Filmcheck der Woche

Erstes schwules Paar in einem Blockbuster: „Independence Day: Wiederkehr“

14. Juli 2016

– Lange hat man darauf warten müssen. In Roland Emmerichs „Independence Day: Wiederkehr“ ist es nun endlich soweit: Zum ersten Mal ist im Blockbuster-Kino auch ein Homopärchen mit dabei, wenn vor den Augen eines popcornmampfenden Publikums mal wieder die Welt gerettet werden muss. 20 Jahre nach der gescheiterten Alien-Invasion im Vorgängerfilm, steht eine zweite Angriffswelle bevor. Aufgrund der vom ersten Kampf noch übergebliebenen Raumschiff-Wrackteile, ist die Menschheit mittlerweile mit hochentwickelter Alien-Technologie ausgerüstet. Aber das hilft alles nichts, denn die neue Alien-Queen kommt mit einem Schiff so groß wie ein Fünftel der Erde angerückt. Ein ungleicher Kampf beginnt ...

Wer kann sich noch an den leicht debilen, vor sich hin kichernden Wissenschaftler Dr. Brackish Okun aus „Independence Day“ erinnern, der sich plötzlich in dem Würgegriff eines Außerirdischen wiederfand? Richtig, der bezahlte diese Begegnung mit der dritten Art eigentlich mit seinem Leben. So schien es zumindest. Doch Dr. Okun erwacht nach 20 Jahren aus dem Koma. Während dieser Zeit kümmerte sich sein Lebenspartner ganz liebevoll um ihn und pflegte die gemeinsamen Orchideen. Den Rest des Films rennt letzterer ganz mütterlich-besorgt dem fahrigen Okun hinterher, damit dieser sich ja nicht überanstrengt, während er nach einer Lösung für das Alien-Problem sucht. Darin erschöpft sich dann auch weitgehend die erste homosexuelle Beziehung in einem Blockbusterfilm. Eine ernstzunehmendere und weniger altbackene Form der Darstellung wäre wohl ein Wunder gewesen. Ebensowenig überrascht, dass Emmerich es nicht einmal wagt, einen Kuss zwischen den beiden Männern zu zeigen, sodass ganz Naive denken könnten, wir haben es hier mit einer sehr engen Freundschaft zu tun. Die Mühlen im Blockbuster-Kino mahlen eben langsam und weder die wenigen meist nicht sonderlich offenen Darstellungen von Homosexualität, die es dort bisher gab, als auch Emmerichs bisheriges Filmoeuvre ließen etwas anderes erwarten. 

Die heterosexuellen Bindungen sind allerdings kaum glaubwürdiger gezeichnet: Wenn da zum Beispiel die beiden von Jeff Goldblum und Charlotte Gainsbourg gespielten Heldenfiguren am Ende zum Kuss ansetzen, wirkt das nach all dem Gekreische und Weggelaufe vor Aliens eher wie eine Übersprungshandlung als wie ein nachvollziehbarer Ausdruck von Zuneigung, der sich irgendwie aus der Handlung ergibt. Emmerichs große Stärke sind nach wie vor die Schauwerte. Das überdimensionierte Raumschiff, das sich als riesiger Feuerball über die Erde schiebt oder die zum finalen Kampf schreitende Alien-Queen sind ein Fest fürs Auge. In einer Zeit, in der man große Event-Movies am laufend Band zu sehen bekommt, schafft es Emmerich tatsächlich noch, mit der Gigantomanie seiner Untergangsorgie zu beeindrucken.

Immerhin: Emmerich hat das erste Homo-Paar in den Ring geschickt. Ein solches jetzt auch mal halbwegs vernünftig zur Darstellung zu bringen, liegt nun – hoffentlich – in den Händen anderer. Bereits in der nächsten Woche startet im Kino schließlich „Star Trek Beyond“, in dem Sternenflottenoffizier Sulu mit seiner Regenbogenfamilie zu sehen sein soll. Und ein derart unbeholfener, rüder Umgang mit Filmcharakteren, wie ihn Emmerich pflegt, ist im Star-Trek-Universum wohl kaum zu erwarten.

Andreas Scholz

„Independence Day: Wiederkehr", ab 14.07. im Kino
In diesen Berliner Kinos wird der Film in 2D gezeigt
In diesen Berliner Kinos wird der Film in 3D gezeigt

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