Queerbeauftragte der Bundesregierung

Sophie Koch: „Scharnier zwischen Community und Bundesregierung“

6. Okt. 2025 Interview: Christoph Alms und Manuela Kay
Bild: Oliver Wagner
Sophie Koch aus Dresden legt Wert auf ihre ostdeutsche Perspektive

Seit Mai 2025 ist Sophie Koch die Beauftragte der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Die 32-jährige SPD-Politikerin ist außerdem Mitglied des Sächsischen Landtages in Dresden. Im Interview mit SIEGESSÄULE erzählt sie von ihren Zielen und von den Herausforderungen ihres neuen Jobs in Berlin

Sophie, du bist jetzt drei Monate im Amt. Wie läuft‘s so? Konntest du schon die Welt verändern? Schön wär‘s. Ich bin theoretisch immer noch in der Ankommens­phase. Ich habe direkt nach Berufung natürlich angefangen, vor allem die zivilgesellschaftlichen Akteur*innen einzuladen, mich mit ganz vielen Vereinen und Initiativen zu treffen und starte jetzt peu à peu auch mit den Ministerien.

Empfindest du es als Nachteil, dass du nicht Staatsekretärin bist wie dein Vorgänger Sven Lehmann? Es ist natürlich einfacher, wie bei Sven Lehmann, der parlamentarischer Staats-sekretär war, direkt drin zu sein. Aber als unabhängige Beauftragte finde ich es eher von Vorteil, dass ich diesen Blick aus den Ländern und vor allen Dingen aus Sachsen mitbringe. Ich glaube gerade, dass der ostdeutsche Blick für das Amt jetzt noch mal eine deutlich höhere Gewichtung hat als vorher.

Warum? Ich komme aus dem Osten. Wir gucken gerade sehr stark auf die ostdeutschen Länder, vor allem seit den Übergriffen, die es in Bautzen und Co. gab. Ich werde zumindest sehr oft gefragt, ob es anders ist, in Ostdeutschland queer zu sein als in Westdeutschland, und wenn ja, warum.

Ist es anders in Ostdeutschland? Und wenn ja, warum? Einerseits schon, weil wir viele ländlich geprägte Regionen – Berlin ausgenommen – haben. Dort gibt es zwar schon einiges an queerer Zivilgesellschaft, aber wenig selbstverständliche Orte, wo man hingehen kann. Die werden immer wieder erkämpft oder müssen geschaffen werden. Vorbilder, die man sich dementsprechend dort auch sucht, gibt es selten. Aber inzwischen mehr als zu der Zeit, als ich jung war. Und natürlich ist auch die gesellschaftliche und politische Lage im Osten noch mal schärfer. Wichtig ist es mir aber auch zu sagen: Queerfeindlichkeit und Übergriffe sind kein rein ostdeutsches Phänomen!

„Queerfeindlichkeit und Übergriffe sind kein rein ostdeutsches Phänomen!“

Wer sind oder waren deine Vorbilder? Als ich Teenager war, da gab es Hella von Sinnen im Fernsehen und irgendwann „Broke-back Mountain“. Aber mir wären nicht viele queere, vor allem lesbische oder FLINTA*-Personen als Vorbilder eingefallen. Das kam erst mit Social Media und als ich nach Dresden gezogen bin.

Also die SIEGESSÄULE gibt es seit 40, L-MAG seit über 20 Jahren, du hättest da ja mal reinschauen können? Tut mir ein bisschen leid für euch, aber die lagen nicht so aus bei uns im Buchladen. Für mich als junger Mensch, auf dem Dorf, war das kein Thema, leider. Ich glaube, es ist heute definitiv für viele anders, weil auch die gesamtgesellschaftliche Akzeptanz und Sichtbarkeit viel, viel größer sind als früher.

