Kommentar

Was deutsche Politik von Zohran Mamdani lernen kann

21. Nov. 2025 Elira Halili
Bild: Picture Alliance / Yuki Iwamura
Zohran Mamdani hält seine Siegesrede am Abend der Bürgermeisterwahl am 4. November, in New York

Zohran Mamdani ist nicht nur Social-Media-Superstar, sondern auch frisch gewählter Bürgermeister der Metropole New York City. Seine bürgernahe Wahlkampagne fokussierte sich vor allem auf eines: Hoffnung auf eine bessere Politik. Davon sollten deutsche Politiker*innen lernen, kommentiert SIEGESSÄULE-Autorin Elira Halili

Stellt euch vor, der Bürgermeister Berlins würde nicht nur unsere Bedürfnisse thematisieren und klare Ziele dafür setzen, sondern mit seinem sympathischen Auftreten die ganze Welt im Sturm erobern. Klingt unvorstellbar? Ist es bei Kai Wegner wahrscheinlich auch. Doch nun zeigt jemand, dass es tatsächlich möglich ist: Zohran Mamdani wurde zum ersten muslimischen Bürgermeister von New York City gewählt und erweckte international Hoffnung auf eine bessere politische Zukunft.

Migrantisch, authentisch und links

Der 34-jährige sozialistische Demokrat bringt einen Lichtblick für viele, die längst Vertrauen in Politiker*innen verloren haben. Auf Social Media sind gerade alle mit ihm obsessed, denn er ist migrantisch, authentisch und links. Etwas, das besonders junge, queere Menschen schmerzlich vermissen. Mamdani macht sich besonders auf sozialen Plattformen beliebt. Er erzählt, dass er seine Frau Rama Duwaji auf Hinge kennenlernte, spricht offen darüber, wie er zur Therapie ging, hat ein ansteckendes Grinsen und versteht mit seiner charismatischen Art auch politisch Uninteressierte für sich zu gewinnen.

Er ist also ein ganz normaler Mensch – allein das unterscheidet ihn von vielen Politiker*innen, die durch ihr privilegiertes Leben oft jeden Bezug zur Realität verloren haben.

Abgesehen davon, dass er es geschafft hat, tatsächlich Liebe auf Dating-Apps zu finden, ist er also ein ganz normaler Mensch. Allein das unterscheidet ihn von vielen Politiker*innen, die durch ihr privilegiertes Leben oft jeden Bezug zur Realität verloren haben. Das spiegelt sich in seiner Kampagne wider: Er setzte sich für einen Mietpreisdeckel, kostenlose Busse und Kinderbetreuung ein, also genau das, was armutsbetroffene New Yorker*innen brauchen. Und dazu erklärte er direkt, wie er das finanzieren möchte: tax the rich.

Hier zeigt sich der Gegensatz zu rechtspopulistischer Politik, die wir in den USA, aber auch in Deutschland, immer stärker sehen: Seine Ziele und Strategien sind fundiert. Rechte Politiker*innen dagegen punkten mit Scheinlösungen. Spoiler: „Ausländer raus“ macht die Mieten auch nicht niedriger. Mamdani instrumentalisiert die Ängste und Sorgen der Wähler*innen nicht für menschenfeindliche Politik, sondern schlägt echte Lösungen vor.

New York als LGBTIQ*-Sanctuary

Außerdem spricht er nicht über die Communitys, sondern mit ihnen. Beispielsweise sprach er in einer Gay Bar über die Gefahren denen trans Personen in den USA ausgesetzt sind. Im Mai kündigte er einen Plan zum Schutz der Rechte queerer New Yorker*innen an. Dieser umfasst die Ausweitung geschlechtsaffirmierender Gesundheitsversorgung, Investitionen von 65 Millionen Dollar, die Erklärung New Yorks zur „LGBTQIA+-Sanctuary City“ sowie die Schaffung eines „Office of LGBTQIA+ Affairs“.

