Subversion, Konsumkritik und Krieg: Eine Performance über Baronin Elsa von Freytag-Loringhoven

Die Performance „subjoyride” in den Sophiensæle ist der selbsternannten „Dada Baroness“ Elsa von Freytag-Loringhoven (1874–1927) gewidmet. Schon 1910 sorgte sie in den USA für Skandale: Auf der Straße wurde sie im „Männeranzug” mit Zigarette verhaftet. „She Wore Men’s Clothes“, titelte die New York Times damals empört. SIEGESSÄULE-Autor*in Lara Hansen traf die Choreografin Boglárka Börcsök zum Gespräch
Wie würdest du Elsa von Freytag-Loringhoven beschreiben? Sie ist eine radikale Figur, die zu Lebzeiten die Grenzen zwischen Kunst, Leben und Liebe verschwimmen ließ. Sie lebte größtenteils auf der Straße, sammelte Objekte und machte daraus Kostüme, trug Tomatendosen, Gemüse, Autolampen. Ihre Praxis war körperlich, exzessiv, grotesk und stellte die moderne Kunstgeschichte auf den Kopf. Obwohl sie Duchamp und anderen Dadaisten nahe stand, ist sie heute kaum bekannt.
„Uns interessierte weniger eine Repräsentation, sondern der Geist der Baronin. In ihren Gedichten, wie etwa in ,Subjoyride' fanden wir eine Sprache, die Subversion, Körper, Konsumkritik und Krieg verhandelt.“
„Subjoyride“ hast du mit dem Filmemacher Andreas Bolm entwickelt. Wie nähert ihr euch dieser Figur performativ, wenn kaum Material überliefert ist? Uns interessierte weniger eine Repräsentation, sondern der Geist der Baronin. In ihren Gedichten, wie etwa in „Subjoyride” fanden wir eine Sprache, die Subversion, Körper, Konsumkritik und Krieg verhandelt. Vieles klingt frappierend postmodern. Wir übersetzen diese Energie in einen multikörperlichen Ansatz mit wechselnden Figuren, choreografischen Transformationen, auch mit dem Kaiser Wilhelm als Gegenfigur.
Wie verbindet ihr die Baronin mit der Politik der Gegenwart? Dada ist sehr stark im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg entstanden und auch heute prägen Kriege, Genozide und imperialistische Strukturen unsere Welt. Die Baronin schrieb gegen Militarismus und Männlichkeitsideale an. Und wir leben hier in Berlin noch immer mit Infrastrukturen, die aus dieser Zeit stammen. Wir wollten sie nicht musealisieren, sondern ihre Strategien von Inversion, Clownerie, Groteske in unsere Zeit holen.
In dem Stück setzt ihr euch auch mit Marcel Duchamps „Fountain” und der Debatte um die Autorschaft auseinander. Wie bringt ihr diese Geschichte auf die Bühne? Der „Fountain” gilt als eines der wichtigsten Kunstwerke. Doch wir wollen die Baronin nicht auf die Frage der Autorschaft reduzieren. Sie lehnte institutionelle Rahmen ab, und unsere Bühne ist ein Versuch, sie von der Last des „Brunnens” zu befreien.
Inwiefern war die Baronin eine queere Figur? Sie war androgyn, punkig, bewegte sich in lesbischen Kreisen. Ihre Gedichte wurden etwa unter anderem von einer lesbischen Gruppe veröffentlicht. Die Kunst, die Arbeit und das Leben der Baronin haben queere Ästhetiken immer stark einbezogen – man könnte sie auch als Punk-Pionierin bezeichnen. In Bezug auf Gender wäre sie heutzutage vielleicht eher “they/them” ... auf der anderen Seite hätte sie als Punk wahrscheinlich auch heute jegliche Labels abgelehnt.
Was bedeutet für dich die Zusammenarbeit mit Andreas Bolm? Wir arbeiten seit Jahren zusammen. Zuerst an einem Dokumentarfilm über ungarische Tänzer*innen im Alter von 91 bis 101, später an Performance-Installationen. Andreas bringt den filmischen Blick, ich die choreografische Praxis. Diese Differenz zwingt uns, neue Zugänge zu finden.
„Uns geht es nicht darum, ein abgeschlossenes Porträt zu erstellen, sondern um eine Einladung in eine queere, groteske, überschäumende Welt, die bis heute inspiriert.“
Und was soll das Publikum mitnehmen? Vielleicht Neugier. Wir hoffen, dass die Zuschauer*innen Lust haben, mehr über die Baronin zu erfahren, ihre Gedichte zu lesen und ihre Geschichte weiterzudenken. Uns geht es nicht darum, ein abgeschlossenes Porträt zu erstellen, sondern um eine Einladung in eine queere, groteske, überschäumende Welt, die bis heute inspiriert.
SIEGESSÄULE präsentiert „Subjoyride“
10.09. (Premiere), 20:00
11.-13.09., 21:00
Sophiensæle (Hochzeitssaal)
sophiensaele.com
Folge uns auf Instagram