40-jähriges Jubiläum

„Wir waren immer aktivistisch“ – Schwules Museum im Gespräch

4. Dez. 2025 Interview: Klaus Sator, Kevin Clarke
Bild: Johannes Aevermann / Archiv SIEGESSÄULE
Andreas Sternweiler, Wolfgang Theis und Manfred Herzer(-Wigglesworth) (v. l. n. r.) 1986 bei der Eröffnung von „Igitt – 90 Jahre Homopresse“

Vor vierzig Jahren wurde in Berlin das Schwule Museum gegründet, das heute als das weltweit bedeutendste Museum zur queeren Geschichte gilt. Wir haben mit dem Gründungsmitglied Wolfgang Theis sowie Birga Meyer und Luan Pertl von der Geschäftsführung zur Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Museums gesprochen

Wolfgang, wenn du zurückblickst, wie vor 40 Jahren das Museum gegründet wurde, was denkst du da? Wolfgang Theis: Das war eine richtige Entscheidung. Wir haben damals die Gunst der Stunde genutzt, die uns die Ausstellung „Eldorado“ im Berlin Museum geboten hat, einen ersten Einblick in die schwule Geschichte zu geben. Unser Gedanke war damit verbunden, dass wir ein Archiv aufbauen. Das Material haben wir dann mühsam zusammengetragen und in Ausstellungen präsentiert.

„Das Schwule Museum ist ohne das Ehrenamt nicht denkbar. Die Ehrenamtlichen tragen das Haus auf vielfältigen Ebenen.“

War euch damals schon klar, wie lange das dauern würde? W.T.: Nein, daran haben wir überhaupt keinen Gedanken verschwendet. Wir haben gemacht. Es war ein Machen, ein Vorantasten von einem Projekt zum nächsten. Es war so eine Kette, so eine Art Lawine, die sich verselbständigt hat.

Wie war die Arbeit in den ersten Jahren organisiert? W.T.: Das war alles ehrenamtlich. Ohne Ehrenamt wäre das gar nicht gegangen.

Bild: Jan Künemund
Die Geschäftsführenden Birga Meyer (li.) und Luan Pertl

In den letzten Jahren hat sich die Arbeit professionalisiert. Welche Rolle spielen Ehrenamtliche heute? Birga Meyer: Das Schwule Museum ist ohne das Ehrenamt nicht denkbar. Die Ehrenamtlichen tragen das Haus auf vielfältigen Ebenen, von der Arbeit im Museumsdienst, über die Bibliothek und das Archiv, bis hin zu der Arbeit im Vorstand.

Wie beurteilt ihr die Professionalisierung der Arbeit des Museums? W.T.: Das Ergebnis unserer Selbstausbeutung war, dass die nachfolgende Generation nicht mehr bereit ist, ehrenamtlich Projekte auf die Beine zu stellen. Das ist sehr schade, denn mit Enthusiasmus lässt sich mehr bewerkstelligen als mit Ausschreibungen. B.M.: Ich glaube nicht, dass Menschen durch die Professionalisierung nicht mehr bereit sind, sich ehrenamtlich zu engagieren. Es ist richtig und wichtig, queere Expertisen auch zu entlohnen. Dadurch kann in queere Ausstellung, Bildung und Archivarbeit mehr Kraft und Zeit investiert werden, als wenn der Lebensunterhalt noch zusätzlich verdient werden muss.

Wolfgang, wie hast du die queerfeministische Öffnung des Museums erlebt, die mit viel Streit einherging? W.T.: Ich war ja immer für Streit. Ich war derjenige im Schwulen Museum, der immer die Lesbenausstellungen gemacht hat. Von daher war mir das recht. Ja, es hat überall geknirscht, weil natürlich sichtbar wurde, dass wir als Museum auch Fehler gemacht haben.

„Jede Öffnung bringt Konflikte mit sich. Es musste neu geklärt werden, was das Schwule Museum ist, für wen es da ist und wie es arbeitet.“

Wie blickt ihr als später zum Museum hinzugestoßene jüngere queere Mitarbeiter*innen auf diese Auseinandersetzungen zurück? B.M.: Jede Öffnung bringt Konflikte mit sich. Es musste neu geklärt werden, was das Schwule Museum ist, für wen es da ist und wie es arbeitet. Dass dies passiert ist, finde ich natürlich gut, denn sonst wäre ich nicht im Schwulen Museum.

