Staatsballett Berlin

Tanzstück „Wunderkammer“ von Marcos Morau: Lobgesang auf die Freiheit

5. Nov. 2025 Ecki Ramón Weber
Bild: Yan Revazov
„Wunderkammer“ ist vom Berliner Nachtleben inspiriert

Marcos Morau, erneut von der Zeitschrift Tanz zum „Choreografen des Jahres“ gewählt und Artist in Residence beim Staatsballett Berlin, sprach mit SIEGESSÄULE über seine neueste Produktion

Marcos, deine neue Produktion heißt „Wunderkammer“. Was zeigst du uns darin? Ich habe mich für diese Arbeit von der Nacht in Berlin inspirieren lassen. Vom Kabarett aus der Zeit der Weimarer Republik bis zum Club Berghain. Das Nachtleben in Berlin bot und bietet ja immer geschützte Räume, Orte, wo sich Menschen ausdrücken und ausprobieren können, Orte der Freiheit, Orte, um das zu entdecken, was am Tag nicht gezeigt werden kann. In der Nacht, so scheint es, dürfen wir authentischer sein, weniger abhängig von Beurteilungen, vielleicht auch mysteriöser oder wahrhaftiger. Aber auch wenn die Nacht ein Refugium sein kann, müssen wir hier doch unseren Platz finden. Auch hier gibt es eigene Hierarchien, Strömungen, Moden, Normen.

Du bringst also Berlin auf die Bühne? Nein, nicht konkret, ich mache weder Dokumentartheater noch eine historische Recherche. Realität und Fiktion vermischen sich in der Produktion. Es geht auch um das Theater als Ort, das eine Verbindung zwischen Menschen herstellen kann, zwischen Interpret*innen und Publikum. Die Produktion zeigt, wie sich Tänzer*innen auf eine Show vorbereiten. Sie wärmen sich auf und üben Schrittfolgen. Wir nehmen teil am kreativen Prozess für eine Show, die wir jedoch nicht sehen werden. Am Ende wird die vierte Wand der Bühne fallen, und ich möchte, dass das Publikum und das, was auf der Bühne passiert, sich durchmischen. Die Show, die im Stück vorbereitet wird, ist das Leben.

„Es geht um Verwandlungen in Persönlichkeiten eines Kabaretts und in Dragqueens, aber auch um das Spiel mit Klischees, um Transformationen in etwas Bizarres oder Groteskes.“

In deinen Arbeiten ist oft Queerness präsent. Wie ist es in „Wunderkammer“? Es wird ein sehr queeres Stück. In den Kostümen gibt es keine Gender-Unterschiede. Die Silhouetten sind verändert und überzeichnet, alle tragen Röcke, es gibt Korsetts, Perücken, viel Schminke, Bänder, Stiefel, viele Stofflagen. Es gibt Übersteigerungen und Verfremdungen, das Ganze wird sehr eklektisch. Es geht um Verwandlungen in Persönlichkeiten eines Kabaretts und in Dragqueens, aber auch um das Spiel mit Klischees, um Transformationen in etwas Bizarres oder Groteskes. Alles, was am Tag nicht möglich ist. Gerade in den letzten Jahren haben ja einige politische Strömungen etwas gegen diese Freiheit. Denn alles, was frei ist, kann nicht kontrolliert werden. Ich aber glaube, die Freiheit der Sexualität, der Gender und der Identität, das ist ja gerade, was uns als Menschen definiert, ohne dass wir Kategorien brauchen.

Also feiert das Stück die Freiheit? „Wunderkammer“ ist ein Lobgesang auf die Freiheit. Denn wir werden auch viel singen in dieser Produktion.

Die Tänzer*innen singen tatsächlich? Ja, wir entwickeln Songs auf Englisch über die Themen, die wir im Stück behandeln, zusammen mit dem Berliner Komponisten Ben Meerwein sowie der Komponistin Clara Aguilar, die ich aus Barcelona kenne, und der Dramaturgin Katja Wiegand vom Staatsballett Berlin. Die Nacht ist ja vor allem poetisch und suggestiv. Deswegen Gesang.

„Ich mag es, Elemente aus der Hochkultur und der Popkultur zu verbinden.“

Spiegelt sich das Queere auch in den Tanzbewegungen wider? Manche Kritiken sehen in meiner Arbeit eine Mischung aus dem Maler Francis Bacon und dem Musicalchoreografen und -regisseur Bob Fosse (Anm. d. Red.: Regisseur u. a. der Verfilmung von „Cabaret“ von 1971): Francis Bacon, weil sich die Grenzen zwischen Körpern und Raum in abstrakte Konfiguration auflösen, und Bob Fosse, weil dessen Arbeiten etwas sehr Sinnliches und Verführerisches haben. Ich nehme Elemente daraus und entwickle sie weiter, überhöhe sie, intensiviere sie. Ich mag es, Elemente aus der Hochkultur und der Popkultur zu verbinden. Mich reizt es, diese Dinge zu mischen und auf diese Weise in alle Richtungen zu blicken.

SIEGESSÄULE präsentiert „Wunderkammer“
07.11., 19:30
09.11., 18:00
14.11., 19:30
16.11., 18:00
30.11., 15:00
Komische Oper (Schillertheater)
staatsballett-berlin.de

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