Weihnachtstragödie: Was bedeutet es, bei Familienfesten eine gehörnte Stute zu sein?
Das Einhorn, ursprünglich Symbol für sexuelle Reinheit, ist zum Maskottchen der LGBTIQ*-Szene geworden. Erschöpft vom queeren Glitzerkitsch und Heterohöllen der Adventszeit ist es davongaloppiert. Höchste Zeit, der gehörnten Stute ihre Würde zurückzugeben, findet Patsy l’Amour laLove
Advent, Advent – ein Einhorn brennt. Das allerletzte seiner Art. Die Hoffnung auf etwas anderes, etwas, das schwuler und besser sein würde, ritt davon in den dunklen Märchenwald. Und versank vor Entsetzen in den Sümpfen der Traurigkeit. Zu grotesk muss ihm erschienen sein, wie sich Queers seiner als Symbol bedienten. Gerade das Einhorn, das für Keuschheit steht, soll als Galionsfigur der sexuellen Befreiung herhalten?
Ich habe den Verdacht, das ist geschehen, weil man sich mit so einer infantilen Vorreiterin ein bisschen weniger pervers fühlen kann. Umso wichtiger ist es mir als Hobbyweihnachtsengel, der versunkenen Sehnsucht nach einer schöneren Welt ihre Tragik und dem Einhorn etwas Würde zurückzugeben. Es scheint selbstverständlich heilsam, und es wäre so viel einfacher, wären wir wirklich unbeleckte Regenbogenwesen mit Glitzer im Schweif. Das hätte so einige Weihnachtsfamilienfeste erträglicher gemacht.
Niemand kann allen Ernstes glauben, dass eine Stute mit Erektion auf der Stirn züchtig zu leben pflegt. Oder als Zeichen von Niedlichkeit herhalten will.
Tante Herbert wäre dann eher nicht auf die Idee gekommen, uns mit unnötigen Kommentaren aus der Heterohölle zu übersäen. Und nicht zuletzt hätten sich viele von uns nicht erst hinter einer künstlichen Artigkeit verstecken müssen. Wir sind keine braven Einhörner – und die wiederum sind auch gar nicht keusch. Lasst euch das von mir sagen, Tunten wissen so was! Niemand kann allen Ernstes glauben, dass eine Stute mit Erektion auf der Stirn züchtig zu leben pflegt. Oder als Zeichen von Niedlichkeit herhalten will. Das Einhorn ist bestimmt nicht bloß wegen der heterosexuellen Weihnachtszeit ausgestorben.
Auch den queeren Kuschelkitsch, in den sich so viele Homos unserer Zeit vergaloppiert haben, dürfte es nur mehr unerträglich gefunden haben. Aber das nun gilt ein Stück weit für alle. Den Wunsch nach zuckersüßer Harmonie kann man nur mit genügend Eierlikör aufrechterhalten – Übelkeit inklusive. Noch so viel Glitzerstaub und Einhornpups täuschen nicht darüber hinweg, dass wir unversehens selbst zu Grotesken im bitterbösen Dunkelwald geworden sind.
Statt vom Tanz auf dem Vulkan handelt unser Wintermärchen auch dieses Jahr von versinkenden Träumen. Das Fest der Liebe, ohnehin ein dystopischer Albtraum, hat diesen düsteren Zeiten nichts entgegenzusetzen. Unsere eigentlich so gar nicht keusche Einhornstute, die für Freiheit und Eigensinn hätte stehen können, ergriff die Flucht. Es bleibt nichts, als die alte Schindmähre doch noch mal zu ihrem Recht kommen zu lassen: Ihr letztes lüsternes Wiehern erzählt von einem Traum, der nie Wirklichkeit werden durfte. Von einer Koppel, auf der die Stuten ganz unterschiedlich und auch so gar nicht niedlich sein können …
Es lohnt, daran zu erinnern, was es wirklich bedeutet, bei Familienfesten eine gehörnte Stute zu sein.
Egal, ob Weihnacht oder nicht, es lohnt, daran zu erinnern, was es wirklich bedeutet, bei Familienfesten eine gehörnte Stute zu sein. Und nicht gedankenlos mit der grauen Herde grasen zu können. Oder zumindest, was man besonders als Homo alles beiseiteschieben muss, um sich in farbenfroher Unschuld zu wiegen. Lasst uns das Einhorn beim Schweif nehmen, es aus dem Sumpf ziehen und mit ihm ein paar letzte Runden auf der Weide drehen. Bevor das, worum es eigentlich mal hätte gehen können, nämlich frei zu sein, ganz vergessen ist. Lange dürfte das wohl leider nicht mehr dauern. Frohes Fest!
Folge uns auf Instagram
#Einhorn#Glosse#Kommentar#Weihnachten