln bekommt ein queeres Archivzentrum

3. Mai 2024 Saskia Balser
Bild: Philipp Lohöfener
Die Räumlichkeiten des zukünftigen Archivzentrums in der Alten Kindl Brauerei

In Neukölln soll Berlins erstes Archivzentrum für lesbisch-queere, feministische und sexualwissenschaftliche Geschichte entstehen. Passende Räumlichkeiten, gleich neben dem SchwuZ, wurden schon gefunden – aber an der Finanzierung könnte das Vorhaben scheitern. Eine Spendenkampagne wurde gestartet

Mehrere Berliner queere Archive kämpfen derzeit mit der Existenzsicherung. Aus diesem Grund haben sich das feministische Archiv FFBIZ, die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft und das Spinnboden Lesbenarchiv und Bibliothek zusammengeschlossen. Ihr gemeinsames Ziel: Sie wollen ihre Archive erhalten. Grund für ihre Not sind die hohen Mietpreise in Berlin. Denn die Archive wachsen stetig und wollen auch weiterhin Material annehmen können. Doch die Berliner Mietpreise stehen dem Umzug in größere Räume im Weg. Das FFBIZ sollte Ende April bereits aus seinen Räumlichkeiten ausziehen. Das Magazin mit den Archivbeständen musste sogar an den Stadtrand ausgelagert werden. „Das bedeutet ständige Transportwege zwischen Büro/Leseraum und Magazin – und wir sind personell schon jetzt unterbesetzt“, sagt Roman Klarfeld vom FFBIZ.

Die drei Berliner Archive, die die Geschichte von feministischen und lesbisch-queeren Bewegungen und die Geschichte des Instituts für Sexualwissenschaft von Magnus Hirschfeld dokumentieren, an einen gemeinsamen Standort zu bringen, würde gleich mehrere Vorteile bringen. Zum einen ergänzen sich die Sammlungen und Interessent*innen könnten auf alle Materialien auf einmal zugreifen. „Und die zweite Überlegung dabei ist: Wenn die drei Archive gemeinsam einen Lesesaal haben, können wir trotz mangelnder Personalausstattung mit den wenigen Ehrenamtlichen den Lesesaal die ganze Woche offen halten“, erklärt Ralf Dose von der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft. Er glaubt sogar: „Der Zusammenschluss der Archive würde einen großen Boom bedeuten.“

Bild: Spinnboden Lesbenarchiv
Der Spinnboden platzt aus allen Nähten

Für den Erhalt der Archive wurde nach einer gemeinsamen Lösung gesucht – und auf dem Gelände der ehemaligen Kindl-Brauerei in Neukölln wurde sie gefunden. Dort könnten die Archive nämlich Räume beziehen, die ihre Ansprüche erfüllen, und das Gebäude gemeinsam mit den anderen Mieter*innen, darunter das SchwuZ, als Genossenschaft betreiben. Das würde sie nicht nur kurzfristig absichern. „Mit dem neuen Archivzentrum hätten wir durch die Struktur der Genossenschaft eine Garantie auf 99 Jahre stabile Mieten“, erklärt Giuseppina Lettieri vom Spinnboden. Die bisherigen Räumlichkeiten des kleinen Lesbenarchivs platzen gerade aus allen Nähten. Eine Toilette der Einrichtung wurde geopfert, um Dokumentenkisten zu lagern. Weitere stapeln sich sogar in der kleinen Mitarbeiter*innenküche.

Optimistisch bleiben

Für den archivgerechten und barrierearmen Umbau des zukünftigen Archivzentrums wurden den Archiven bereits Fördergelder und Lottomittel in Aussicht gestellt. Trotzdem ist der Umzug noch nicht gesichert. Jede der Einrichtungen muss als Genossenschaftsmitglied nämlich bis Ende Oktober 99.000 Euro zahlen. Um diese Summe aufzubringen, haben die Archive eine Spendenkampagne auf betterplace gestartet. Klarfeld betont: „Wenn das Spendenziel nicht erreicht wird, können wir das gemeinsame Projekt nicht umsetzen. Das bedeutet für alle drei Einrichtungen eine unsichere Zukunft.“

„Die Archive sind wichtige Quellen für Widerständigkeit und Inspiration für Generationen, die jetzt da sind und die noch kommen.“

Aktuell wurde ein bisschen mehr als ein Viertel der Zielsumme erreicht. Obwohl noch sehr viel Geld fehlt, bleiben die befreundeten Archive optimistisch. „Die Archive sind wichtige Quellen für Widerständigkeit und Inspiration für Generationen, die jetzt da sind und die noch kommen. Deswegen ist es wichtig, dass diese Orte auf Dauer gesichert werden“, findet Lettieri. „Es geht immerhin um das Erbe einer Bewegung“, ergänzt Dose. „Wenn sich niemand um den Erhalt der Geschichte kümmert, verschwindet sie.“

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