Neue Show von Irmgard Knef! Premiere ist am 21.01., Bar jeder Vernunft

Irmgard Knef ist ausgebucht. Für 2016 sind bereits 100 Vorstellungen geplant. Und das sind nur die mit dem neuen Programm, zusätzlich tritt Ulrich Michael Heissig als Kunstfigur und Zwillingsschwester Irmgard Knef noch mit anderen Shows auf, die er im Repertoire hat. Zum Beispiel auf Kreuzfahrten. Begonnen hat alles in den 90er-Jahren im Café Anal, professionell steht Irmgard seit 16 Jahren auf der Bühne. Zum 90. Geburtstag der 2002 verstorbenen Diva Hilde gibt es ein neues Programm, eine „stilistisch-musikalische Hommage“ in „charmant-klappriger Sektlaune“ an die Schwester mit dem größeren Namen. SIEGESSÄULE-Autor Frank Hermann traf Uli Heissig zum Interview, um über die Knefs zu reden – und natürlich über die neue Show
Wunderbarerweise hat deine neue Show den Titel „Ein Lied kann eine Krücke sein“. Hast du selbst persönliche Liedkrücken? Selbstverständlich. Natürlich auch was von Hilde, die „Rosen“ beispielsweise oder im Bezug aufs Älterwerden „Wird Herbst da draußen“. Das Tolle ist, dass Hildegard einen ähnlichen Chansongeschmack hatte wie ich, sie hat ja auch viel Brel und Bécaud gesungen. Ich werde also im neuen Programm auch einige Lieder aus dieser Ecke nehmen. Das Ganze ist eine große Verneigung vor der Knef mit Songs von ihr, natürlich wie immer neu gewandet, ein paar sind dabei, die sie nicht gesungen hat, aber gut hätte singen können. Es ist auch so was wie ihr Wunschzettel als 90-Jährige: „Ich möchte wie Vettel bei Formel eins siegen und in Berlin vom neuen Flughafen fliegen. Ich möchte dem Putin die Fresse polieren und Männerpaar zum Traualtar führen“.
Wie kommst du auf deine Texte? Hildegards Geist schreibt ja scheinbar mit. Das Tolle an ihr war ja, dass sie sich einerseits sehr gewählt ausdrücken konnte als Diva und dann wieder die Berliner Schnauze hatte. Jetzt haben wir die dritte Version von „Für mich soll’s rote Rosen regnen“, wieder mit neuem Text von mir, denn das Original kann Irmgard nicht singen, das gehört einfach Hilde. Bei mir geht das so: „Denn was, wenn’s gelbe Nelken nieselt, wenn von der Decke nur Bühnenstaub rieselt. Wenn die Kollegen das Maul sich zerreißen und meine Zuschauer mit Stühlen schmeißen.“ Es geht im Programm um die Selbstbestimmung im Alter, das Ansingen gegen Altersdepression, den Frust, gegen die furchtbaren Zustände in dieser Welt. Es ist eine Musical-Comedy „Solo for One“ gegen die Verbitterung. Der zweite Aspekt ist natürlich die Hommage zum 90.
„Solo for One“ mit Anleihen an „Dinner for One“? Ja, nur dass der Tiger nicht auf dem Boden liegt, sondern Irmgard ihn sozusagen trägt. Natürlich geht es bei diesem 90. Geburtstag auch darum, dass sie eigentlich einen Butler braucht, auch für zuhause, aber sie kann ihn nicht bezahlen. Letzten Endes imaginiert sie sich ihre Gäste Willy Brandt, Peter Scholl-Latour, Rudi Carrell und Luis Trenker ... Ich spiele also Irmgard und den Butler, der die Gäste spielt.
Wie war das denn, als Hildegard Knef gestorben ist, hast du da mal kurz gedacht: Au weia, was mach ich denn jetzt? Eigentlich nie, weil ich ja immer ganz konsequent die Schwester war. Ich habe dann aber auch – als Irmgard - ein Jahr lang Trauer getragen und es brannte immer ein rotes Lichtlein auf der Bühne. Am Tag ihrer Beerdigung hab ich in Hamburg im Schmidt-Theater gespielt und wie immer wurde am Ende „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ gespielt und ich bin dann abgegangen. Das war schon so ein Shiver-Moment.
Jedenfalls hat sich Irmgard immer mehr von Hildegard emanzipiert. Ich bin ja als Zwillingsschwester gestartet, als sie noch gelebt hat, das erste Programm war sozusagen die Exposition der Figur. Danach kam mit „Schwesternseelenallein“ und später „Die letzte Mohikanerin“ die Emanzipation. Dann 2008 „Himmlisch“, wo sie sich über die letzten Dinge Gedanken macht und über die Religionen ... So alle zwei bis drei Jahre gab es eben ein neues Programm. Aber Irmgard ist ja nun mal 90 und eine 90-jährige Hildegard gab es nie. Auch Irmgard gab es ja nie wirklich, die ist ja nur eine theatralische Behauptung. Natürlich sehe ich im Grunde noch so aus wie die späte Hilde vom Erscheinungsbild her, so wie man sie aus Talkshows kennt, vom Look und vom Sprachduktus her, aber vom Spiel her ist das natürlich jetzt älter, etwas gebrechlicher.
Schwule Bezüge gibt es auch in diesem Programm. Da schöpfe ich natürlich aus mir selber. Und wir – damit meine ich jetzt mich und Irmgard (lacht) – haben versucht, das alles miteinander zu verweben, das Alleinsein und auch das Älterwerden in Zeiten von sozialen Medien etwa: Was nützt es zum Beispiel, wenn ich zwar 1.000 Facebook-Freunde habe, aber alleine rumhocke? Das ist ja durchaus das Problem in der heutigen Zeit. Es ist ja auch eine Flucht und Sich-was-Vormachen. Was sind schon 1.000 virtuelle Freunde gegen zehn echte?
Du hast eine besondere Beziehung zu Älteren … Im Geiste widme ich dieses Programm meiner Tante. Die ist 90, lebt zuhause, ist völlig autark und bleibt in ihrem Bungalow. Neulich war ich bei ihr und wir haben zusammen gesungen: „Eins und eins das macht zwei“. Zum Gut-Draufsein im Alter hilft die Musik, definitiv.
Interview: Frank Hermann
Irmgard Knef: Ein Lied kann eine Krücke sein, 21.–31.01., Bar jeder Vernunft