KUNST

Homo-Propaganda aus der Flasche

21. Sept. 2015

21.09. – Wie viele Veranstaltungen in Berlin begann auch die Vernissage von Q-Water am 17. September mit einiger Verspätung. Während sich die Bar füllte, war Künstler Nikita Zhukovskiy (*1982) noch mit der Hängung beschäftigt. Das passte gut, versteht er seine Installation doch als Work in progress, an der das Publikum nun live teilhaben konnte. Q-Water ist ein Energydrink, den nur volljährige Personen erwerben dürfen, denn der Konsum macht queer. Ob Q nun für Queer, Cure oder Aqua steht, lässt der Künstler offen. Zhukovskiy, der in Moskau Kunst studierte, will mit seinem Werk auf den argumentativen Nonsens des russischen Gesetzes gegen „Homo-Propaganda“ hinweisen, das Homosexualität als Lifestyle darstellt, den man bewusst wählt. „Es ist immer leicht, einen Sündenbock für verfehlte Politik zu finden, und in Russland sind das gerade Schwule und Lesben“, so Zhukovskiy. Bei seinen letzten Besuchen in Moskau spürte er eine verschärfte Ablehnung queerer Lebensweisen.

Die Idee, dass Homosexuelle durch Produkte (Filme, Bücher, Kleidung) die Gesellschaft infiltrieren, ist nicht neu. In den USA ging man seit den 1930ern gegen die „Homintern“ vor, was in den 1950ern in der „lavender scare“ gipfelte. Großbritannien verabschiedete unter Thatcher den Clause 28, in dessen Folge z.B. Bücher schwuler Autoren aus den Bibliotheken verbannt wurden. Zhukovskiy stellt seine Arbeit in den Kontext gesetzlicher Verfolgung und erprobt sie auch dort, wo derartige Gesetze nicht existieren. Funktioniert die Installation auch ohne institutionell verankerte Homophobie? In Russland waren die Reaktionen auf Q-Water teils stark negativ: „Viele Leute hatten Angst, das zu trinken. Und obwohl es nur Wasser ist, wurde mir gesagt, dass es scheußlich schmeckt“, erinnert sich der Künstler. Ob er für Berlin ähnliche Reaktionen erwarte? „Nein, aber hier ist es interessant, das in einer queeren Bar zu machen, wo man tatsächlich Drinks kaufen kann. Die Konsumierbarkeit queeren Lifestyles zeigt sich hier viel besser.“

In Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ ist der Protagonistin der Weg in den paradiesischen Garten versperrt. Alice ist zu groß, um durch die Tür zu gelangen. Nur wenn sie einen bestimmten Trank zu sich nimmt, schrumpft sie und kann die schöne Welt auf der anderen Seite der Tür betreten. Nikita Zhukovskiys Installation Q-Water bedient sich dieser Metapher und öffnet die Tür zu einer queeren Welt. Q-Water ist noch bis zum 30. September 2015 in the CLUB in der Biebricher Str. 14 in Neukölln zu sehen.

Ronny Matthes

Q-Water, bis 30.09., The CLUB

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