Bühne

Liebe gegen Hass: „Angst essen Seele auf“ am Gorki Theater

7. Juni 2014
© Thomas Aurin

Es ist eine Liebe, die vom Rassismus zerfressen wird. Emmi, die verwitwete Putzfrau, stellt sich mit diplomatischer Vehemenz gegen die Anfeindungen, denen sie ausgesetzt ist, als sie sich in den 20 Jahre jüngeren Ali verliebt. Unverständnis und Hass schlagen ihr entgegen – von den Nachbarinnen, von ihren Kindern und von den Kolleginnen. Aber auch Alis Umfeld hat etwas gegen diese Liebe: Für seine Kollegen ist Emmi zu alt und nicht attraktiv genug und die Frauen, mit denen er zu tun hat, sind eifersüchtig. Der Regisseur Hakan Savaş Mican bringt nun in einer zurückhaltenden, wohl durchdachten Inszenierung Rainer Werner Fassbinders „Angst essen Seele auf“ auf die Bühne. 40 Jahre nach dem Film bleibt einem beim plumpen Rassismus der damaligen Zeit das Lachen im Halse stecken: Ausländer sind faul, ungewaschen und dumm, und wenn man freundlich zu ihnen sein will, sagt man: „Sie können aber schon gut Deutsch.“ Mican belässt die Handlung in den 70er Jahren und bleibt dicht an Fassbinders Vorlage. Es sind dezente optische Hinweise, ebenso dezente textliche Bezüge und vielmehr die gut dargestellte Starrheit der Figuren, die uns auf eine beklemmende Zeitreise schicken. Es wird klar: Beim Thema Rassismus hat sich nur die Form geändert. Wenn es um Altersdiskriminierung geht, ist eigentlich alles beim Alten geblieben. Das Ensemble überzeugt mit schauspielerischen Höchstleistungen. Die Figuren bewegen sich in einem schlichten Bühnenbild, von dem sie sich mit unaufgeregter Präsenz abheben. Ruth Reinecke brilliert als bedingungslos liebende Emmi, die es zwar allen recht machen möchte, sich aber dennoch nicht einschränken lässt. Taner Şahintürk bewegt sich als Ali überzeugend zwischen Zuneigung und Aggression, ohne sich auf Macho-Klischees berufen zu müssen. Eingerahmt werden sie von einem stimmigen Ensemble, und der großartige Daniel Kahn sorgt für musikalische Untermalung. Eine unbedingt sehenswerte Produktion.

Christina Reinthal

„Angst essen Seele auf“, 07., 11., 19.6., 01.07., 19:30, Maxim Gorki Theater

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