Refugees welcome!

Seit einem Jahr unterstützt die Berliner Initiative „Flüchtlinge willkommen“ Asylsuchende bei der Suche nach einem WG-Zimmer. Ulrich (50) und Christoph (49) haben sich gemeldet. Seit Mai wohnt Imran* aus Bangladesch bei ihnen. Ein Gespräch in der WG-Küche.
Ulrich, wie habt ihr euren zweiten Mitbewohner gefunden? Ulrich: Im Dezember hat mir ein Mitläufer beim Joggen erzählt, dass der Senat Wohnraum für Flüchtlinge sucht. Ich habe mich dann auf der offiziellen Seite informiert, aber da stand immer nur was von Wohnungen und Wohnungsbaugesellschaften. Mit unserem WG-Zimmer kam ich mir da falsch vor. Beim Recherchieren habe ich dann schnell die Website von „Flüchtlinge willkommen“ entdeckt und eine Mail geschickt.
Was stand drin? Ulrich: Ich habe beschrieben, wer wir sind und wie wir wohnen. Kurze Zeit später hat sich Joanna von MILES bei uns gemeldet. Bei unserem ersten Telefonat hat sie mir erklärt, dass gerade sieben Leute eine neue Bleibe suchen. Sie durfte dann entscheiden, bei wem es am dringlichsten ist. Zwei Bewerber haben sich im Februar bei uns vorgestellt, einer davon war Imran. Im Mai ist er dann eingezogen. Die Anträge haben länger gedauert. Imran bekommt für die Miete einen Zuschuss vom Jobcenter.
Ein Teil der Miete bekommt ihr also vom Jobcenter? Ulrich: Nein, von Imran. Wir haben einen ganz normalen Untermietvertrag mit einer gegenseitigen Kündigungsfrist von sechs Wochen.
Hast du lange überlegt, ob du deine Wohnung mit einem Flüchtling teilen sollst? Ulrich: Nein, überhaupt nicht. Für mich war das ganz normal. Meine beste Schulfreundin stammt aus Bagdad. Sie ist mit ihrer Mutter vor dem Iran-Irak-Krieg nach Deutschland geflohen. Meine Eltern waren beide Lehrer am Internat. Dort gab es einige Flüchtlingskinder, vor allem nach dem Sturz des Schahs im Iran. Ich bin in einem Umfeld aufgewachsen, wo es selbstverständlich war, sich um Kinder mit Schicksalen zu kümmern. Es wurden auch außerhalb der Schule Deutschkurse gegeben.
Gab es vor Imrans Einzug einen offiziellen WG-Beschluss? Ulrich: Nein, aber wir haben schon besprochen, dass und wie wir die Wohnung untervermieten. Ich hatte eher an einen Promotionsstudenten gedacht. Es war jetzt nicht das Ziel, junge Leute um uns zu haben. Christoph: Anfangs fand ich das schon schwierig. Wir sind seit 25 Jahren zusammen und wohnen seit 18 Jahren zusammen. In unseren Abläufen sind wir recht eingefahren. Morgens wird zum Beispiel nicht viel gesprochen, sondern nur Zeitung gelesen – und dann sitzt da plötzlich noch jemand. Da hatte ich schon Schiss vor. Es klappt aber sehr gut. Ulrich: Wir haben so viele Quadratmeter, es gibt Gemeinschaftsbereiche, aber auch genügend Rückzugsmöglichkeiten. Jeder von uns hat seinen eigenen Raum. Christoph: Und Imran hat einen Freund. Das hat die Entscheidung für uns leichter gemacht, weil er seine eigenen Leute und ein gewisses Standing hat. Wir wussten also: Wir laden uns da keine riesige Verantwortung auf.
Was ist euer Tipp für alle, die ihr WG-Zimmer anbieten möchten? Ulrich: Einfach ausprobieren und sehen, ob‘s passt, so wie bei jeder anderen WG auch. Die Unterstützung bei „Flüchtlinge willkommen“ ist jedenfalls gut. Im Sommer gab es ein schönes Treffen in der Geschäftsstelle des Projektes im Wedding. Da kamen sehr unterschiedliche Altberliner und Neuberliner zusammen – auch ein heterosexueller, blonder Mann aus Reinickendorf, der sich gerade von seiner Freundin getrennt und einen schwulen Iraner aufgenommen hatte. Der war völlig erstaunt, wieviel Kosmetik sein neuer Mitbewohner hat. Er hat jetzt auch angefangen Cremes zu nehmen. (lacht) Christoph: Die sexuelle Orientierung war sofort klar, weil sein Mitbewohner einen Früchte-Igel mitgebracht hat. (lacht)
Das klingt sehr queerfriendly. Habt ihr gezielt einen schwulen Mitbewohner gesucht? Ulrich: Nein, wir hätten jeden genommen. Aber in unserer Mail an „Flüchtlinge willkommen“ haben wir geschrieben, dass wir einem Schwulen, einer Lesben oder einem Trans*menschen ein sicheres Umfeld bieten könnten. So war klar: Wenn das passen soll, muss man das berücksichtigen. Ich habe auch durchaus Verständnis, wenn ein afghanischer Familienvater vom Lande nicht gleich bei einer schwulen WG einziehen will.
Interview: Philip Eicker
Das Berliner Projekt fluechtlinge-willkommen.de vermittelt WG-Zimmer an Asylsuchende. In Deutschland sind bisher 231 Vermittlungen zustande gekommen, davon rund 100 in Berlin. Das internationale Netzwerk hat insgesamt über 471 Menschen vermittelt, neben Deutschland in Österreich, Polen und Spanien.
*Name wurde von der Redaktion geändert