Diversity, Equity, Inclusion

Trump vs. Diversity: Balanceakt zwischen US-Gesetzen und Firmenwerten

22. Juli 2025 Louisa Theresa Braun
Bild: picture alliance / Middle East Images | Dominic Gwinn
„I love DEI“, Demo vor Trumps Auftritt in Warren, Michigan am 29. April 2025

Konzerne wie SAP und die Telekom stoppen ihre Programme rund um Diversity, Equity, Inclusion (DEI) unter dem Druck neuer US-Gesetze – zumindest auf dem Papier. Was ändert das für LGBTIQ*? Wir sprachen darüber mit Expert*innen für Chancengleichheit und Wirtschaft

Der deutsche Softwarekonzern SAP verabschiedet sich von der Frauenquote. Für die US-Tochterunternehmen von VW gilt der Diversity-Index nicht mehr. Und T-Mobile, die amerikanische Mobilfunktochter der Deutschen Telekom, löst zwei Diversitätsbeiräte auf. Nach US-Konzernen wie Meta, Alphabet, Ford und Starbucks verabschieden sich nun auch deutsche Unternehmen von ihren DEI-Programmen – aufgrund neuer Gesetze der US-Regierung unter Präsident Donald Trump.

DEI steht für „Diversity, Equity, Inclusion“ (Vielfalt, Gleichstellung, Inklusion) und meint Maßnahmen, die dafür sorgen sollen, dass Betriebe oder deren Führungsetagen nicht nur aus weißen heterosexuellen cis Männern bestehen, sondern auch mit Frauen, queeren Menschen, BIPoC sowie Menschen mit Migrationsgeschichte oder Behinderung besetzt werden. Trump bezeichnete diese Maßnahmen per Dekret als verfassungswidrig, da sie weiße Männer benachteiligen würden.

Dass sich viele Unternehmen dem Druck aus Washington beugen, „halte ich für falsch“, sagt Albert Kehrer im Gespräch mit SIEGESSÄULE. Er ist Vorstand und Gründer von Prout At Work, einer Stiftung für queere Vielfalt und Chancengleichheit am Arbeitsplatz. Ihm geht es aber nicht nur um ethische Gründe – Firmen mit diverser Belegschaft seien auch erfolgreicher. Laut dem Wiener Personalmanagement-Unternehmen Sage sind Teams, die verschiedene Perspektiven vereinen, kreativer. Beschäftigte mit Migrationsgeschichte brächten oft nützliche Sprachkenntnisse mit, marginalisierte Menschen eine gewisse Resilienz, und durch Chancengleichheit werde das gesamte Potenzial des Arbeitsmarktes ausgeschöpft.

Bild: Jannick Bartosch
Albert Kehrer von Prout At Work

Die Sichtbarkeit von Diversität könne auch zu besserer Kund*innengewinnung beitragen, sagt Finanzjournalist Manuel Koch zu SIEGESSÄULE. Er ist Gründer des Medienunternehmens Inside Wirtschaft und thematisiert im gleichnamigen YouTube-Format LGBTIQ*-Themen, wofür er 2023 von Prout At Work die Auszeichnung „Prout Performer“ bekam. Dabei stehe oft der Vorwurf des Pinkwashing im Raum – die Annahme, Konzerne würden sich einen queeren Anstrich geben, ohne etwas für die Community zu tun.

B wie Belonging

Kehrer würde dem Akronym DEI daher noch den Buchstaben B hinzufügen, für „Belonging“ (Zugehörigkeit). „Unternehmen sollten eine Arbeitskultur schaffen, in der Menschen sich wohlfühlen und nicht sofort kündigen.“ Angesichts des Fachkräftemangels sei das eine „Win-Win-Situation“. Dafür reiche es aber nicht, „die Regenbogenflagge aufzuhängen“. Prout At Work berät Unternehmen zum Thema LGBTIQ* am Arbeitsplatz, bietet unter anderem einen Leitfaden an, der dabei hilft, trans* Personen bei ihrer Transition zu begleiten, und setzt sich gegen Diskriminierung ein: Elternzeit müsse auch für Regenbogenfamilien gelten, Mitarbeitende sollten durch Trainings für queere Themen sensibilisiert und Personalprozesse regelmäßig reflektiert werden. Oft würden bestimmte Bewerber*innen aufgrund unbewusster Vorurteile aussortiert. „Viele Frauen wie Männer bevorzugen weiße heterosexuelle Männer in Führungspositionen“, sagt Kehrer. Da gelte es, durch DEI-Maßnahmen aktiv gegenzusteuern. Eine Möglichkeit sei „blindes Recruiting“, bei dem Name, Geschlecht, Alter und Herkunft aus den Bewerbungsdaten entfernt werden.

