Kultur

Aus für das Corbo: Kleinkunstbühne muss schließen

22. Sept. 2015
Yvonne Fendel (l.) und Lisa Zenner betreiben seit 2010 das Corbo in Alt-Treptow und stehen immer wieder auch selbst auf der Bühne

Seit fünf Jahren betreiben Lisa Zenner und ihre Partnerin Yvonne Fendel das Corbo, dass schnell zu einer gefragten Kleinkunstbühne wurde. Nun will der Vermieter aber einen reinen Café-Betrieb in der Location haben und hat gekündigt. Wir sprachen mit Lisa über ihr Projekt des Herzens

Lisa, du betreibst mit deiner Lebensgefährtin das Corbo. Was genau ist das eigentlich? Wir haben die Idee einer Kleinkunstbühne, wie es sie in Berlin vor allem in den 20er/30er Jahren gab, weiterentwickelt und professionalisiert: ein Raum mit Bühne und Bar, alles hautnah am Publikum und doch mit perfektem Ton und Licht, weg vom Image der schummrigen Kleinkunst-Kaschemme. Solch eine Bühne haben wir uns oft gewünscht, wenn wir selbst aufgetreten sind. Gleichzeitig sollen die Künstlerinnen und Künstler alles vorfinden, was sie brauchen, inklusive großer Garderobe, um sich vor dem Auftritt zurückziehen und konzentrieren zu können. Uns war am Anfang nicht so bewusst, dass wir damit in eine Nische treten in Berlin, die trotz der vielen Bühnen so noch nicht vorhanden ist: das Bindeglied zwischen den großen, bekannten Bühnen und den kleineren „Probierbühnen“. Alles ist darauf ausgerichtet, dass der Künstler sich bestmöglich präsentieren kann, es herrscht eine konzertante Atmosphäre, ohne Ablenkung durch Bargeräusche oder Ähnliches. Unsere Leidenschaft war schon immer Chanson und Kabarett und so sieht daher auch das Programm aus, das im Corbo stattfindet. Ein ganz wichtiger Punkt dabei ist, dass wir Künstler suchen, die Eigenes präsentieren, also keine Interpretationen von Bekanntem. So wurde unsere Bühne des Öfteren als „Entdeckerbühne“ bezeichnet. Das heutige deutsche  Chanson ist so vielseitig und leider in den Medien unterrepräsentiert, daher braucht das Publikum einen Ort, um diese Künstler entdecken zu können und Berlin einen Ort, an dem sie sich präsentieren können.

Wie lange gibt es das Corbo schon? Das Corbo wurde im September 2010 eröffnet.

Warum war es wichtig, das Corbo genau so zu führen und zu gestalten? Wir haben uns bei allem von unserer Leidenschaft lenken lassen und suchen danach auch die Künstlerinnen und Künstler aus. Wir erhalten sehr viele Bewerbungen und suchen uns diejenigen aus, wo wir schon bei einem kurzen Auszug aus dem Programm, den wir per Mail erhalten, spüren: Hier passiert was, jemand hat einen eigenen Stil, etwas zu sagen, eine besondere Art. Es entsteht ein Universum und man wird hineingezogen in eine andere Welt. Wir stehen selber lang genug auf der Bühne, um zu wissen, was man auf der Bühne braucht, um gut sein zu können, wie die Voraussetzungen sein sollten. Uns fasziniert es, die Trüffel der Kleinkunst auszubuddeln und nach den Perlen zu tauchen. Das ist etwas mühsamer als die bereits bekannten Künstler immer wieder auftreten zu lassen, aber es ist unsere Passion ... und anscheinend eine Seltenheit in Berlin, zumindest was das Chanson angeht. Chanson hat bei vielen eine angestaubtes Image, das wollten wir ändern. Und da es kein anderer mehr macht (auch der Senat fördert ja seit ein paar Jahren das Chansonfest Berlin nicht mehr), haben wir diese Lücke geschlossen!

Statt Eigentumswohnung, haben wir das Corbo aufgemacht. Man muss sich seine Träume erfüllen ...