Ebenso scheut er sich nicht vor klaren Standpunkten: Bei der TV-Debatte zur Bürgermeisterwahl sprach er an, wie der Konkurrent und ehemalige Gouverneur Andrew Cuomo von seinem Amt zurücktreten musste, nachdem ihm dreizehn Frauen sexuelle Belästigung vorgeworfen hatten. Doch stellt er sich dabei nicht als Held dar, ganz nach dem Motto „performative male", sondern nutzt seine Position als Mann, um Täter klar zu benennen.

Statt vage zu bleiben, um alle und damit niemanden anzusprechen, spricht er gezielt diejenigen an, für die er tatsächlich Politik macht.

Seine politische Ausrichtung ist authentisch und nicht nur für einen Wahlkampf aufgesetzt. So sprach er sich klar gegen Netanjahus Genozid in Gaza aus und war bereits zu Uni-Zeiten in linken Bewegungen tätig. Andere deutsche Politiker*innen zögern bis heute klare Stellung zu beziehen, um ja keine Zustimmung zu verlieren. Und genau das ist es: Statt vage zu bleiben, um alle und damit niemanden anzusprechen, spricht er gezielt diejenigen an, für die er tatsächlich Politik macht.

International wünschen sich alle ihren eigenen Zohran. Unter seinen Videos wird ständig kommentiert: „Mein Bürgermeister! (Ich lebe nicht in New York)“. Jedoch verfolgen in den letzten Jahren viele demokratische Parteien in Deutschland immer wieder dasselbe erfolglose Muster: Sie kopieren rechte Politik und hoffen, damit rechte Wähler*innen abzuwerben, was nicht funktioniert. Menschen wählen eher das originale Rechts, und die Normalisierung rechter Politik macht das Leben marginalisierter Gruppen gefährlicher.

Politische Hoffnung statt Polarisierung

In einer Welt, in der Menschen politisch erstarren, bringt Mamdanis Positivität frischen Wind. Davon sollten deutsche Parteien lernen. Während Mamdani eine Rede darüber hält, wie New York von Migrant*innen aufgebaut wurde und ihnen bis heute gehört, spricht Friedrich Merz davon, wie migrantische Männer das Stadtbild zerstören würden, eine Aussage, die eher aus dem Repertoire der AfD stammen könnte.

Rechte Parteien gewinnen Macht, indem sie Ängste schüren. Mamdani beweist, linke und liberale Parteien können aber erfolgreicher sein, wenn sie Ängste sehen und Lösungen sowie Hoffnung bieten. In Deutschland hat die Linke bei der letzten Bundestagswahl bereits gezeigt, wie effektiv wählernahe Kampagnen sind. Parteien wie die SPD sollten also lieber wieder das Wort „sozial“ in ihrem Namen ernst nehmen, und die Grünen sich mit Klimawandel beschäftigen statt mit Militarisierung. Denn demokratische Parteien sollten authentische Politik machen und nicht dieselbe konservative Pampe wie alle anderen servieren.

Die größte Gefahr für kapitalistische und faschistische Strukturen ist Hoffnung, und nur durch Hoffnung entsteht die Motivation, politisch aktiv zu werden.

So sehr wir alle Zohran Mamdani feiern: Er ist halt eben nicht “mein Mayor”. Berliner*innen müssen Ansprüche stellen, sich mit den Bürgermeister*innen- und Kommunalwahlen im nächsten Jahr beschäftigen und darauf achten, wer ihre Interessen wirklich vertritt. Und Politiker*innen müssen genau diese repräsentieren. Gerade sehen wir die Diskrepanz: Wir wollen keine Autobahn – wir wollen bezahlbaren Wohnraum. In solch einem Klima zeigt eine Person wie Mamdani: Die größte Gefahr für kapitalistische und faschistische Strukturen ist Hoffnung, und nur durch Hoffnung entsteht die Motivation, politisch aktiv zu werden.

Zur Autorin: Elira Halili beschäftigte sich in ihrem Bachelorstudium u.a. mit dem Einfluss sozialer Medien auf Identitätspolitik. Sie studiert derzeit im Master Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der UdK und ist im Bereich Social Media und Öffentlichkeitsarbeit bei der NGO Lobby Control tätig.

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