Die letzte Vorstellung

17.01. – Im August 2014, nur wenige Monate nach Abschluss der Dreharbeiten in Nashville, hat der an Demenz erkrankte Robin Williams seinem Leben ein Ende gesetzt. „Boulevard“ wurde so zu einer Art Vermächtnis, und für den Zuschauer scheinen die Trauer und Melancholie der Hauptfigur Nolan Mack unweigerlich mit dem tatsächlichen Gemütszustand seines Darstellers Robin Williams zu verschmelzen. Der hat im Laufe seiner Karriere neben Komödiantischem immer wieder solch gebrochene, freudlose Gestalten verkörpert und ihnen Tiefe und Würde verliehen – so etwa in „One Hour Photo“ und „Good Will Hunting“. Auch Regisseur Dito Montiel vertraut in „Boulevard“ ganz dem minimalistischen Spiel und der Ausdruckskraft Williams’, in dessen Gesicht sich die ganze Tragik eines verpassten Lebens widerzuspiegeln scheint.
Der Bankangestellte Nolan ist seit 26 Jahren im selben Job – stets pflichtbewusst, freundlich und unauffällig. Die Beziehung zu seiner Ehefrau Joy (Kathy Baker) ist geprägt von gegenseitiger Liebe und Respekt – und getrennten Schlafzimmern. Erst durch die zufällige Begegnung mit einem Stricher brechen sich seine über Jahrzehnte verdrängten Gefühle Bahn. Dieser Leo (Roberto Aguire) weckt in ihm jedoch weniger sexuelles Begehren als vielmehr eine keusche Sehnsucht nach Nähe zu einem anderen Mann. Ihre Treffen verlaufen daher recht sittlich, doch mit ungleichen Erwartungen. Der eine ist gewohnt, für Geld sexuelle Dienstleistungen zu liefern; der andere will reden, bestenfalls den anderen Körper spüren.
Die Stricherromanze vom edelmütigen Retter eines gefallenen Engels erspart uns Regisseur Montiel glücklicherweise. Nolans väterlich-erotische Gefühle für den drogenabhängigen und in prekären Verhältnissen lebenden Sexarbeiter bleiben unerwidert. Doch der Damm ist gebrochen. In sein altes Leben kann Nolan nicht mehr zurück.
So einfühlend diese Geschichte gespielt und inszeniert ist, so betulich und überraschungsarm kommt sie allerdings auch daher. Abgesehen davon würde man wohl eine von Schuldgefühlen und Selbstverleugnung geprägte Figur eher in einem Provinznest, nicht aber in einer Großstadt der Gegenwart verorten – zumal die Entwicklungsschritte und Reaktionen emotional oft kaum nachvollziehbar sind. Umso höher ist daher die Leistung Robin Williams’ einzuschätzen, der Nolan dennoch zu einer glaubwürdigen und zutiefst menschlichen Figur macht.
Axel Schock
Boulevard, USA 2014, R.: Dito Montiel, mit Robin
Williams, Roberto Aguire, ab 21.01. im Kino
SIEGESSÄULE präsentiert Preview bei MonGay, 18.01., 22:00,
Kino International