Der 100 Prozent Frauensommer in der Bar jeder Vernunft

„100 % – Der Frauensommer“ im letzten Jahr war eine wunderbare Gelegenheit, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, was Frauen auf den deutschen Bühnen drauf haben – ein toller Sommer mit Maren Kroymann, Barbara Thalheim, Cora Frost, Katrin Sass und vielen anderen. Und weil es so toll war, gibt es das in diesem Jahr wieder. Von Ende Juli bis Mitte September hat die künstlerische Leiterin von Bar und Tipi, Franziska Kessler, Frauen gebucht. „Mir ist es sehr wichtig, den Frauen diesen Rahmen zu geben“, erzählte sie mir neulich, „es ist einfach immer noch so, dass Frauen es sehr viel schwerer haben. Eine lustige Frau wird weniger wahrgenommen als ein ebenso lustiger Mann. Es sei denn, sie hat große Brüste – dann wird sie vielleicht wahr-, aber leider nicht ernst genommen.“ Recht hat Franziska und dazu noch ein gutes Händchen für Künstlerinnen mit guten Projekten. Den Anfang macht in diesem Jahr Mouron. Die Französin mit der Stimme zum Dahinschmelzen wurde einst von Georgette Dee und Terry Truck in einer Bar in Paris entdeckt. Daraus entstand die jahrelange Zusammenarbeit mit Pianist Terry Truck, der sie auch diesmal begleitet. In „Crème de la Crème“ spielen sie Chanson-Klassiker, unter anderem von Edith Piaf, Yves Montand und Jacques Brel.
Anfang August folgen Sharon Brauner & Band mit einem Best-of sowie Nicola Rost mit ihrem aktuellen Soloprogramm, bevor vom 9. bis 14.08. Désirée Nick scharfzüngig wie eh und je zum letzten Mal „Retro-Muschi“ zeigt. Und dann kommt die Dee! Georgette hat sich mal wieder Zauberhaftes ausgedacht und spielt ihre Version vom „Sommernachtstraum“, wobei sie die Elfenkönigin Titania verkörpert, die ihr „Ewig-jung-Elixier“ verbummelt hat. Für ihr Special lädt sich Georgette Dee befreundete Künstlerinnen und Künstler auf die Bühne. Wen genau, weiß man nicht – wir dürfen uns überraschen lassen. Ende August steht die Hannoveranerin Nessi Tausendschön „Knietief im Paradies“. Nessi schlüpft in die Rolle der Torwächterin. „Hinein dürfen die Eigenwilligen, die Randständigen und Liebeshungrigen, die Equilibristen und gefallenen Engel“, sagt sie, und genau die werden sich auch bei ihrem Programm köstlich amüsieren.
Den Reigen beenden im September meine drei ganz persönlichen Lieblinge: Die wunderbare Maren Kroymann arbeitet sich mit uns durch die Hitparade der 60er und ist „In my Sixties“ so erfrischend offen lesbisch und offen – na eben über sechzig. Und um diese Zahl jetzt nicht noch mal sagen zu müssen, drücke ich es so aus: Ich habe diese Show schon ungefähr genauso oft gesehen. Danach folgt die rotzfreche Idil Baydar mit ihrem zweiten Soloprogramm „Ghettolektuell“, bevor dann Irmgard Knef „Ein Lied kann eine Krücke sein“ zeigt – ein, wie ich finde, sehr gelungener Abend, der im Frühjahr Premiere hatte.
Ja, es stimmt, die letzte Frau ist zumindest jenseits der Bühne wahrscheinlich irgendwie eher Mann – es muss ja nicht immer alles so genau genommen werden. Aber dafür sind auch mindestens zwei Lesben dabei. Beim nächsten Frauensommer dürfen es auch gerne mehr sein.
Christina Reinthal