Gerade in Deutschland, wo man sich mit Diversität eher schwertue als in den USA, sowie in DAX-Vorständen, die eine „sehr männerdominierte Welt“ seien, hält Koch auch Quoten für sinnvoll. Teilzeit- und Homeoffice-Möglichkeiten schaffen Chancengleichheit für Eltern und Menschen mit Mobilitätseinschränkungen. Viele größere Unternehmen haben zudem queere Beschäftigten-Netzwerke, die Events organisieren oder CSDs sponsern – auch das wird oft mit Pinkwashing assoziiert. Die Gruppe dbPride der Deutschen Bank existiert seit 25 Jahren und sei, so Koch, ein gutes Beispiel für die Identifikation von Mitarbeitenden mit dem Betrieb.

Er und Kehrer haben durchaus Verständnis für Unternehmen, die Geschäfte in den USA machen und deshalb deren Vorschriften erfüllen. SAP macht nur 15 Prozent seines Umsatzes in Deutschland und über 30 Prozent in den USA. Bei der Telekom sind sogar fast 65 Prozent des Umsatzes an den nordamerikanischen Markt gebunden. Wenn solche global agierenden Konzerne sich nicht an die US-Gesetze hielten, bekämen sie keine staatlichen Aufträge mehr und große finanzielle Probleme. Trump würde vielleicht sogar noch weitere Zölle auf deutsche Software erheben, vermutet Koch. Im Fall der Telekom wurde erst nach offizieller Aufgabe der DEI-Initiativen eine geplante Unternehmensfusion genehmigt.

Bild: Salon Schinkelplatz/ Alexander Hildebrand
Manuel Koch (re.) mit „Tagesschau“-Chefredakteur Helge Fuhst

„Wir sind nicht eingeknickt“

SAP teilt auf Anfrage der SIEGESSÄULE mit, dass sie behördliche Ermittlungen fürchtet und ihre Mitarbeitenden nicht „zivilrechtlichen Unsicherheiten“ aussetzen möchte. Aber auch: „Wir sind nicht eingeknickt. Unsere Programme werden nahezu unverändert weitergeführt und weiter geöffnet, um allen unseren Mitarbeitern [sic!] gerecht zu werden“, so die Personalvorständin Gina Vargiu-Breuer.

„Wir sind nicht eingeknickt. Unsere Programme werden nahezu unverändert weitergeführt und weiter geöffnet, um allen unseren Mitarbeitern gerecht zu werden.“

Diversität, Chancengleichheit und eine inklusive Kultur seien nach wie vor „zentrale Ziele der SAP“. Sowohl Koch als auch Kehrer glauben, dass viele Unternehmen ihre DEI-Programme nur auf dem Papier streichen, intern aber daran festhalten. So hätten es viele ungarische Unternehmen gemacht, nachdem die Regierung von Victor Orbán queerfeindliche Gesetze erlassen hat. Das zeigt auch eine Umfrage der Arbeitgebendeninitiative „Charta der Vielfalt“, laut der rund drei Viertel der US-Unternehmen ihre DEI-Politik nicht verändert hätten. In Deutschland sind es sogar 90 Prozent. Kehrer findet diese Strategie in Ordnung, „solange Gelder und Inhalte nicht gekürzt werden und intern ein Safer Space erhalten bleibt“. Weniger Pinkwashing, mehr Belonging.

Queeren Jobsuchenden rät Kehrer, zu recherchieren, ob es queere Beschäftigten-Netzwerke gibt, Kontakt mit Mitarbeitenden aufzunehmen oder das Thema spätestens im Bewerbungsgespräch anzusprechen. Der Gefahr, dass DEI-Programme in Deutschland abgeschafft werden könnten, wenn die Bundesregierung weiter nach rechts rückt, ließe sich am besten damit begegnen, den Artikel 3 des Grundgesetzes um sexuelle Orientierung und Identität zu erweitern, meint Kehrer. „Denn das Grundgesetz lässt sich nicht so leicht ändern.“

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