Traumschiff? Schwule Kreuzfahrt in „Dream Boat“

1. Juli 2017 Jan Noll
Bild: Gebrüder Beetz Filmproduktion

Für manche ist allein die Vorstellung ein Albtraum: Eingesperrt mit 3.000 schwulen Kerlen sieben Tage lang auf einem Kreuzfahrtschiff die spanische Küste entlangcruisen. Eine Konservenbüchse voller Muscle Marys auf hoher See. Der in der Nähe von Berlin lebende Regisseur Tristan Ferland Milewski ist auf so einer Kreuzfahrt mitgereist – und hat über diesen Trip eine beeindruckende Dokumentation gedreht. Doch wer sich unter „Dream Boat“ eine Art schwules Feel-good-Movie vorstellt, wird eine Überraschung erleben

Für viele ist es ein Urlaub, auf den sie sich monatelang gefreut und vorbereitet haben. Schwule Männer aus knapp 90 Nationen verbringen eine Woche an Bord eines Kreuzfahrtschiffes. Doch neben jeder Menge knapper Outfits und Kondome haben die meist recht jungen Männer vor allem eines im Gepäck: Sehnsucht – nach Geborgenheit, nach Anerkennung, nach der großen Liebe. Und: beinahe jeder bringt einen ganz bestimmten kulturellen Background mit, eine Biografie, die von den Lebensumständen für Homosexuelle im jeweiligen Heimatland geprägt ist.

Dipankar (32) stammt beispielsweise aus Indien und lebt in Dubai – einem Land, in dem er seine Homosexualität nicht offen zeigen kann. Marek (24) kommt aus Polen, das auch nicht gerade für seine tolerante Gesellschaft bekannt ist. Ramzi (31) musste gar seine Heimat Palästina verlassen, weil dort sein Schwulsein bekannt geworden war, und floh nach Belgien. Diese drei gehören zu einer Auswahl von fünf Männern, die Regisseur Ferland Milewski mit der Kamera näher begleitet. Dabei wird vor allem eines schnell klar: Die aufgepumpten Körper der meisten Protagonisten sind vor allem Rüstung, Schutzschild gegen eine Welt, die ihnen als schwulen Männern mitunter übel mitgespielt hat, und eine Szene, in der die Fixierung auf Äußerlichkeiten es schwer macht,  sich nicht dem Schönheitsdiktat zu unterwerfen. Wer kein Sixpack, keinen großen Schwanz oder knackigen Arsch hat, bleibt allein. Vor allem Dipankar beschreibt diesen Bodydogmatismus einer „Community“ eindrücklich, die ausgrenzt, wo eigentlich eine Geborgenheit entstehen sollte.

Regisseur Tristan Ferland Milewski kleidet die Geschichten und Gesichter dieser Reise in atemberaubende Bilder und spektakuläre Kameraperspektiven, untermalt von der außerweltlichen Musik seines Lebenspartners Claude, und erzeugt damit – vielleicht unbewusst – ein beinahe klaustrophobisches Gefühl. Der ständige Wechsel der im Grunde immer gleichen sexy Outfits und Partys der Passagiere destilliert die Einsamkeit der einzelnen Personen auf diesem Trip und wird damit zu einer generellen Kritik an einer Szene, die nur auf den ersten Blick eine große, bunte Regenbogenfamilie ist. Und, das Wichtigste, er tut dies mit vollem Respekt gegenüber seinen Protagonisten, die er niemals bloßstellt und deren Probleme und Sehnsüchte er immer ernst nimmt – mögen es auch nicht die seinen sein. „Dream Boat“ ist somit ein Film geworden, der nicht in erster Linie unterhält, aber deutlich zum Nachdenken anregt.

Dream Boat, D 2017, Regie.: Tristan Ferland Milewski, auf DVD

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