Mehr Licht: Das Weihnachtskonzert des Rundfunkchors Berlin

Im Zentrum des inszenierten Konzerts im Berliner Dom steht die Lichtsymbolik, die sich in vielen Kulturen bei Feiern rund um die Wintersonnenwende findet, wenn mit der längsten Nacht des Jahres die Aussicht auf hellere Tage beginnt. „Die Traditionen haben ja gleiche Ursprünge und Gemeinsamkeiten, aber heute wird leider mehr auf die Unterschiede geachtet“, sagt Jasmina Hadziahmetovic, die diesen Chorabend inszeniert, „wir möchten uns mit dem Bereichernden der verschiedenen Rituale und Traditionen beschäftigen, nicht das Entzweiende betonen.“
Jasmina Hadziahmetovics Regie im Raum des evangelischen Berliner Doms nimmt Elemente der persischen Yalda-Nacht auf, ein altes Ritual zur Wintersonnenwende aus vormuslimischer Zeit, das heute noch viele Muslime in Iran und in den Nachbarländern feiern. Musikalisch umrahmt wird die Inszenierung mit Klängen aus der „Chrysostomos-Liturgie“ von Sergej Rachmaninow, ein Blick der Moderne auf russisch-orthodoxe Riten. „Ein Ritual gibt eine gewisse Geborgenheit, gleichzeitig kann es aber jene abstoßen, die sich nicht in diesem Kreis befinden. Wir wollen einen eigenen Lichter-Altar bauen, mit Weihnachtsgebäck sowie mit Obst und Nüssen, wie dies in der Yalda-Nacht üblich ist, als gemeinsamen Tisch der Traditionen“, verrät Jasmina Hadziahmetovic.
Im Konzert wird auch performativ die Grenze zwischen Sängern und Zuschauern aufgehoben. Jasmina Hadziahmetovic ist selbst in den 90ern mit ihrer Familie vor dem Balkankrieg geflohen. Sie stammt aus Sarajevo, wo vor dem Krieg das friedliche Nebeneinander der Religionen selbstverständlich war, und kommt aus einer muslimischen Familie. Man beging den Ramadan, aber auch das römisch-christliche Weihnachtsfest war nicht fremd, im Januar wurde mit den Orthodoxen gefeiert, und natürlich hatte die Familie auch jüdische Freunde. „Weihnachten ist genau die Gelegenheit, bei der man das Verbindende zeigen kann“, findet die Regisseurin.
In das Bezugssystem verschiedener Traditionen sind Musikstücke und Texte eingefügt, die weitere Farben einbringen und aktuelle Bezüge aufzeigen: Der Komponist Rainer Schnös, der im Rundfunkchor Berlin singt, hat Gedichte von Hafiz vertont und „Lass mein Volk leben“, einen Text des syrischen Malers und Autors Monzer Mazri. Außerdem erklingt das „Fayrfax Carol“ des offen schwulen britischen Gegenwartskomponisten Thomas Adès. Dazu werden Texte von zwei Autoren mit iranischen Wurzeln gelesen, von Navid Kermani, der dieses Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten hat, und vom Dichter SAID, der in seinen „Psalmen“ den Satz „Jeder Fremde ist der Gesandte jenes Landes, wohin er aufgebrochen ist“ geprägt hat. Auch persönliche Berichte von Flüchtenden kommen zur Sprache: Wie ist es etwa, im Irak den Alltag zu bewältigen, ohne zu wissen, ob man abends seine Familie wiedersieht? Und welche Erlebnisse hat ein schwules Paar gemacht, das aus Russland flieht? „Es geht darum, die Menschen kennenzulernen, die zu uns kommen“, sagt Jasmina Hadziahmetovic.
Fürchtet euch nicht! Ein lichter Abend in dunkler Zeit, mit Barbara Kind (Sopran), Joo-hoon Shin (Tenor), Axel Scheidig (Bass), Jürgen Haug (Schauspieler), Susi Wirth (Schauspielerin), Rundfunkchor Berlin, Nicolas Fink (Dirigent), 21./22.12., 20:00, Berliner Dom
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