„Ich will kein Vorbild sein"

– Gestern Abend spielten Against Me im ausverkauften Lido. Sängerin Laura Jane Grace präsentierte mit ihrer Band die neue Platte „Transgender Dysphoria Blues“, auf der sie ihr Coming Out als Trans*frau verarbeitet. Vor zwei Jahren verkündete sie in einem Rolling-Stone-Interview, dass sie sich einer Transition unterziehen wird. Jetzt befindet sie sich zum ersten Mal in ihrer wahren Identität auf Tour. Dass sie sich nach langem Kampf endlich wohl in ihrer Haut fühlt, spürte man auch beim Konzert in Berlin. In guter alter Punkrock-Manier eroberte sie die Bühne und zog das Publikum mit ihrem neu gewonnenen Charisma in den Bann. Siegessäule-Redakteurin Kaey traf die Sängerin vor dem Gig zu einem kleinen Plausch unter Trans*ladys.
Wieso hast du dich schon vor deiner Transition dazu entschlossen, deine Trans*identität öffentlich zu machen?
Ich wollte die Öffentlichkeit darauf vorbereiten. Wenn ich mit der Transition angefangen hätte, ohne es vorher zu kommunizieren, und einfach immer weiblicher in Erscheinung getreten wäre, dann hätte es vermutlich viel eher homo- und transphobe Kommentare gegeben. In der US-Punkszene macht man sich ja schon darüber lustig, wenn jemand zu enge Hosen anhat oder Green Day Eyeliner tragen.
Hat sich nach deiner Transition deine Beziehung zur Punk-Szene verändert. Fühlst du dich mittlerweile auch als ein Teil der LGBT-Community?
Ich begreife mich auch weiterhin als Teil der Punk-Community, obwohl ich mir vor meinem Coming-out nicht sicher war, ob ich wirklich dazugehöre. Denn letztendlich haben die Leute, die mich kannten oder meine Shows gesehen haben, ja nur jemanden wahrgenommen, der ich eigentlich nie war. Seitdem ich aber gemerkt habe, dass so viele Menschen mich als Trans*frau akzeptieren, ist mein Zugehörigkeitsgefühl zur Punk-Szene noch gestiegen. Es ist toll, sich mit der LGBT-Community zu vernetzen, die nur wenig mit Punk am Hut hat. Wenn wir unterwegs sind, ist es sehr leicht, per Twitter und Facebook Kontakt aufzunehmen und neue Leute kennenzulernen. Nur um Hallo zu sagen, kommen sie zu den Konzerten, obwohl sie mit meiner Musik meist nicht so viel anfangen können.
In deinem Song „Transgender Dysphoria Blues“ singst du von einer Trans*frau, die als Frau wahrgenommen werden möchte, aber oft einfach als schwul abgestempelt wird. Passing, also dass die wahre Geschlechtsidentität in der Öffentlichkeit richtig gelesen wird, ist für Trans*menschen ungemein wichtig. Gerade die Stimme ist für Trans*frauen dabei oft ein Problem. Wie gehst du mit dem Thema Passing um?
Es gibt Momente, in denen es problematisch sein kann, wenn das Passing nicht ganz funktioniert: zum Beispiel wenn ich meine Tochter zur Schule bringe oder nachts eine Bar verlasse. Andererseits denk ich mir, ach scheiß aufs Passing. So ist es auch mit meiner eher dunklen Stimme. Seitdem ich auf der Bühne stehe, hat sich meine Stimme beständig verändert – allein vom Rumschreien oder zu viel Rauchen. Dementsprechend habe ich das Gefühl, dass ich das sowieso nicht wirklich kontrollieren kann.
Du hast in vielen Interviews gesagt, dass du kein Vorbild sein willst. Aber ungewollt bist du es doch und du hast eine Tochter, der du sicherlich ein Vorbild sein möchtest.
Ich kann nur immer wieder betonen, dass ich wirklich kein Vorbild sein will. Ich versuche einfach meinen eigenen Weg zu finden, mit meinem Leben klar zu kommen. Und auch Eltern werden dir erzählen, wie schwierig es ist, ein gutes Beispiel für dein Kind zu sein. Denn auch da trifft man falsche Entscheidungen und macht Fehler.
Du hast zehn Jahre lang mit einer Frau zusammengelebt. Mittlerweile seid ihr getrennt. Würdest du dich in deiner Identität als Trans*frau jetzt auch als lesbisch bezeichnen?
Ich weiß es nicht. Oft habe ich allerdings das Gefühl, dass diese Schubladen eher deinem Gegenüber helfen sollen, dich zuzuordnen, als dass sie wirklich etwas mit einem selbst zu tun haben. Ich habe überhaupt nicht das Bedürfnis, meine sexuelle Orientierung in irgendeiner Form zu definieren.
Es klingt so, als hättest du deine Ängste mittlerweile überwunden?
Ich hatte vor meinem Coming-out große Angst. Deshalb habe ich auch so lange gezögert. Aber nachdem ich mich getraut und diese Ängste überwunden habe, fällt es mir nicht mehr schwer, mich neuen Herausforderungen zu stellen.
Interview: Kaey