Nun droht euch die Schließung. Warum? Unser Vertrag ist – wie jeder gewerbliche Vertrag – zeitlich befristet auf zweimal drei Jahre. Das sechste Jahr läuft im August 2016 ab und unser Vermieter, der in Hamburg sitzt, hat beschlossen, dass er nun im Corbo lieber ein Restaurant/Café haben möchte. Unser eigenes Konzept für die Nutzung des Raumes sah ebenfalls ein Café und die Bühne vor. Das Café haben wir bereits im August 2010 eröffnet. Wir erhofften uns durch unser Präsenz vor Ort tagsüber auch Aufmerksamkeit für unsere Bühne. Das hat leider nicht funktioniert, da es dort nach wir vor einfach kein Laufpublikum gibt. Diese Ecke von Alt-Treptow ist für die meisten Berliner ein schwarzes Loch: unbekannt. Das Gebäude selbst ist eine ehemalige Maschinenfabrik, die viele Büros beherbergt. Diese sind jedoch selbst mit Küchen ausgestattet, weshalb von dort auch kaum Kundschaft ins Corbo-Café kam. Den Cafébetrieb haben wir dann nach ein paar Monaten eingestellt und uns ausschließlich auf die Kleinkunstbühne konzentriert. Der Vermieter beharrt nach wie vor auf seinem Konzept. Er verwaltet diese „Mieteinheit“ aus dem fernen Hamburg und interessiert sich überhaupt nicht für das, was wir machen. Die Schließung „droht“ daher nicht, sondern ist beschlossenen Sache.

Können eure Fans etwas tun, um die Schließung zu verhindern? Verhindern kann man es nicht mehr, ABER es ist wichtig, dass das Publikum zahlreich in unsere Veranstaltungen strömt, damit wir mit dieser letzten Saison fulminant und entspannt das CORBO-Projekt abschließen können. Wir brauchen diese Unterstützung: kommen, kommen, kommen ... Wir haben von Anfang an, dieses Projekt jahrelang geplant, dafür geschuftet, alles selbst finanziert. Statt Eigentumswohnung, haben wir das Corbo aufgemacht. Man muss sich seine Träume erfüllen, um nicht mit 90 da zu sitzen und zu erzählen, was man alles machen wollte. We didi it! Wir brauchen das Publikum, denn damit zeigen wir, dass wir eine wichtige Größe in der Berliner Bühnenlandschaft sind.

Was werden wir bis dahin noch bei euch erleben können? Es gibt noch knapp 60 Veranstaltungen (Chanson und Kabarett) bis Ende April 2016. Danach (der Vertrag geht ja noch bis Ende August 2016) möchten wir das Corbo für Veranstaltungen vermieten (privat oder Firmen), damit wir dann noch ausreichend Zeit haben, die Übergabe zu organisieren. Auch das Schließen einer Bühne ist aufwendig! Wer also bei uns feiern möchte, ist willkommen! Wir hatten seit Bestehen der Bühne schon einige geschlossene Gesellschaften bei uns zu Gast, ob Geburtstage, Hochzeiten oder Firmenfeiern ...  Zwei Festivals möchte ich noch besonders hervorheben: Das Chansonfest Berlin feiert 20 Jahre vom 22. bis 24. Oktober und das Festival de la Chanson Française vom 19. bis 21. November.

Was macht ihr, wenn das Corbo schließt? Werden wir wirklich auf eure tolle Arbeit verzichten müssen? Wir planen im Moment nicht, einen neuen Ort für unsere Bühne zu suchen. Wir haben keine Energie, das alles erneut von vorne zu machen. Aber wir sind natürlich nach wie vor in Berlin und es wird sich zeigen, ob sich Gelegenheit bietet, unsere Leidenschaft und unser Know-how unter die Leute zu bringen. Konkret geplant ist noch nichts. Yvonne Fendel wird wieder mehr Zeit haben, sich auf Ihre Unterrichts- und Regietätigkeit zu konzentrieren. Als ausgebildete Schauspielerin, ist sie auch als Coach, Schauspiellehrerin, Regisseurin eine gefragte Größe. Ich betreibe seit 1998 ein Übersetzungsbüro und bin damit auch gut beschäftigt. Mehr Freizeit kann zudem nicht schaden, denn davon hatten wir die letzten Jahre so gut wie keine. Außerdem stehen wir beide ja auch selbst auf der Bühne. Wir haben dann wieder Zeit, die Fühler auch außerhalb von Berlin auszustrecken.

Interview: Christina Reinthal

Nächste Veranstaltung: Les Cigales Caramels, 25.09., 20:15, Corbo

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