Stella deStroy im Interview: „Ich mache Kultur und nicht Politik“

Seit 15 Jahren ist Stella deStroy in der Berliner Szene als Dragqueen unterwegs. Bereits als Teenager war sie ehrenamtliche Mitarbeiterin in der Jugendgruppe von Mann-O-Meter. Gemeinsam mit anderen Mitgliedern begann sie dann erste Shows zu veranstalten. Mittlerweile ist sie eine viel gebuchte DJ und eine Performerin, die auch schon das Cover der SIEGESSÄULE zierte. Letzten Samstag gewann sie die Wahl zu MISS*ter CSD im Wilde Oscar und schon bei Stellas Krönung gab es Aufruhr im Publikum. Jetzt werden Stimmen in unterschiedlichen Foren und Kommentaren bei Facebook laut, die unterstellen, dass die Wahl nicht mit rechten Dingen zugegangen sei. SIEGESSÄULE-Redakteurin Kaey hat Stella dazu befragt.
Wie hat es sich für dich angefühlt zu gewinnen? Merkwürdig, denn ich habe tatsächlich nicht damit gerechnet.
Warum denn nicht? Meine Shownummer ist total gefloppt. Ich bin live aufgetreten und habe Ukulele gespielt und dazu gesungen. Leider hat das Mikrofon dann irgendwie den Abgang gemacht und ist immer weiter nach unten gerutscht bis ich die Nummer unterbrechen musste.
Warum denkst du, hast du trotzdem gewonnen? Wahrscheinlich lag es an meiner Schlagfertigkeit. Ich musste meine verpatzte Shownummer ja irgendwie retten und das habe ich durch meine Berliner Schnauze ganz gut hinbekommen. Außerdem hatten wir ja noch andere Aufgaben im Wettbewerb, bei denen es eher darum ging, was wir sagen anstatt darum, was für ein Outfit wir tragen. Ich hatte auch den Eindruck, ich war weniger verbissen als einige der anderen Kandidat*innen. Bei einigen klang vieles irgendwie abgelesen und zu sehr einstudiert. Mir ging es primär nicht darum zu gewinnen. Vielleicht war ich dadurch einfach am authentischsten.
Wenn du nicht gewinnen wolltest, wieso hast du dann an der Wahl teilgenommen? Ich habe vor einer Weile meine musikalischen Kenntnisse wieder aufgefrischt und mich auf das Ukulele spielen konzentriert. Jetzt wollte ich unbedingt damit auftreten und die Rahmenbedingungen bei der Wahl schienen mir dafür perfekt. Momentan bin ich ja hauptsächlich als DJ unterwegs. Ich habe aber auch schon viele unterschiedliche Dinge gemacht: Theater gespielt, Filme gedreht, moderiert und viele Vollplayback-Nummern performt. Jetzt wollte ich meinen Livegesang auch selbst begleiten. Die MISS*ter CSD Wahl findet in mittelgroßen Locations wie dem Wilde Oscar, mit einer anständigen Bühne, statt und nicht in einem riesigen Theater oder in einem Nachtclub. An so einen Ort passte „Sag mir wo die Blumen sind“ mit Ukulele einfach perfekt.
Bei deiner Krönung ertönten im Publikum Buh-Rufe und auch auf Facebook gibt es einige Leute, die in unterschiedlichen Foren und Postings behaupten, es wurde beim Ergebnis geschummelt. Was sagst du dazu? Ich mache Drag seit 15 Jahren und Zickereien untereinander gehören einfach dazu. Im Grunde habe ich damit nicht mal ein Problem. Ich bin da ja auch nicht anders und habe manchmal ne freche Klappe. Teilweise verstehe ich allerdings nicht, was für ein Fass wegen diesem Amt auf gemacht wird. Es gibt außer der Krone und der Schärpe ja keinen anderen Preis, und von dem Titel kann ich mir nichts kaufen. Ich werde damit auch keinen Platz im Bundestag bekommen, mit Frau Merkel Kaffe trinken oder die Weltherrschaft an mich reißen können. Ich hätte den Sieg wirklich jeder anderen gegönnt.
Was genau wird jetzt mit dem Amt konkret auf dich zu kommen? Ich bin mir noch nicht ganz sicher. Ich treffe mich in der nächsten Woche mit den Leuten von HURRA!Entertainment, die die Wahl veranstaltet haben, um zu besprechen, was für Möglichkeiten es gibt. Ich würde mich natürlich freuen, wenn ich den CSD mit dem Bürgermeister eröffnen kann
Würdest du dich denn als politisch bezeichnen? Ich bin wirklich keine Polittranse. Mein Slogan ist immer: Ich mache Kultur und nicht Politik.
Was bedeutet das? Wenn mich etwas bewegt oder aufregt, bringe ich das zum Ausdruck. Ich habe eine eigene Meinung, die ich gerne mal äußere, auch wenn es unbequem für andere ist. Ich rede niemandem nach dem Mund! Grundsätzlich bin ich in erster Linie kreativ und verpacke meine Meinung in etwas Künstlerisches. Das kann dann durchaus zufällig politisch sein, doch ich mache keine Politik.
Du machst seit 15 Jahren Drag. In Berlin bist du überall bekannt und eine erfolgreiche DJ. Momentan tauchen immer mehr Dragqueens in Berlin auf. Was für einen Rat würdest du ihnen geben, um Erfolg zu haben? Als erstes würde ich ihnen den Ratschlag geben, nicht mehr so oft ein Rad zu schlagen. Ich bin ja dafür bekannt, dass ich bei meinen Shownummern - in High Heels - auf der Bühne ein Rad schlage. Gerne auch mal zwei nacheinander. Mir ist aufgefallen, dass das mittlerweile einige kopieren. Sonst ist es vor allem aber wichtig, dass man Drag macht, weil man es liebt und nicht, weil man den Erfolg im Auge hat. Bei mir hat es auch sechs oder sieben Jahre gedauert, bis man mich regelmäßig gebucht hat. Ich würde das nicht seit 15 Jahren machen, wenn es mir keinen Spaß macht. Es ist auch nicht mein Hauptberuf.
Was erwartet uns von Stella deStroy in diesem Jahr noch, abgesehen von den Auftritten als MISS*ter CSD? Ab Mai organisiere ich zusammen mit Destiny Drescher eine eigene Party. Jeden letzten Samstag im Monat veranstalten wir die „Glitzer“ im Brunnen 70. Aber ich habe durch meinen Auftritt bei der Wahl wieder Bühnenluft geschnuppert und Blut geleckt. Deshalb wird sich da sicherlich auch noch einiges ergeben. Vielleicht spiele ich demnächst ein komplettes Ukulele-Konzert.
Interview: Kaey
Glitzer, 28.Mai, 23 Uhr, Brunnen 70