Stigma ANST
– Ende Oktober wurde auf der Mitgliederversammlung der Deutschen Aids-Hilfe (DAH) die Münchner Erklärung verabschiedet. Darin geht es um die Kennzeichnung von HIV-Positiven und Menschen mit Hepatitis B und C mit dem Vermerk ANST für Ansteckungsgefahr in den Datenbanken der Polizei. Wird gegen eine Person ermittelt, landet das Kürzel, sofern der Hinweis eines Arztes oder einer ärztlichen Unter-lage zum Beispiel beim Gesundheitsamt vorliegt, in den Akten. Dort kann es auch weiterhin gespeichert sein, wenn das Verfahren eingestellt oder ein Freispruch erfolgt ist. Sinn dieser Praxis sei es, Beamte vor einer Ansteckung zu schützen.
Die DAH sieht darin aber eine Form der Stigmatisierung und eine Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung und möchte mit der Erklärung entschieden Stellung dagegen beziehen. Die bayrische Polizei hat in ihrem Datenbanksystem immerhin 14.000 Menschen mit dem Warnhinweis gekennzeichnet. In Berlin waren es 2013 dagegen gerade einmal 59 Fälle, 2014 allerdings bereits 111. Auf Anfrage von SIEGESSÄULE bei der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, die die Fachaufsicht über die Berliner Polizei innehat, sind mittlerweile sogar 406 Fälle bekannt. Die Zahl hat sich also seit dem letzten Jahr fast vervierfacht. Die DAH befürchtet, dass ANST zur Ausgrenzung von Menschen mit den genannten Krankheiten beitragen werde, was der HIV-Prävention schade. Die Senatsverwaltung teilt indes die Einschätzung nicht, „dass allein aufgrund der Möglichkeit einer Speicherung in einer Datenbank der Polizei Menschen von einem HIV-Test und von Therapien abgehalten werden“. Eine Diskriminierung im Einzelfall sei allerdings nicht auszuschließen, man gibt aber zu bedenken, dass zur Vergabe des Kürzels immer bestimmte Mindestinformationen wie zum Beispiel eine aktuelle Fahndung und eine konkrete Gefährdungseinschätzung vorliegen müssen. Dadurch sei Willkür ausgeschlossen, zumal die Daten nur einem bestimmten und eingrenzbaren Personenkreis zugänglich seien.
Die DAH sieht darüber hinaus im ANST-Kürzel eine Verunsicherung der MitarbeiterInnen der Polizei: Die Kennzeichnung würde ein hohes Übertragungsrisiko unterstellen, Ängste schüren, obwohl die meisten Menschen mit HIV aufgrund der Behandlung mit modernen Medikamenten das Virus gar nicht weitergeben können. Zugleich erzeuge sie „eine Scheinsicherheit, wenn der Hinweis nicht im Computer steht“. Zu dieser Frage einer möglichen Gefährdung der MitarbeiterInnen der Polizei wollte sich die Berliner Senatsverwaltung gegenüber SIEGESSÄULE allerdings nicht äußern. Indes ist eine Übertragung von HIV oder Hepatitis im Rahmen polizeilicher Tätigkeit sowieso eher unwahrscheinlich. Weder in Bayern noch in Berlin ist bisher ein Fall bekannt geworden, was den Sinn der Praxis umso mehr infrage stellt. Nötige Schutzmaßnahmen sollten ohnehin nicht davon abhängig gemacht werden, ob eine Infektion bereits bekannt ist, sondern immer ergriffen werden, so die DAH.
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