Personenstandsgesetz

Vorwurf an Seehofer: „Unverfrorene Gleichgültigkeit“ gegenüber trans* und inter* Personen

31. Jan. 2020 fs
Jens Brandenburg © Deutscher Bundestag / Achim Melde

Kritik am Innenministerium kommt nun auch aus der FDP: die Bundesregierung ignoriere das eigene Rechtsgutachten, das Grundrechtsverletzungen im Umgang mit trans* und inter* Personen feststellt

Der Umgang des Innenministeriums mit dem neuen Personenstandsgesetz sorgt weiter für Kritik. Von einer „unverfrorenen Gleichgültigkeit gegenüber trans- und intergeschlechtlichen Menschen“ sprach in diesem Zusammenhang heute der queerpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Jens Brandenburg.

Hintergrund: Seit Ende Dezember 2018 gibt es die neue Option „divers“ für den Geschlechtseintrag. Zugleich wurde ein Verfahren im Personenstandsgesetz (§45b PStG) eingeführt, mit dem man auf relativ einfachem Wege den eigenen Geschlechtseintrag sowohl in „divers“, als auch in „männlich“ oder „weiblich“ ändern oder ihn ganz streichen lassen kann. Obwohl das Gesetz laut Bundesinnenministerium (BMI) nur für inter* Personen gedacht war, konnten in der Praxis auch trans* oder nicht-binäre Personen das neue Verfahren nutzen.

Dies versuchte das BMI allerdings mit fragwürdigen Maßnahmen zu unterbinden – unter anderem schickte es im April 2019 ein Rundschreiben mit „Anwendungshinweisen“ zum Gesetz an Standesämter. (SIEGESSÄULE berichtete)

Anfang Dezember wurde nun ein vom Familienministerium beauftragtes Rechtsgutachten zum Personenstandsgesetz veröffentlicht. Das Vorgehen des CSU-geführten Innenministeriums wird darin als „rechtsstaatlich kritikwürdige Einschüchterung“ bezeichnet. (SIEGESSÄULE berichtete)

In einer Schriftlichen Einzelfrage hatte Jens Brandenburg die Bundesregierung nun gefragt, wie sie das Gutachten bewertet und welche Konsequenzen sie daraus zieht. Die Bundesregierung teilte daraufhin lediglich mit, das Rechtsgutachten gebe „die Auffassung der Autor*innen wieder“. Über die konkrete Auslegung des Gesetzes würden die Gerichte entscheiden. Dies deckt sich mit der Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage von SIEGESSÄULE vom 17. Januar.

„Warum gibt die Bundesregierung ein Gutachten in Auftrag, wenn ihr das Ergebnis ohnehin egal ist? Das eigene Rechtsgutachten wirft der Bundesregierung Grundrechtsverletzungen vor und sie duckt sich einfach weg,“ kritisiert Jens Brandenburg in einer heutigen Pressemitteilung. Die Bundesregierung ziehe aus dem Gutachten, das das Vorgehen des BMI als verfassungswidrig einstuft, augenscheinlich keine Konsequenzen.

Die Unsicherheit im Umgang mit dem neuen Gesetz habe der Innenminister Horst Seehofer mit Falschinformationen noch verschärft. „Vermeintliche ‚Einzelfälle‘ waren ihm offenbar Anlass genug, den Standesämtern einschüchternde Anwendungshinweise vorzuschreiben. Der lapidare Verweis auf Gerichte hilft den Betroffenen, Ärzten und Standesbeamten jetzt nicht weiter.“

Das „verfassungswidrige Rundschreiben“ vom letzten April müsse das Ministerium nun „schleunigst korrigieren“, so Jens Brandenburg. Auf längere Sicht brauche es eine neue Regelung, mit der eine Änderung des Geschlechtseintrags ganz einfach durch Selbstauskunft beim Standesamt möglich wird – „ohne gängelnde Gutachten, Atteste und Gerichtsverfahren“. 

Ein solches Gesetz, das auf Selbstbestimmung beruht, fordern Fach- und Communityverbände schon seit Langem. Damit könnte auch das völlig veraltete und zum Teil verfassungswidrige „Transsexuellengesetz“ von 1981 endlich abgeschafft werden.

Bereits seit 2017 liegt ein entsprechender Gesetzesentwurf der Grünen-Fraktion vor. Auch die FDP wolle nun einen eigenen Entwurf in den Bundestag einbringen.

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