BUCH

Foucaults Erbe: Daniel Defert spricht über sein Buch

27. Okt. 2015
Daniel Defert (links) und Michel Foucault (rechts) Mitte der 70er-Jahre © D.R., Merve Verlag

Aktivismus leicht gemacht. Das wäre ein passender Untertitel für dieses Interviewbuch. Wie mobilisiert man die Massen? Wie schafft man es, Einfluss auf Politik und das gesellschaftliche Denken zu nehmen? Welche Hindernisse erwarten einen? Hürden, Feinde, Gegenspieler? Die Antworten lassen sich aus den Gesprächen mit dem französischen Soziologen Daniel Defert in „Ein politisches Leben“ herauslesen, die zusammengenommen ein packendes Zeitdokument bilden.

Außerhalb der Grande Nation könnte Defert, der 1988 zum Ritter der Ehrenlegion ernannt wurde, eingefleischten Philosophiefans als der Partner von Michel Foucault bekannt sein. Über 25 Jahre waren die beiden ein Paar, bis Foucault 1984 an den Folgen von Aids verstarb. Ein Geschehnis, welches Defert tief erschütterte und ihn dazu brachte, AIDES zu gründen – eine Organisation zur Unterstützung HIV-positiver Menschen, die innerhalb weniger Jahre zur größten ihrer Art in Frankreich wurde und mit ihrer Arbeitsweise weltweit Maßstäbe setzte.

Am Anfang des Bandes steht jedoch die Schilderung der französischen Studentenbewegung der 68er mitsamt ihren diversen Protagonisten im Vordergrund. Das ist etwas mühsam zu lesen, weil viele der Namen in Deutschland eher unbekannt sind und man die zig Fußnoten zum Verständnis benötigt. Spätestens jedoch, wenn es um die Gründung der GIP geht, eine Organisation, die sich in Frankreich für die Rechte von Gefangenen einsetzte und nicht zuletzt Foucaults Buch „Überwachen und Strafen“ ein praktisches Gegenstück gab, nimmt das Buch mehr und mehr an Fahrt auf. Und schließlich Aids: Der Ausbruch der Epidemie, die anfängliche Hilflosigkeit, all die Opfer, Toten, die Stigmata einer hysterischen Gesellschaft. Deferts nahezu nüchterne Beschreibungen der Ereignisse und wie er mit vielen Verbündeten nicht nur Strategien zum Umgang mit der Krankheit suchte, sondern auch fand, formen ein durchweg lesenswertes, universelles und hoch spannendes Panorama einer dramatischen Zeit. Wunderbar wird daran auch deutlich, wie durch Aids Homosexualität notgedrungen aus einer Nische plötzlich in den Fokus der Öffentlichkeit rückte.

rob

Gespräch mit Daniel Defert in Berlin (auf Englisch): „A Political Life” A Conversation with Daniel Defert and Cord Riechelmann, 29.10., 19:30, ICI Berlin

Daniel Defert: „Ein politisches Leben“, Merve Verlag, 240 Seiten, 22 Euro

Das Siegessäule Logo
Das Branchenbuch mit Haltung
Queer. Divers. Überzeugend.