Neues Gesetz

Ungarn: Regenbogenfamilien sollen denunziert werden

19. Apr. 2023 pb/as

In Ungarn wurde ein neues Gesetz verabschiedet, mit dem Regenbogenfamilien anonym bei den staatlichen Behörden denunziert werden können. Die ungarische Staatspräsidentin hat nun überraschend ein Veto eingelegt

Die ungarische Nationalversammlung hat am 11. April ein weiteres Anti-LGBTIQ*-Gesetz verabschiedet, das Bürger*innen erlaubt, gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern anonym bei den lokalen Behörden zu melden.

Das vom ungarischen Vizepremierminister Zsolt Semjén im Februar 2023 vorgeschlagene Gesetz soll bewirken, dass Regenbogenfamilien wegen Verstoßes gegen die „verfassungsmäßig anerkannte Rolle von Ehe und Familie“ gemaßregelt werden. Mit welchen strafrechtlichen Mitteln gegen Regenbogenfamilien vorgegangen wird, ist darin nicht geregelt. Das Gesetz ist noch nicht in Kraft getreten. Ungarns Staatspräsidentin Katalin Novak hatte überraschend ihr Veto eingelegt, wie am 21. April bekannt wurde.

Das Gesetz sollte angeblich eine EU-Richtlinie umsetzen, nach der sogenannte Whistleblower (also Personen, die anonym Hinweise geben) in Unternehmen und Betrieben geschützt werden. In diesem Fall werden aber auch Personen geschützt, die Anzeige gegen queere Menschen mit Kindern erstatten.

Als Begründung für ihr Veto schrieb Novak in einem Brief ans ungarische Parlament, dass der Gesetzestext nicht im Einklang mit den EU-Rechtsnormen stehe. Novak gehört ebenfalls der rechtspopulistischen Orbán-Partei Fidesz an. Es war das erste Mal, dass ein Staatsoberhaupt in der Amtszeit Orbáns ein Veto gegen ein Gesetz eingelegt hatte. Allerdings bedeutet der Einspruch nur, dass das Gesetz im Parlament neu verhandelt werden muss. Es kann dann in unveränderter Form wieder beschlossen werden, ohne dass die Präsidentin ein erneutes Vetorecht hätte.

Der Gesetzentwurf soll die ungarische Verfassung schützen, in der die Ehe als eine Institution „zwischen einem Mann und einer Frau“ definiert ist.

Er nimmt außerdem diejenigen Eltern ins Visier, die „das Recht des Kindes auf eine dem Geburtsgeschlecht entsprechende Identität“ in Frage stellen. Das bedeutet also, dass auch heterosexuelle Eltern, die ihre trans* Kinder unterstützen, gemaßregelt werden können.

„Genau wie das Anti-LGBTIQ*-Propaganda-Gesetz ist auch dieses neue Gesetz eine Kopie der russischen Gesetzgebung.“

LGBTI Intergroup: Gesetz darf nicht in Kraft treten

Die LGBTI Intergroup des Europäischen Parlaments, die sich für queere Rechte innerhalb der EU einsetzt, fordert die ungarische Regierung auf, das Gesetz nicht in Kraft treten zu lassen. „Jede Familie hat das Recht auf ein privates Leben und wir werden weiterhin für dieses grundlegende Recht kämpfen,“ sagte der Ko-Vorsitzende Marc Engel. Mit dem Gesetz werde außerdem „jeder Bürger zum Komplizen in der Überwachung von Leben und Beziehungen,“ merkte Kim Van Sparrentak an, die ebenfalls Ko-Vorsitzende der LGBTI Intergroup ist.

Die in Brüssel ansässige LGBTIQ-Organisation Forbidden Colors betonte, dass das Gesetz nach russischem Vorbild gestrickt sei. Orban habe Moskau über Brüssel gestellt: „Genau wie das Anti-LGBTIQ*-Propaganda-Gesetz ist auch dieses neue Gesetz eine Kopie der russischen Gesetzgebung. Viktor Orbán setzt das vom Kreml vorgegebene Drehbuch vollständig um, um LGBTIQ*-Communities zu Sündenböcken zu machen. Er ist eine Gefahr für die Sicherheit, die Demokratie und die Menschenrechte in Europa.“

Wie am 24. April bekannt wurde, haben mehrere Fraktionen im Europaparlament in einem gemeinsamen Brief die EU-Kommission dazu aufgerufen, gegen das queerfeindliche Gesetz vorzugehen.

EU-Verfahren gegen queerfeindliches Gesetz

Ungarn hatte unter der seit 2010 währenden Amtszeit Orbáns immer wieder Gesetze erlassen, die auf aggressive Weise gegen LGBTIQ* vorgehen. 15 Länder der Europäischen Union hatten sich im April dem EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen das ungarische Anti-LGBTIQ*-Gesetz von 2021 angeschlossen. Darunter waren Frankreich, Österreich und Deutschland.

Das im Juni 2021 in Kraft getretene Gesetz verbietet es, in Ungarn Minderjährige über LGBTIQ*-Inhalte zu informieren oder sie mit der Darstellung queerer Menschen zu konfrontieren. Die deutsche Regierung war unter anderem vom Lesben- und Schwulenverband (LSVD) dafür kritisiert worden, dass sie sich erst kurz vor Ablauf der entsprechenden Frist am 6. April dazu durchringen konnte, sich der Klage vor dem Europäischen Gerichtshof anzuschließen.

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