Und wer sind heute deine politischen Vorbilder? Das sind gar nicht so große Namen, sondern mir nahestehende Personen. Rasha Nasr ist eine sehr gute Freundin von mir und Bundestagsabgeordnete. Wir sind irgendwie zusammengewachsen in diesem politischen Betrieb. Ich bin auch beeindruckt von Ricarda Lang. Eine der wenigen, glaube ich, die offen bisexuell sind. Wie sie als junge Frau damit umgeht, nicht ernst genommen zu werden, sich aber trotzdem durchbeißt und eine Lockerheit mitbringt, das finde ich auf vielen Ebenen beeindruckend.

Wie ist deine Vernetzung in die queere Community hinein? Kennst du dich gut aus als „unsere Beauftragte“ – mit schwulen Sexpartys, lesbischen Wandergruppen oder queeren Filmfestivals? Im ersten Schritt bin ich natürlich mit vielen Initiativen und Vereinen auf der Bundesebene in den Austausch gegangen, ob das jetzt LSVD+, BVT, Lesben im Alter oder VK ist. Das ist meine Hauptzielgruppe, neben der Bundesregierung. Viel Zeit für, ich nenne es jetzt mal, queeres Freizeitleben lässt meine Kalenderplanung nicht zu. In Dresden habe ich es immerhin geschafft, zu einem „Princess Charming“-Public-Viewing zu gehen.

Gehst du zu den Dyke* Marches? Da war ich in Köln und in Hamburg.

Kannst du ein bisschen konkretisieren, warum dein Amt jetzt so wichtig ist? Insbesondere da CDU/CSU angetreten sind, die Beauftragten-Positionen zu reduzieren. In einer idealen Gesellschaft bräuchte es meinen Posten nicht, weil wir eine vollständige rechtliche Gleichstellung hätten und queere Sichtbarkeit selbstverständlich wäre – auch in der Politik. Ich glaube aber, da sind wir noch nicht. Und deswegen ist es wichtig, dass die Bundesregierung eine Ansprechperson hat, die eben genau dafür werben kann. Ich verstehe mich als Scharnier zwischen Community und Bundesregierung.

Was willst du besser machen als dein Vorgänger Sven Lehmann? Den Vergleich würde ich mir gar nicht anmaßen. Sven hat unfassbar viel vorgelegt. Alleine dass er als Erster auf diesem Posten den Weg bereitet hat, auch mit dem Aktionsplan Queer Leben. Mir geht es gar nicht darum, Sachen besser zu machen oder den Vergleich zu ziehen, sondern zu gucken, wie kann ich Sachen fortführen? Was hat vielleicht die Ampel-Regierung nicht zu Ende gebracht? Mein Ziel ist es, das im Sinne der Community gut fortzuführen.

„Ich hoffe, wir können das Abstammungsrecht anpassen und wirklich alle queeren Familien gleichstellen.“

Welche Meilensteine hast du bis Ende des Jahres? Zwei große Punkte: die Reform des Abstammungsrechtes. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht noch für dieses Jahr ein Urteil angekündigt. Ich hoffe, mit diesem Rückenwind können wir das Abstammungsrecht anpassen und wirklich alle queeren Familien gleichstellen. Das andere ist – und da ist die Bundesratsinitiative sehr entscheidend – Artikel 3. Die Rechte queerer Menschen wurden ja beim Schreiben des Grundgesetzes leider nicht explizit abgesichert, weil queere Menschen als eine von wenigen Opfergruppen des Nationalsozialismus weiter als „widernatürlich“ galten. Diese Schutzlücke muss man jetzt schließen und ich erlebe da zum Glück sehr viel Offenheit.

Hast du da in der Berliner Landesregierung Verbündete? Ich habe ganz kurz mit Kai Wegner sprechen können am Rande des CSD Berlin. Er hat das ja mit initiiert. Wir sind beide quasi auf einer Linie und wollen das gern umsetzen. Wir müssen gucken, wie man die anderen Länder überzeugen kann. Vor allem aber: wie man dann auch im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit dafür finden kann. Das heißt, wir müssen auch mit Linken und Grünen reden. Ich persönlich bin großer Fan davon, dass alle demokratischen Parteien an einem Strang ziehen, wenn es um die Würde von Menschen geht. Da würde ich mir auch von manchen Teilen der Community wünschen, dass sie auch der Union eine Chance geben.

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