Kommentar

Selten war Neutralität so angsteinflößend: Klöckners Regenbogen-Jagd

17. Juli 2025 Christian Bojidar Müller
Bild: Picture Alliance / dpa / Katharina Kausche
Julia Klöckner (CDU) hat entschieden, die Regenbogenfahne am Reichstagsgebäude zum CSD nicht wie in den Vorjahren hissen zu lassen

Julia Klöckner und Pride-Flaggen-Verbot: Wie die Bundestagspräsidentin russische Propaganda für ihre Partei nutzt und mit Scheindebatten gegen Queers vorgeht. SIEGESSÄULE-Autor Christian Bojidar Müller kommentiert das aktuelle Vorgehen gegen Regenbogen-Symbole im Bundestag

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner und ihr Mutterschiff CDU/CSU sind auf Regenbogen-Jagd im Bundestag. Dass die grimmige Weinkönigin Anfang Juli die Pride-Flagge auf dem Bundestag zum CSD verbot, war für viele keine Überraschung. Außerdem untersagte sie den Beschäftigten der Bundestagsverwaltung, als Teil ihres queeren Netzwerks an der CSD-Demo teilzunehmen. Bei beiden Entscheidungen beruft sie sich auf die Neutralitätspflicht. Dass sie jedoch, wie kürzlich, die Bundestagspolizei durch die Büros der Mitarbeiter*innen schickte, um jedes noch so kleine Regenbogen-Symbol einzusacken das von außen einsehbar sein könnte, weckt düstere Assoziationen.

Der Regenbogen ist kein Marketing-Gimmick mehr, sondern wieder das, was er immer war: unbequem, politisch, herausfordernd.

Selten war Neutralität so angsteinflößend. Und noch nie trat eine Bundestagspräsidentin medial so präsent, konfrontativ und inszeniert auf. Julia Klöckners Vorgehen gegen Regenbogen-Symbole in den Büros von Mitarbeiter*innen ist tatsächlich beispiellos und erinnern an die Staatsüberwachung der DDR. Klöckner stellt die Regenbogenflagge damit auf eine Stufe mit Parteiwerbung, Extremismussymbolen und Demonstrationsbannern. Aber sie macht auch gleichzeitig klar: Der Regenbogen ist kein Marketing-Gimmick mehr, sondern wieder das, was er immer war: unbequem, politisch, herausfordernd. Vor allem für das rechte Lager.

Mit Symboldebatten gegen Queers

Die Debatte um die Pride-Flagge auf dem Bundestag ist Teil eines weltweiten Phänomens, das seit Jahren in Form von politisch motivierter Desinformation und Stimmungsmache aus Russland über Osteuropa auf Deutschland zurollt und seinen Höhepunkt ansteuert.

Klöckner übernimmt exakt die Strategie, die Orbáns und Putins Medien seit Jahren erfolgreich einsetzen: mit Symboldebatten die öffentliche Stimmung gegen queere Menschen drehen, um Sympathien und Wähler*innen von rechts zu gewinnen. „Ist Schwarz-Rot-Gold nicht bunt genug?“ – Nein. Es geht noch weniger bunt.

Auch die „Anti-CSDs”, die seit letztem Jahr bundesweit vor allem CSDs in kleineren Städten bedrohen, gehören zu diesem Trend. Im Mai 2025 wurde in Gelsenkirchen zum ersten Mal in Deutschland ein CSD wegen einer Bedrohungslage abgesagt. Homo- und Transfeindlichkeit sind der Kitt, der rechte Ideolog*innen weltweit vereint. Und aus diesem Pool fischt die Bundestagspräsidentin gerade verzweifelt nach Anerkennung von eben jenen Wähler*innen.

Dabei verliert sie aus den Augen, dass die Regenbogenflagge nicht einfach ein politisches Symbol ist, sondern vor allem LGBTIQ* vermitteln soll: Hier bist du sicher, wir sehen dich und schützen dich. Das ist ein Safer Space für Queers. Was also bedeutet es, wenn sie die Fahne trotzdem rigoros ablehnt, so wie es ihre Bundestagskolleg*innen der AfD schon lange tun?

Allies in der Politik sind gefragt

Wir erkennen den Regenbogen, wenn wir in fremden Städten ratlos umherirren. Wenn wir irgendwo einsam sind und niemanden kennen. Und es gibt auch nicht wenige Heteros, die ihn auch kennen und sich genauso von offenen und inklusiven Räumen angezogen fühlen und dort lieber ihre Zeit verbringen.

Wir müssen verhindern, dass der Regenbogen zur Markierung für Angriffsziele wird.

Erst kürzlich wurden sowohl die Tipsy Bear Bar in Prenzlauer Berg und das Hoven in Kreuzberg mehrmals attackiert. Was beide vereint: Die Pride-Flagge hängt präsent an den Fenstern. Das sind nur zwei von vielen Beispielen zunehmender trans- und homofeindlicher Angriffe in Berlin, in Deutschland, in Europa. Und sie verdeutlichen: Wir müssen verhindern, dass der Regenbogen zur Markierung für Angriffsziele wird. Vor allem von derjenigen, die ständig „Woke-Diktatur” schreien und nun ein Verbot nach dem Anderen erlassen.

Mit Rückenwind aus der Community will Arbeitsministerin und Ex-Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) sich nun über das Verbot in ihrem Arbeitsministerium hinwegsetzen. Die Community selbst tut derweil, was sie am besten kann: Bei einer Protestaktion am 25.07., einem Tag vor dem CSD, soll demonstrativ vor dem Reichstagsgebäude eine riesige Pride-Flagge gelegt und demonstriert werden.

Die Petition gegen Klöckners Flaggen-Verbot hat bereits 230.000 Unterzeichner*innen. Doch nun sind vor allem weitere Allies in der Politik gefragt, denn jetzt kann ein symbolischer Protest in Form von Flaggenhissung tatsächlich etwas bewirken!

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