Inzwischen hat sich das ursprünglich rein schwule Museum zu einem queeren Museum weiterentwickelt. Wie hat sich das auf die Ausstellungen und die Sammlungsschwerpunkte ausgewirkt? Luan Pertl: Ich würde sagen, die Ausstellungen sind vielfältiger geworden, mehr Menschen der LGBTIQ*-Szene werden mit ihren Lebensrealitäten sichtbar und das ist wunderschön. Unsere Sammlung beginnt sich langsam zu erweitern, so gibt es inzwischen TIN*-Bestände.

Welche Auswirkungen hat diese Neuausrichtung auf die Besucher*innen? L.P.: Ich bin mir nicht sicher, ob wir von einer Neuausrichtung sprechen sollten, sondern einfach davon, dass wir Raum bieten für mehr Sichtbarkeit der größer werdenden LGBTIQ*-Community. Dadurch vergrößert sich auch die Gruppe der Menschen, die ins Museum kommen.

Warum gibt es keine Dauerausstellung zur queeren Geschichte? Wird das von den Besucher*innen nicht vermisst? W.T.: Es war eigentlich immer geplant, dass der erste große Raum eine Dauerausstellung sein sollte. Aus verschiedenen Gründen ist das nie zustande gekommen. B.M.: Natürlich gibt es den Wunsch – nicht nur bei den Besuchenden übrigens. Alle wollen eine Dauerausstellung zur queeren Geschichte. Die schwierigere Frage ist: Was ist in der Ausstellung zu sehen, wer macht sie und wie wird sie entwickelt?

Bild: Leonie Leclair
Wolfgang Theis mit einem Exponat seiner letzten Ausstellung „Anders als die Andern“, 2019

Es gibt schon länger Diskussionen darüber, das Schwule Museum umzubenennen in Queer Museum. Würdet ihr das begrüßen? W.T.: Nein, also „queer“ … Ich glaube, sie warten, bis ich tot bin. B.M.: Ich ganz persönlich mag den Namen. Er verweist auf unsere Geschichte und solange schwul auch noch als Schimpfwort benutzt wird, finde ich es wichtig, das Kämpferische, Selbstbewusste, Aktivistische daran im Namen zu erhalten. Ich würde mir einen Namenszusatz wünschen, in dem das Queersein des Hauses enthalten ist.

„Solange schwul noch als Schimpfwort benutzt wird, finde ich es wichtig, das Kämpferische, Selbstbewusste, Aktivistische daran im Namen zu erhalten.“

Wie würdet ihr es finden, wenn sich das Museum bis zum 100. Jubiläum überflüssig gemacht hätte, weil das Stadtmuseum oder das Deutsche Historische Museum queere Geschichte erzählen? W.T.: Das wäre schön! Es wäre aber auch ein bisschen schade, denn dann wäre es irgendwie abgelegt, eine Episode im Lauf der Geschichte. Wir waren ja auch immer aktivistisch. B.M.: Ich glaube, dass es einen fundamentalen Unterschied macht, ob eine Einrichtung die eigene Geschichte erzählt oder nicht. Dass wir uns selbst repräsentieren macht uns so besonders, macht was wir sagen, relevant. Das können die anderen Museen nicht.

Ausstellung „… und damit fingen dann die Probleme an“ – Die Gründung des Schwulen Museums 1985
07.12.2025 bis März 2026
Mo–Mi, Fr 12:00 18:00
Do 12:00–20:00
Sa 14:00–19:00
So 14:00–18:00
Lützowstraße 73, Tiergarten
schwulesmuseum.de/ausstellung

Transparenzhinweis: Klaus Sator engagiert sich im Schwulen Museum, insbesondere im Zusammenhang mit dem Nachlass des Künstlers John Olday. Kevin Clarke ist ein ehemaliger Mitarbeiter.

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