Berliner Senat will Moskau nicht erneut für das geplante Anti-Homosexualitäts-Gesetz kritisieren

„Fassungslos“ ist die queerpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus Anja Kofbinger nach der Plenarsitzung von Donnerstag. Gemeinsam mit Die Linke und Piratenpartei hatten Bündnis90/Die Grünen einen Antrag eingebracht, in dem das Abgeordnetenhaus sich mit den lesbischen, schwulen, bisexuellen und transgender Moskauer_innen solidarisch erklärte. Bürgermeister Klaus Wowereit sollte dies auch in einem Brief an seinen Moskauer Amtskollegen ausdrücken und damit das in Russland geplante Gesetz zum Verbot von „Homo-Propaganda“ kritisieren, das jegliche positive Äußerung über Homosexualität unter Strafe stellen würde (Siegessäule berichtete hier). „Berlin ist in der Pflicht, insbesondere in Moskau darauf hinzuweisen, dass dieses Gesetzesvorhaben gegen grundlegende Menschenrechte verstößt“, begründete Andreas Baum von der Piratenpartei die Vorlage in der Sitzung.
SPD fordert „Taktgefühl und Fingerspitzengefühl in der Diplomatie“
Doch die Regierungsparteien SPD und CDU lehnten den Antrag ab. Tom Schreiber von der SPD forderte „Taktgefühl und Fingerspitzengefühl in der Diplomatie“, um die Moskauer nicht zu verstimmen und weiter im Dialog mit der Partnerstadt bleiben zu können. Er kritisierte die Opposition: Es ginge nur vordergründig um Menschenrechte, eigentlich aber darum, SPD und CDU schlecht aussehen zu lassen – weil der Bundestagswahlkampf ansteht. Auch Hildegard Bentele von der CDU wies die Vorlage zurück und verlangte andere Prioritäten: Außenpolitik sei Sache des Bundes, und Berlin setze sich schon mehr für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender ein, als es andere Bundesländer täten. „Das Thema wird angesprochen. Es ist wirklich genug.“
Anderswo geht das allerdings, kritisieren nun die queerpolitischen Sprecher_innen der Grünen-Fraktion Anja Kofbinger und Thomas Birk in einer Pressemitteilung: Die Bezirke Spandau und Lichtenberg hätten ähnliche Anträge zu ihren Partnerstädten Wolgograd und Kaliningrad angenommen, ebenso Hamburg. Zuvor hatten die Hirschfeld-Eddy-Stiftung und die russisch-deutsche Organisation Quarteera alle deutschen Gemeinden und Regionen mit russischen Partnerstädten aufgefordert, bei ihren Partnern gegen den Gesetzentwurf zu protestieren.
Malte Göbel